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Italien Rechtsextreme aus ganz Europa beim Remigrations-Gipfel

In Mailand haben sich hunderte Rechtsextreme beim ersten „Remigration Summit“ über ihre Abschiebephantasien ausgetauscht. Vor Ort waren Neurechte aus zahlreichen Nationen, darunter auch aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

 
Rechtsextreme Kader aus ganz Europa trafen sich am 17. Mai in Mailand beim Remigration Summit. (Quelle: picture alliance / ipa-agency | elisa pedrani)

Schon Wochen im Vorfeld polarisierte der Kongress, der am 17. Mai stattfand . Nicht zuletzt, weil die Organisatoren auf altbekannte Klientel setzen konnten. Wie so oft ganz vorne mit dabei: der ehemalige Kopf der Identitären Bewegung (IB) in Österreich, Martin Sellner. Sellner, der seit Jahren als zentrale Figur der Neuen Rechten in Österreich und Deutschland auftritt, nutze die Aufmerksamkeit beim Kongress einmal mehr um seine Auffassungen zu vermeintlichen Erfolgen im „Kampf um Remigration“ und geschlossene Außengrenzen kundzutun.

Einige seiner Kameraden wären schon bei der Anreise fast an den deutschen Behörden gescheitert. Die Bundespolizei versuchte wenige Tage vor Kongressbeginn die Ausreise von mehreren IB-Kadern zu verhindern. Insgesamt acht Mitglieder wurden kurz vor dem Einstieg in das Flugzeug abgefangen.

Polizeieinsatz im Flughafen München

Wenig später wurde klar: Ausgerechnet eine geschlossene Grenze machte der Gruppe einen Strich durch die Rechnung. Anschließend landeten die Aktivisten für über acht Stunden im polizeilichen Gewahrsam. Begründet wurde die Ausreisesperre damit, dass die Gruppe das Ansehen der BRD im Ausland schädigen könnte. Ein Eilantrag auf Freilassung wurde vom Amtsgericht München abgelehnt.

Mehrere skurrile Videostatements später trafen die Rechtsextremen dennoch in Mailand ein. Man gab sich selbstbewusst und gewohnt rebellisch, über Social Media wurde der Vorfall so gut es ging ausgeschlachtet.  Auch einige AfD-Mitglieder sprangen kurzzeitig auf den Zug auf. Darunter Lena Kotré (MdL) aus Brandenburg. In einem X-Beitrag kritisierte sie die BRD als totalitären Staat, der angeblich „DDR-Methoden“ anwenden würde, um kritische Stimmen zu unterdrücken.

Etablierte Parteien auf dem Kongress

Beim Gipfel kam Kotré auch selber zu Wort. In ihrer Rede betonte sie die gemeinsame Arbeit mit der IB: „Die Vorarbeit der Aktivisten hat es uns Politikern ermöglicht, den Wunsch der Bevölkerung nach Remigration in eine politische Forderung zu überführen.“ Die positive Bezugnahme zur IB galt innerhalb der AfD lange Zeit als Tabubruch. Noch bis Meuthens Rücktritt Anfang 2022, dementierte der Parteivorsitz bei nahezu jeder Gelegenheit eine etwaige Zusammenarbeit mit der Identitären Bewegung. Bis heute steht die Gruppierung auf der Unvereinbarkeitsliste der Partei.

Inzwischen haben sich die Verhältnisse in der AfD verändert. Abgrenzungsversuche werden keine mehr unternommen. Stattdessen liefert die sogenannte Neue Rechte essenzielle Bestandteile für die politischen Strategie der Partei. Sie dient als Bindeglied zwischen einer noch jungen Wähler*innen-Gruppe und einer reaktionären, grauen Partei.

Auch aus Frankreich sollte eine Stimme aus der etablierten Politik auf dem Remigration Summit sprechen. Mit dabei war der ehemalige Front National Abgeordnete Jean-Yves Le Gallou. Le Gallou gilt als einer der führenden ideologischen Vordenker der Neuen Rechten. Bereits 2002 gründete er das Projekt „Polémia“, einen der einflussreichsten rechten Thinktanks Frankreichs.

In der Öffentlichkeit predigt er seit Jahrzehnten die Verschwörungserzählung vom großen „Bevölkerungsaustauschs“, deutet sogar immer wieder an, Europa würde unter den jetzigen Verhältnissen in einen „Rassenkrieg“ verfallen.

Die internationalen Strukturen hinter dem Kongress

Organisiert wurde der Kongress von der italienischen Gruppe „Azione Cultura Tradizione“ (deutsch: „Aktion, Kultur, Tradition“) und dem Aktivisten Andrea Ballarati, einem ehemaligen Mitglied der Jugendorganisation der Partei Fratelli d’Italia. Der Einladung folgten weitere Schlüsselfiguren der extremen Rechten.

Eine von ihnen ist die rechtsradikale Influencerin Eva Vlaardingerbroek. Die gebürtige Niederländerin ist 2016 der ultra-nationalistischen Kleinstpartei Forum voor Democratie (FvD) beigetreten und polarisiert seitdem in der Öffentlichkeit stark mit antifeministischen, rassistischen und Globalisierungs-kritischen Positionen. 2020 zog sie sich nach internen Konflikten aus der Partei zurück. Auf Social Media generiert das reaktionäre Weltbild Vlaardingerbroeks seit geraumer Zeit große Aufmerksamkeit. Allein auf X hat sie inzwischen über 1,1 Millionen Abonnent*innen.

Neben zahlreichen weiteren Strukturen aus den Niederlanden, Spanien, Portugal, Dänemark und Belgien war auch die rechtsextreme Jugendgruppe „Junge Tat“ aus der Schweiz vor Ort präsent. Die Gruppe ist seit Jahren aktiv und fällt beispielsweise durch Einschüchterungsversuche gegenüber queeren Menschen auf, wie im Oktober 2022. Damals versuchte die Gruppe eine Drag-Veranstaltung im Tanzhaus Zürich zu stören.

Zuletzt erhielt die Gruppe durch einen Dokumentarbeitrag des Schweizer Senders SRF zweifelhafte Publicity. Ein Reporter des Senders hatte die Jugendgruppe über ein halbes Jahr hinweg begleitet. Nach der Veröffentlichung hagelte es Kritik. Der Vorwurf: Die Doku käme eher einem Marketingfilm gleich, in dem sich die beiden Köpfe der Neonazi-Organisation, Tobias Lingg und Manuel Corchia, als harmlose patriotische Wanderfreunde inszenieren konnten.

Offensive Gegenproteste

Über 2.000 Antifaschist*innen gingen in Mailand unter dem Motto „Make Europe Antifa Again“ gegen das Rechtsextremen-Treffen auf die Straße. Immer wieder gelangten kleinere Gruppen in die Nähe des Tagungsortes, um die Teilnehmenden zu stören. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein.

In Aufrufen via Social Media hatten zahlreiche Strukturen bereits Wochen zuvor angekündigt, den Rechten nicht unwidersprochen ihre Stadt zu überlassen. „Dem Vormarsch des Faschismus begegnen wir geschlossen – mit dem Aufbau widerständiger Gemeinschaften und dem Vernetzen von progressiven Stimmen“, erklärte beispielsweise die Gruppe „Rebelot“, die sich an den Gegenprotesten beteiligte via Instagram.

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