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Landtagswahl in Sachsen Was das Ergebnis mit der politischen Landschaft macht

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Quo vadis, Sachsen? CDU-Landeschef Michael Kretschmar feiert verhalten mit seiner Lebensgefährtin Anett Hoffmann, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Christian Hartmann, CDU-Generalsekretär Alexander Dierks, Kultusminister Christian Piwarz und Sozialministerin Barbara Klepsch (v.l.). (Quelle: ZB)

Die sächsische Landtagswahl vom vergangenen Sonntag stellt in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur dar, die sich zwar schon bei den Bundestagswahlen 2017 und den Europawahlen 2019 andeutete, nun aber auch ihren Niederschlag in der Landespolitik findet.

Die bislang politisch alles dominierende sächsische CDU erleidet nach 2004 den zweiten großen Einbruch im Wahlergebnis, der prozentual gesehen zwar kleiner ausfällt als 2004, strukturell aber den größeren Umbruch bedeutet. Trotz der objektiven deutlichen Verluste, ist das eigene Ergebnis aus Sicht der CDU ein zumindest kleiner Erfolg.

Das Wahlergebnis ist Ausdruck eines massiven Rechtsrucks innerhalb Sachsens, der in den vergangenen Jahren, spätestens mit dem Aufkommen von PEGIDA, deutlich wahrnehmbar war und sich nun im Wahlverhalten Bahn gebrochen hat. Begünstigt wurde dies auch durch den im bundesweiten Vergleich deutlich nach rechts verschobenen konservativen Teil des Parteienspektrums, das es in den vergangenen Jahren versäumt hat, selbst klar rassistische Positionen deutlich zurückzuweisen und diese allzu oft als Ausdruck eines besorgten Bürgertums verklärt hat.

Das Mitte-Links-Spektrum aus LINKEN, SPD und GRÜNEN erreicht einen historischen Tiefststand und ist zusammen schwächer als die AfD. Die Gewinne der GRÜNEN gleichen an der Stelle die massiven Einbrüche von LINKEN und SPD nicht im Ansatz aus.

Die AfD ist die eigentliche Gewinnerin der Landtagswahl, auch wenn sie auf hohem Niveau stagniert und nicht alle Wahlziele erreicht hat. Die anderen Kräfte im extrem rechten Parteienspektrum sind in Sachsen marginalisiert und spielen parlamentarisch keine Rolle (mehr).

Auch wenn die AfD nicht in Regierungsbeteiligung kommen wird, bedeutet der Wahlausgang für alle, die sich für ein weltoffenes und demokratisches Sachsen einsetzen, sei es im zivilgesellschaftlichen, kulturellen oder sozialen Bereich, absehbar eine deutliche Erschwerung der eigenen Arbeit. Standen diese Akteur*innen bereits in den letzten Jahren verstärkt im Fokus der AfD und damit zunehmend unter Druck, wird die AfD dies mit der neu gewonnenen Stärke in der kommenden Legislaturperiode und im Verbund mit der im Mai 2019 deutlich gestärkten kommunalen Verankerung systematisch fortführen.

Die Entwicklung vom vergangenen Sonntag ist keine spontane Erscheinung, sondern Ausdruck von massiven Demokratiedefiziten, die sich über dreißig Jahre hinweg aufgebaut haben. Insofern gibt es hier auch keine kurzfristigen Antworten, sondern es bedarf einer klaren Strategie zur Stärkung der sächsischen Demokratie, um das Problem mittel- bis langfristig bearbeiten zu können. Die Entwicklung und Umsetzung einer solchen Strategie wird die Kernaufgabe der nächsten Landesregierung sein müssen.

Im Folgenden werde ich einige der eingangs aufgestellten Thesen noch einmal etwas genauer beleuchten. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Wahlergebnissen der extremen Rechten und hier insbesondere bei der AfD. Die statistischen Auswertungen beruhen dabei auf dem vom Statistischen Landesamt Sachsen zur Verfügung gestellten vorläufigen amtlichen Endergebnis, ergänzt durch die durch das Landesamt auf der Webseite aufbereiteten historischen Wahlergebnisse in Sachsen.

Wahlausgang

Auch nach der Wahl werden im Sächsischen Landtag CDU, LINKE, SPD, GRÜNE und AfD vertreten sein. Während die ersten drei Parteien massive Verluste hinnehmen mussten, konnten die GRÜNEN ihr Ergebnis um 2,9% auf nun 8,6% steigern, die AfD konnte ihr Ergebnis mehr als verdoppeln und legte von 9,8% auf 27,5% zu.

Die CDU sank von 39,4% auf nun 32,1%, die LINKE halbierte ihr Ergebnis fast von 18,9% auf nunmehr 10,4% und die SPD sank von 12,4% auf nun 7,7%. Alle drei Parteien haben damit ihr historisch schlechtestes Ergebnis seit 1990 eingefahren.

