
Transfeindlichkeit als politische Strategie von rechtsextremen Akteur*innen? Der Bundesverband Trans* (BVT*) hat gemeinsam mit der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung die Broschüre „Was bringt Trans*feindlichkeit rechtsextremen Akteur*innen? Und: Was ist daran so gefährlich?“ herausgegeben, die aufzeigt, wie Transfeindlichkeit aus der extremen Rechten funktioniert und wie gefährlich das für uns alle ist.
In den USA lässt sich in den letzten Monaten beobachten, wie Transfeindlichkeit zur Staatsräson wird. Donald Trump hat mit trans*- und queerfeindlicher Hetze nicht nur Wahlkampf gemacht – er hält auch seine Versprechen. So rief er offiziell eine zweigeschlechtliche Ordnung aus, wies Bundesbehörden an, alle Büros für Diversität und Inklusion zu schließen, hetzte explizit gegen trans*feminine Personen und will sie aus Frauensport auf allen Ebenen ausschließen – von Olympia bis zu regionalen Sportprogrammen. Auch die gesundheitliche Versorgung von trans* Personen, insbesondere die von trans* Kindern und Jugendlichen, greift die Trump-Regierung gezielt an. Begriffe wie „Gender“ oder „transgender“ werden von Webseiten, aus Forschungsvorhaben, aus dem Schulunterricht und aus der Geschichtsschreibung gestrichen und verboten: Trumps Regierung greift systematisch die Menschenrechte von trans*geschlechtlichen Personen in den USA an. Seine Dekrete begründet er mit gezielter Desinformation über trans*, inter* und nicht-binäre Menschen sowie eine angebliche „Transgender-Ideologie“.
Die transfeindlichen Angriffe kommen nicht allein: Sie gehen Hand in Hand mit Angriffen auf migrantische, migrantisierte und von Rassismen betroffene Menschen sowie cis Frauen. Dabei greifen Trump und seine Entourage so stark in das demokratische System ein, dass viele Expert*innen die Anfänge einer autokratischen Machtübernahme und eines neuen Faschismus gegeben sehen.
Die aktuellen Dynamiken in den USA machen deutlich, was trans* und queere Verbände, aber auch (post)migrantische Organisationen seit Jahrzehnten hervorheben: Wenn die Menschenrechte von manchen Gruppen diskutabel sind, werden die von allen angegriffen.
Transfeindliche Ressentiments werden politisch instrumentalisiert
Auch in Deutschland wurde in den letzten Monaten mit Transfeindlichkeit und Antifeminismus Wahlkampf gemacht. Lange erkämpfte und erst kürzlich umgesetzte Rechte, wie z.B. das Selbstbestimmungsgesetz, sollen wieder zurückgenommen werden, wenn es nach CDU/CSU und AfD geht. Das Selbstbestimmungsgesetz löste im November 2024 das in großen Teilen verfassungswidrige „Transsexuellengesetz“ ab und regelt die rechtliche Anpassung von Namen und Personenstand für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen. Beim TV-Duell bezeichnete Merz (CDU) Trumps Dekret, lediglich zwei Geschlechter anzuerkennen als „nachvollziehbar“. Im Wahlprogramm der CDU wird die Forderung nach Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes mit dem Schutz von Familien verknüpft. Noch expliziter nutzt die rechtsextreme AfD Transfeindlichkeit und Hetze gegen eine angebliche „Gender-Ideologie“ für die eigene Profilierung.
In der neuen Broschüre mit dem Titel „Was bringt Trans*feindlichkeit rechtsextremen Akteur*innen? Und: Was ist daran so gefährlich?“ zeigen der „Bundesverband Trans* (BVT*)“ und die Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus auf, dass Transfeindlichkeit aus dem extrem rechten Spektrum nichts Neues, sondern schon immer Teil der rechtsextremen Geschlechter- und Gesellschaftsordnung ist. Neu ist jedoch der gezielte und explizite Einsatz von Transfeindlichkeit, um für rechtsextreme Ideologien zu mobilisieren. Dabei wird gezielt an religiös-fundamentalistische, (rechts-)konservative und weitere transfeindliche Ideologien angeschlossen. Frauenrechte und das Thema Kinderschutz werden von rechtsextremen Akteur*innen instrumentalisiert, um besonders gegen trans*feminine Personen zu hetzen. Viele dieser Argumentationslinien haben es bereits in den gesamtgesellschaftlichen und politischen Diskurs im deutschsprachigen Raum geschafft und werden auch von transfeindlichen Feminist*innen genutzt.
