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Kultur Ein AfD-Propagandist als Repräsentant der Leipziger Kunstszene

Moritz Frei, "Nest" aus dem Archiv der "Kunstwerke des Tages", berlinartbooks, 2018. Der Künstler nimmt aus Protest gegen die Nominierung Krauses nicht an der Leipziger Ausstellung teil.

Im Parlament und auf der Straße versuchen AfD und Co. mit Rechtsextremen im Schlepptau einen neorassistischen Kulturbegriff durchzusetzen. Damit prägen sie zunehmend den öffentlichen Diskurs. Um einen Eindruck von der AfD-Kulturpolitik zu bekommen, genügt es die jüngsten Vorkommnisse in Freiberg und Leipzig zu studieren. Hierbei wird die Doppelstrategie der Rechtspopulist*innen, die sie in allen Politikfeldern anwenden, auf die Kultur und die Kunst übertragen. Die Freiheit der Kunst wird angegriffen und gleichzeitig wird eine freie Kunst postuliert – eine politisch unkorrekte Kunst wird gefordert, solange sie sich nicht gegen die AfD selbst richtet.

Hinzu kommt eine gewollte und ungewollte Komplizenschaft von einzelnen Kulturschaffenden mit rechtspopulistischen Themen, Thesen und Haltungen. Der sich daraus ergebene schmerzhafte Perspektivwechsel, selbst Teil eines gesellschaftlichen Problems zu sein, ist derzeit besonders notwendig. Dies geht zwangsweise über unbedingt zu unterstützende solidarische Aktionen sowie grundlegende Bekenntnisse zur Demokratie und Kunstfreiheit hinaus. Man konnte sich in den letzten Jahren mit reaktionären Thesen bekannt machen, die etwa prominente Künstler wie Neo Rauch (vgl. Handelsblatt), Georg Baselitz (vgl. etwa ZEIT) und Gerhard Richter (vgl. etwa Deutschlandfunk) äußerten.

Trennung von Person und Werk?

Glücklicherweise bilden sich im Vorfeld der Landtagswahlen in Sachsen eindrucksvolle Vernetzungsinitiativen von Zivilgesellschaft und Kunstschaffenden, die der Normalisierung der AfD und damit der Verrohung des politischen Diskurses entgegentreten wollen – auch und gerade in Leipzig. Das alles kann auch dem Verein Leipziger Jahresausstellung nicht verborgen geblieben sein. In Bezug auf die Einladung Krauses führt der Verein seine Satzung, eine demokratische Wahl der eingeladenen Künstler*innen und die Trennung von Werk und Autor als Argumente ins Feld. Letzteres ist 2019 eine wohl eher theoretische und bestenfalls antiquierte Figur, die die Kunst einst mit der Aura des Überirdischen umgeben sollte. Die vom Vereinsvorsitzenden Rainer Schade vehement vertretene Haltung, man würde Werke und keine Künstler*innen zeigen, fungiert vielmehr als Manöver zur Kritikabwehr. Ohne Zweifel, die fachliche Bewertung für die Auswahl von Kunstwerken für eine Ausstellung spielt eine besonders wichtige Rolle. Die Trennung von Person und Werk erweist sich als Bärendienst, da beide spätestens in der öffentlichen Wahrnehmung wieder zusammenfinden. Zudem lässt die Trennung außer Acht, dass es Krause selbst ist, der diese praktisch nicht vornimmt. Er sorgt dafür, dass seine Person mit der AfD und Rechtsextremen assoziiert wird. Im Interview mit dem Magazin Anbruch, spricht Krause über Kunst und Politik sowie den vermeintlich unfreier werdenden Künstler. Anbruch ist ein reaktionär-romantisches Kultur-Magazin, welches 2018/ 2019 vom AK Nautilus
des Vereins für unabhängige Medien- und Informationsarbeit gefördert worden war. Zwischen diesem Verein und der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich gibt es Überschneidungen. Als Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius–Erasmus–Stiftung ist Krause zudem kulturpolitisch aktiv.

Das Mantra des Vereins nur ein Werk zu zeigen und nicht die Gesinnung des Künstlers, scheint vor diesem Hintergrund nicht zum Selbstschutz geeignet. Es ist davon auszugehen, dass die Gründe für die Nominierung Krauses vielfältig waren und sind. Auch ein Zusammenhang mit der Entscheidung der Galerie Kleindienst ist nicht auszuschließen. Denn die verschwörerische Idee von unterdrückten Meinungen durch einen angeblich linken Mainstream hat Krause nicht exklusiv. Wie auch immer die Intentionen im Verein gelagert sind; die Wahl Krauses ist vor allem in der Rezeption zu einem Statement des Vereins geworden. Indem der Verein den demokratischen Prozess der Wahl betont, verstärkt er diese Wahrnehmung. Krause ist in der Leipziger Kunstszene ein heute unbedingt zu repräsentierender Teil – das ist die Botschaft hinter dieser Entscheidung. Der Vereinsvorsitzende Rainer Schade bestätigt, dass der Abstimmung zu Krause eine Diskussion voranging. Dass man Krauses Malerei nicht für die Politik ihres Autors verantwortlich machen kann, war wohl eine mehrheitsfähige Argumentation in dieser Diskussion – Solidarität mit dem bedrohten ehemaligen Galeristen Krauses scheinbar nicht. In diesem Zusammenhang wäre es wohl erhellend, würde der Verein seine interne Diskussion und damit seine Beweggründe für die Entscheidung pro Krause offenlegen. Man könnte dadurch klären ob Unwissen, Akzeptanz oder ein dritter Aspekt zu dieser Entscheidung führten. Das Dilemma von Schade und dem Verein ist nun, dass sich gerade das vorgeblich Unpolitische in eine politische Entscheidung gedreht hat. Es ist kaum durchzuhalten nur über Kunst zu reden, wenn der (blaue) Elefant mit im Raum steht und man ihn selber eingeladen hat. Es gäbe Alternativen – Der Verein hat sich bisher anders entschieden.