Für die CDU stellt dies den zweiten großen Einbruch in den Wahlergebnissen seit 2004 dar. Gegenüber 1999 verlor die CDU damals 15,8% und erreichte ein Ergebnis von 41,1%. Damit verbunden war zwar der Verlust der absoluten Mehrheit und die CDU musste sich seit 2004 Koalitionspartner suchen, dennoch behielt sie die politische Dominanz, da es ihr seit 1990 immer gelang, nahezu alle Direktmandate in Sachsen zu gewinnen. Wenn in der Vergangenheit Listenkandidat_innen der CDU zum Zuge kamen und in den Landtag gewählt wurden, dann immer nur, weil die Wahlergebnisse so gut waren, dass ihr mehr Sitze im Landtag zustanden, als sie Direktkandidat_innen zur Wahl standen. Bei der Landtagswahl 2019 wurden erstmals vier Listenkandidat_innen in den Landtag gewählt, obwohl nicht alle Direktkandidat_innen ein Mandat erringen konnten. Zugleich musste die CDU zum ersten Mal hinnehmen, dass in nennenswerten Umfang Direktkandidat_innen anderer Parteien gewählt wurden. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Verteilung der Direktmandate in Sachsen seit 1990.

Trotz des massiven Einbruchs ist das Ergebnis aus Sicht der CDU dennoch ein Teilerfolg. Musste die sächsische CDU bei den Bundestagswahlen 2017 und den Europawahlen 2019 hinnehmen, dass sie nicht mehr stärkste politische Kraft in Sachsen war und sich hinter der AfD mit Platz 2 begnügen, ist es ihr zur Landtagswahl gelungen, dieses Kräfteverhältnis wieder zu drehen und mit einem deutlichen Vorsprung vor der AfD auf Platz 1 zu landen.

Für das Mitte-Links-Spektrum hat sich die Wahl zu einem Desaster entwickelt. Die kumulierten Wahlergebnisse von LINKEN, SPD und GRÜNEN waren seit 1990 noch nie so niedrig. Die folgende Tabelle zeigt diese Entwicklung auf.

 

Ergebnisse der extremen Rechten

Neben der AfD standen noch weitere Parteien der extremen Rechten zur Wahl. In die Auswertung dieser Ergebnisse habe ich AfD, Aufbruch deutscher Patrioten Mitteldeutschland (AdPM), Blaue #TeamPetry (Blaue), BüSo und NPD einbezogen, die m. E. zweifelsfrei der extremen Rechten zugeordnet werden können und die landesweit angetreten sind. Die nur punktuell mit Direktkandidaten angetretene DSU im Vogtlandkreis sowie PRO CHEMNITZ in Chemnitz habe ich außen vor gelassen.

Die nachfolgende Übersicht zeigt die Ergebnisse der extrem rechten Parteien in Sachsen gegliedert nach Landkreisen. Dabei zeigt sich, dass außer der AfD keine der anderen aufgeführten Parteien Erfolge erzielen konnte. Zusammen kommen die extrem rechten Parteien jenseits der AfD auf gerade einmal 1,2%. Auch die NPD ist in ihrer einstigen Hochburg mittlerweile völlig marginalisiert und schafft es in keiner der sächsischen Gemeinden Wahlergebnisse von über 5% zu erzielen. Farblich abgesetzt sind in der Tabelle die AfD-Ergebnisse, die deutlich über (mehr als +2,5%) oder deutlich unter (mehr als -2,5%) dem landesweiten Schnitt liegen.


Für Vollbild auf die Tabelle klicken

AfD-Ergebnisse

Sachsen war das Bundesland, in dem die AfD schon frühzeitig die ersten politischen Erfolge feiern konnte, selbst zu einem Zeitpunkt als die Parteistrukturen noch in Gründung und wenig ausgebaut waren. Die Wahlergebnisse der AfD in Sachsen stellen sich wie folgt dar:

Prozentual hat die AfD bei der zurückliegenden Landtagswahl damit seit ihrem Bestehen in Sachsen ihr bestes Ergebnis eingefahren. In absoluten Stimmen stagniert sie dagegen auf hohem Niveau und scheint zunächst an die Grenze ihres Wählerpotentials gestoßen zu sein.