Trans*, inter* und nicht-binäre Personen bekommen die Auswirkungen dieses Diskurses täglich zu spüren: Finanzielle Kürzungen, die besonders queere und trans* Bildungsprojekte und Beratungsstellen hart treffen; über 40 rechtsextreme Angriffe auf CSDs im letzten Sommer; das öffentliche Infragestellen von medizinischer Gesundheitsversorgung und Selbstbestimmung für trans* und nicht-binäre Personen. Transfeindlichkeit ist ein Trend, der in breiten Teilen der Gesellschaft anschlussfähig ist.
Gewalt gegen trans* und nicht-binäre Menschen nimmt zu
Das zeigte auch die Ende 2024 veröffentlichte Leipziger Autoritarismus-Studie (LAS): Sie attestierte der Mehrheit aller Deutschen eine manifeste oder latente Transfeindlichkeit. Über ein Drittel (37 Prozent) vertritt sogar ein geschlossen transfeindliches Weltbild. Die renommierte Studie stellt fest, dass Transfeindlichkeit ein großes Potential als Brückenideologie hat: Durch die hohe Anschlussfähigkeit wird sie gezielt genutzt, um extrem rechte Narrative weiter in die breite Gesellschaft zu transportieren.
Besonders trans* Personen, die auch von Antisemitismus, Rassismen und/oder Migrationsfeindlichkeit betroffen sind, bekommen aktuell in Deutschland zu spüren, dass ihre Existenz von vielen Seiten unerwünscht ist. Die Folgen globaler queer- und transfeindlicher Tendenzen zeigen sich in höherer gesundheitlicher psychischer Belastung, einem verstärkten Rückzug aus der Öffentlichkeit, stärkerer Vereinzelung, mehr Gewalterfahrungen und der weiterhin hohen Suizidalität unter trans* und queeren Personen.
Seit Jahren weisen trans* und queere Verbände auf die Zunahme an queer- und transfeindlicher Gewalt hin – und auf die Gefahren, die mit ihr kommen. Die NGO ILGA-Europe bildet in ihrem aktuellen Bericht über die Menschenrechtslage für lesbische, schwule, bi, trans* und inter* Personen in Europa und Zentralasien ab, was für queere Menschen täglich spürbar ist: In ganz Europa und Zentralasien benutzen Regierungen eine LGBTI-feindliche Rhetorik, um Einschränkungen in Bezug auf Meinungsfreiheit, Zivilgesellschaft und demokratische Wahlen zu rechtfertigen. Geschäftsführer*in Chaber sagt: „Was als Angriff auf LGBTI-Rechte beginnt, entwickelt sich schnell zu einem umfassenderen Angriff auf die Rechte und Freiheiten aller Menschen in der Gesellschaft. Dies ist nicht nur ein LGBTI-Problem, sondern eine Krise für die Menschenrechte und die Demokratie insgesamt“.
Doch das politische und mediale Interesse für Transfeindlichkeit und die Zusammenhänge mit Rechtsextremismus kommt spät und ist oft nur oberflächlich – trotz der klaren Analysen und Einordnungen der betroffenen Communitys und der offensichtlichen autoritären, anti-demokratischen Funktion von transfeindlicher, antifeministischer Ideologie und Gewalt.
Aber für tatsächliche Solidarität mit trans* und nicht-binären Menschen, mit queeren Communitys – als selbstverständlicher Teil des Einsatzes gegen Rechtsextremismus und für Demokratie – ist es nie zu spät.
Die gesamte Broschüre finden Sie hier:
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