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Marteria „Intelligenz hat nichts damit zu tun, ob du ein Nazi bist oder nicht“

Der Rapper Marten Laciny aka Marteria wuchs als Sohn einer Lehrerin und eines Seemanns in Rostock auf. Bevor er zur Musik fand, war Marteria ein erfolgreicher Fußballer (bei der Jugend von Hansa Rostock und im U-17-Kader der deutschen Nationalmannschaft) und als Fotomodell in New York. In Berlin absolvierte er eine Schauspielausbildung. ZEIT online hat den sehr erfolgreichen Musiker zu einigen gesellschaftlichen Problemen befragt – auch zu Nazis und Antisemitismus.

 
Rapper Marteria bei der Vorstellung seiner Single "Mein Rostock" im September 2014. (Quelle: picture alliance / dpa)

Interview: Moritz von Uslar und Jürgen Rutenberg, ZEIT online

– Auszug – 

DIE ZEIT: Lieber Marteria, wir wollen mit Ihnen nicht über Musik oder Ihre beeindruckende Karriere sprechen, sondern über Deutschland und einige gesellschaftliche Phänomene und Probleme, die dieses Land beschäftigen. Sind Sie einverstanden?

Marteria: Wir können es versuchen.

ZEIT: Gleich eine abstrakte Frage: Würden Sie sagen, dass Protest friedlich sein muss?

Marteria: Protest sollte natürlich friedlich sein. Man geht ja auch erst mal nicht auf die Straße, um etwas kaputt zu schlagen. Die Frage ist nur, wie da mit einem umgegangen wird. Und wie schnell eine Demonstration in Wut und Hass umschlagen kann, hat man ja bei Stuttgart 21  gesehen.

ZEIT: Ist Gewalt gegen Sachen okay?

Marteria: Gewalt ist nicht okay. Sie zeugt immer von „Ich weiß nicht mehr weiter“. Aber wenn deine Stimme nicht gehört wird, dann sorgst du halt dafür, dass sie gehört wird.

ZEIT: Auf die Frage „Würden Sie sich als linken Rapper bezeichnen?“ haben Sie in einem Interview geantwortet: „Auf jeden Fall bin ich links.“

Marteria: Ach, das sage ich einfach aus familiärer Historie heraus. Meine Mutter hatte eine Friedenstaube auf dem Auto, und ich hab als kleines Kind auf einem PDS-Parteitag Gregor Gysi die Hand geschüttelt. Dementsprechend war ich immer ’ne rote Socke und daher auch immer eher pro 1.-Mai-Demo als dagegen. Mein erstes Konzert war ein Auftritt von Rio Reiser.

ZEIT: Sie sind Jahrgang 82. Mit sieben haben Sie den Mauerfall erlebt, mit zehn die Brandanschläge in Rostock-Lichtenhagen, wo Sie damals wohnten. Wie haben diese Erfahrungen Sie geprägt?

Marteria: Die haben mich auf viele Arten geprägt. Ich hab gesehen, dass meine Mutter geheult hat, von draußen haben wir drei Tage lang Sirenen gehört. Wir sind deswegen drei Monate danach auch aus dem Viertel weggezogen, von Rostock-Lichtenhagen nach Warnemünde. Meine Mutter wollte nicht, dass wir da aufwachsen. Geprägt hat mich auch, dass es dort zwar ganz viele Leute gab, die diese Anschläge genauso scheiße fanden wie wir. Aber die wurden nicht im Fernsehen gezeigt. CNN-Reporter haben uns 50 Mark geboten dafür, dass wir uns mit Hitlergruß vors Haus stellen.

ZEIT: Rein äußerlich, woran erkennen Sie 2014 einen Neonazi?

Marteria: Daran, dass er nicht mehr aussieht wie ein Nazi. Es gibt halt Dorfdeppen, die immer noch die Nazi-Uniform mit Fliegerjacke tragen.

ZEIT: Über die Morde des NSU war ganz Deutschland im Nachhinein schockiert. Unterschätzen wir das Neonazi-Problem in Deutschland?

Marteria: Die große Gefahr ist das nicht. In erster Linie geht’s bei denen um Rumsitzen und darum, Bier zu trinken. Das sieht man ja auch an den Wahlergebnissen: Die NPD plakatiert alles voll, aber sie kommen einfach nicht raus aus der Scheiße. Die größere Gefahr kommt, glaube ich, nicht von den Springerstiefeln, sondern von diesem ganzen AfD-Anschluss-Gedankengut. Man muss trotzdem aufpassen und darf einen Fehler nicht machen, nämlich: den Nazis immer nur Dummheit zu unterstellen. Intelligenz hat nichts damit zu tun, ob du ein Nazi bist oder nicht, es ist eben eine Ideologie.

ZEIT: Wie hoch schätzen Sie nach ganz persönlichem Ermessen den Anteil der Leute in Deutschland ein, die antisemitisch eingestellt sind?

Marteria: Klingt vielleicht blöd, aber ich kann das ganz gut einschätzen, weil ich mal beim Bund war. Die deutsche Realität ist nicht Kreuzberg oder Sankt Pauli. Die findet man schon eher in kleineren Ortschaften, bei der Freiwilligen Feuerwehr, am Stammtisch. Und da schätze ich den Prozentsatz sehr hoch ein, ich würde sagen: bei 60 Prozent.

ZEIT: Eins der in Deutschland am häufigsten verwendeten Schimpfwörter ist „schwul“. Ist das ein schlimmes Schimpfwort? Würden Sie es benutzen?

Marteria: Manchmal sagt man Sachen, obwohl man weiß, dass sie nicht korrekt sind.

ZEIT: Es gibt zurzeit diesen Bestseller Handbuch für N***freunde, geschrieben von einem dunkelhäutigen Deutschen. Soll man das Wort „N***“ wieder benützen dürfen?

Marteria: Schwarze dürfen ruhig „N***“ sagen. Aber sonst: Ich glaube einfach nicht, dass Leute, die „N***“ sagen, Schwarze cool finden.

Das ganze Interview gibt es hier:

| ZEIT online

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