Die Übersicht über die Landkreisergebnisse der Zweitstimmen wie auch die errungenen Direktmandate zeigen, dass die AfD insbesondere in Ostsachsen überproportional stark ist. 10 ihrer 15 Direktmandate holte die AfD hier. Eine genauere Auswertung zeigt, dass die AfD ihre Wahlkreise mit deutlich geringerem Vorsprung vor den Kandidat_innen der CDU gewann als andersrum. Der Vorsprung der AfD in den von ihr gewonnenen Wahlkreisen bei den Erststimmen lag zwischen 0,2% im Wahlkreis Vogtland 1 und 7,9% im Wahlkreis Meißen 2. Im Durchschnitt betrug der Vorsprung der AfD hier 2,9%. In den Wahlkreisen, in denen die CDU das Direktmandat holte lag der Abstand zwischen 0,3% im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 2 und 16,5% im Wahlkreis Vogtland 3. Im Schnitt lag die CDU in den von ihr gewonnen Wahlkreisen bei den Erststimmen 6,2% vor der AfD.

Der Blick auf die Ergebnisse in den 419 sächsischen Einzelgemeinden bestätigt dieses Bild. Berechnet habe ich, in wie vielen Gemeinden die AfD bei den Zweitstimmen bestimmte Schwellenwerte überschritten hat. In 282 Gemeinden, das entspricht 67,3% der Gemeinden, hat die AfD dabei Wahlergebnisse von über 30 % erzielt in den übrigen 32,7% lag sie unter 30%. In der folgenden Tabelle sind die Landkreise rot markiert, in denen die AfD in mehr als 77,3% der Gemeinden Wahlergebnisse über 30% erzielt hat, grün markiert sind diejenigen, in denen die Wahlergebnisse in mehr als 42,7% der Gemeinden unter 30% lagen, gelb markiert sind diejenigen, in denen die Abweichung unterhalb von 10% lag.

Für Vollbild auf die Tabelle klicken

Von den 15 Wahlkreisen, in denen die AfD ein Direktmandat holte, lag sie in neun Wahlkreisen auch bei den Zweitstimmen vorne, in sechs Wahlkreisen holte sie zwar das Direktmandat bei den Zweitstimmen lag aber die CDU vorne und in zwei weiteren Wahlkreisen holte die CDU das Direktmandat musste sich aber bei den Zweitstimmen der AfD geschlagen geben.

Einige Besonderheiten

Einen kurzen Blick möchte ich noch einmal auf fünf Wahlkreise werfen. Das ist zum einen der Wahlkreis 58 – Görlitz 2, sowie die Wahlkreise 1 (Vogtland 1), 37 (Meißen 1), 38 (Meißen 2) und 40 (Meißen 4). Im Wahlkreis 58 trat Ministerpräsident Michael Kretschmer an, in den anderen vier Wahlkreisen hatten sich die CDU-Direktkandidaten Unterstützung durch den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, geholt. Dieser gehört zum äußersten rechten Rand der CDU, ist Mitglied der CDU-Splittergruppierung WerteUnion und war in der Vergangenheit mehrfach durch fragwürdige, die extrem rechte Szene verharmlosende Äußerungen aufgefallen.

Der Wahlkreis des Ministerpräsidenten Kretschmer ist insofern spannend, weil es Michael Kretschmer gelang mit 45,8% sachsenweit das beste Erststimmenergebnis zu erzielen, sich die CDU in diesem Wahlkreis aber mit 35,2% zu 37,9% bei den Zweitstimmen der AfD geschlagen geben musste. Da die AfD in diesem Wahlkreis sowohl bei den Erst- als auch den Zweitstimmen auf jeweils 37,9% der Stimmen kam, ist nahezu ausgeschlossen, dass es hier zu einem signifikanten Stimmensplitting zwischen AfD und CDU kam. Auffallend ist hingegen, dass die Erststimmenergebnisse von LINKEN, SPD und GRÜNEN deutlich hinter den Zweitstimmenergebnissen zurückblieben. Taktische Wähler_innen dieser drei Parteien haben also einen Beitrag zur Sicherung des Direktmandats von Michael Kretschmer geleistet.

Im Falle der vier Wahlkreise, in denen die CDU-Kandidaten Frank Heidan (Vogtland 1), Geert Mackenroth (Meißen 1), Sebastian Fischer (Meißen 2) und Dr. Matthias Rößler (Meißen 4) auf die Unterstützung von Hans-Georg Maaßen bauten, ist der Trend eindeutig. Drei der vier Kandidaten verloren ihr Duell gegen die jeweiligen AfD-Kandidaten. Einzig Dr. Matthias Rößler konnte sein Direktmandat knapp verteidigen. Geert Mackenroth verlor zwar das Direktmandat, zieht jedoch dennoch über die Landesliste der CDU in den Sächsischen Landtag ein. Diese Ergebnisse legen nahe, dass eine fehlende Abgrenzung zur AfD und ein rechtslastiger CDU-Kurs eben nicht zur Schwächung der AfD führen, sondern diese im Gegenteil in ihren Ergebnissen stärkt.

 

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