Ausstellung als Kulturpolitik

Neben Axel Krause gibt es natürlich auch andere Künstler*innen, die für die Leipziger Leistungsschau ausgewählt wurden. Jede Ausstellungsliste ist auch immer Kulturpolitik. Der Verein könnte sich zum Beispiel für mehr Frauen in seinen Ausstellungen stark machen. Das in diesem Jahr mehr ausländische Künstler*innen eingeladen wurden ist ein guter Anfang. Es gibt also Alternativen, die gemeinsam mit den nicht reaktionären und nicht rechtsextremen Künstler*innen Leipzigs umsetzbar wären. Aber das muss man wollen – auch politisch. Der Verein sieht sich in der Rolle die Wahl Krauses als demokratisch zu verteidigen. Damit zwingt er Künstler*innen, die nicht mit Krause ausstellen wollten und die Künstler*innen, die die öffentlichen Statements des Vereins verfolgt haben, in die Erklärungsnot. Auch deshalb hat etwa der Künstler Moritz Frei die Ausstellung bereits abgesagt.

Der gesamte Vorgang könnte nur etwas Gutes haben, wenn der Verein erkennt, dass er nicht im luftleeren und apolitischen Raum agiert. Die Vorzeichen dafür sind allerdings nicht gerade gut. Vielmehr zeigt ein Bericht in der Leipziger Volkszeitung, dass sich der Verein im Modus Gegenangriff befindet. Rainer Schade, der Vorsitzende des Vereins fragt, den Spieß umdrehend und in vielsagender Rhetorik: „Was wissen wir von anderen Künstlern, die Ebenfalls in der Liste sind, was diese privat oder politisch tun? Es gibt ja nicht nur das rechte Spektrum. Wir können nicht die Gesinnung unserer Künstler recherchieren, um zu schauen, ob sie ausstellungswürdig sind.“  Das Zitat Schades paart Whataboutism mit vorauseilendem Gehorsam, um sich nicht dem mittlerweile reflexhaften Vorwurf von „Gesinnungsdiktatur“ auszusetzen zu müssen. Gleichzeitig zeigt sich Axel Krause im gleichen Artikel liberal und gesprächsbereit. Die Doppelstrategie wirkt.

Wenn man die Meinungsfreiheit ernst nimmt, muss man diese Komplizenschaft wohl auch aushalten – befürworten muss man sie nicht. Warum es also gerade ein Ausweis der Liberalität des Vereins sein soll, Antiliberalen wohlmeinend Aufmerksamkeit zu geben ist nicht ohne Widerspruch. Dass es gerade auch Ausdruck der Meinungsfreiheit sein kann, Krause und Co. kein Podium zu bieten, hätte früh in Betracht gezogen werden müssen und bevor Krause den „Wirbel“ um seine Person zelebriert. Es ist eine Frage der Abwägung, bei der es auch um den Schutz derjenigen gehen sollte, die von den stetigen Angriffen durch die AfD, ihrer Netzwerke und Freunde am stärksten betroffen sind. Leider gehört es auch zur Wahrheit, dass diese Bedrohungslage für die Demokratie und den Gleichheitsgrundsatz der Menschen, nicht von allen gleichermaßen erkannt wird. Das hat auch mit einem sozialen Phänomen zu tun – wenn man sich kennt, steigert das auch den Grad der Verharmlosung von Rechtsextremismus im eigenen Umfeld, gerade um des lieben Friedens willen. Die Perspektive von Menschen muslimischen Glaubens, POC’s und Vertreter*innen anderer von der AfD abgewerteten Minderheiten, wäre wohl eine grundlegend andere. Um das nur ansatzweise nachzuvollziehen, bräuchte es den Willen zum Perspektivwechsel und damit auch das Einstehen für eine notwendige politische Korrektheit von Seiten des Vereins. In diesem Fall müsste er sich an die Seite der Personen stellen deren Abwertung die AfD und ihre Vertreter*innen betreiben – und das betrifft direkt und indirekt die Mehrheit der Leipziger Gesellschaft. Das könnte wirklich einen Weg zum sozialen Miteinander durch Kunst ebnen – ein Ziel, das der Verein in seiner Satzung verfolgt.

 

Anmerkung: Im Artikel wurde ein wertender und unzureichend belegter Satz gelöscht.

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