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„NSU 2.0“, „Nationalsozialistische Offensive“ und „Wehrmacht“ Bundesweit über 100 Drohmails

Im vergangenen Jahr bekommt eine NSU-Nebenklageanwältin ein Droh-Fax, – unterzeichnet ist es  mit „NSU 2.0“. Die Spur führte zu einem rechtsextremen Netzwerk innerhalb der Polizei. Seit Wochen bekommen nun auch Behörden, öffentliche Einrichtungen und Politiker*innen rechtsextreme Droh-Mails, die ebenfalls mit „NSU 2.0“ unterzeichnet sind. „NSU Watch“ bezweifelt allerdings einen direkten Zusammenhang. Sie weisen auf den User „Wehrmacht“, der behauptet, Verfasser der Schreiben zu sein.  

 
Seit Wochen bekommen Institutionen und Politiker*innenrechtsextreme Droh-Mails und Bombendrohungen. Die Verfasser sprechen davon, das „System“ abzuschaffen. (Quelle: BTN)

Im August 2018 bekommt die Frankfurter NSU-Nebenklageanwältin, Seda Basay-Yildiz, ein Fax, in dem gedroht wird, ihre zwei Jahre alte Tochter zu töten – unterzeichnet ist das Schreiben mit „NSU 2.0“. Die Spur führte zu einem rechtsextremen Netzwerk innerhalb der Polizei. Nach Informationen von Süddeutsche Zeitung und NDR wurde bekannt, dass seither über 100 solcher Drohschreiben per Mail verschickt wurden. Diese anonym verschickten Mails sind mit „NSU 2.0“, „Nationalsozialistische Offensive“ und „Wehrmacht“ unterzeichnet.

Unter den Mails waren offenbar auch Bombendrohungen, unter anderem an das Finanzamt Gelsenkirchen und den Hauptbahnhof Lübeck adressiert. Die Gebäude wurden Anfang der Woche geräumt. Sprengsätze wurden allerdings nicht gefunden.

„Gegen dieses System was abgeschafft gehört“

In einer Bombendrohung vom 11. Januar an das Landgericht Hannover steht im Wortlaut: „wir agieren im gesamten Bundesgebiet gegen dieses System was abgeschafft gehört und durch eine neues ersetzt werden muss dafür muss exekutive, legaslative und judikative weichen um die posten zu ersetzen und zudem sollt ihr wissen das ihr nirgendwo mehr sicher seid die diesen Staat dienen. Mit freundlichen Grüßen NationalSozialistischeOffensive“ (sic!). Mindestens 15 Mal sollen seit Dezember Bombendrohungen vor allem bei Gerichten und Justizeinrichtungen eingegangen sein.

Doch nicht nur öffentliche Einrichtungen und Justizgebäude bekamen diese Drohschreiben, auch Politiker*innen. Im jüngsten Schreiben, das an die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Die Linke) ging, kündigte die Nationalsozialistische Offensive“ an, künftig auch Briefbomben zu verschicken und Bürger*innen „auf offener Straße zu exekutieren“.

Der oder die Absender behaupten außerdem, über Sturmgewehre, Pistolen und biologische Kampfstoffe zu verfügen. Ob dahinter jeweils dieselben Absender*innen stecken oder es auch Trittbrettfahrer*innen gibt, ist unklar. In keinem Fall sind bisher Sprengsätze gefunden worden, die Drohungen seien laut Ermittler*innen „virtuell geblieben“. Die anonymen Drohmails kommen von wechselnden Mail-Adressen aus dem sogenannten „Darknet“.

Wirre Mails offenbar von denselben Absender*innen

Die persönlich adressierten Schreiben wurden offenbar von verschiedenen Mailkonten verschickt, über verschiedene Anonymisierungstools. In der Wortwahl sind sie teils recht wirr. Da sich die Schreiben ähneln, vermuten die Ermittler*innen einen Zusammenhang. Die Drohungen richten sich unter anderem gegen Politiker*innen, Anwält*innen, den Zentralrat der Juden und auch die Schlagersängerin Helene Fischer erhielt offenbar eine Mail. Sie hatte sich nach den Ausschreitungen in Chemnitz, vergangenen Herbst gegen den braunen Mob positioniert.

Laut NDR und Süddeutscher Zeitung haben sich die Generalstaatsanwälte der Länder geeinigt, die Ermittlungen gebündelt bei der Berliner Staatsanwaltschaft zu führen. Seit der gebündelten Ermittlung in Berlin am 21. Januar haben die Ermittler*innen 78 Drohschreiben gezählt. Davon seien 22 in der Hauptstadt eingegangen. Dort seien unter anderem der Axel-Springer-Verlag, eine Anwaltskanzlei und mehrere Behörden bedroht worden. Die “taz” spricht von 350 Betroffenen.

Das erste öffentlich gewordene Drohschreiben an die Nebenklageanwältin für die Opfer des mordenden NSU-Terrornetzwerkes, ging 2018 als Fax in ihrer Kanzlei ein. Bei diesem Fax an die Frankfurter Anwältin war Hintergrundwissen aus dem Informationssystem der Polizei offenbart worden, weshalb nun gegen hessische Polizist*innen ermittelt wird. Doch dieser Fall ist offenbar eine Ausnahme in dieser Serie. In den übrigen Fällen hätten die E-Mails nur öffentlich zugängliche Informationen enthalten.

Der User Wehrmacht”

Nach Recherchen von „NSU Watch” gibt sich in rechtsextremen Darknet-Foren ein User namens „Wehrmacht” als (Mitverfasser-)Verfasser der Schreiben aus. „Der User ‚Wehrmacht‘ verschickte seit Mitte 2018 außerdem eine Vielzahl von Drohmails unter wechselnden Pseudonymen an Organisationen und Einzelpersonen.” In den Drohungen, die auch an „NSU Watch” gingen, verlangte der Verfasser Geld und drohte mit Mord.

Laut „NSU Watch” unterzeichnet der Verfasser seine Drohungen mit „Wehrmacht“, „NSU 2.0“, „Elysium“ und seit Januar 2019 auch mit „Nationalsozialistische Offensive“. Der User schrieb offenbar in einem Darknet-Forum: „Die ‚NationalSozialistischeOffensive‘ ist wie der ‚NSU Zwei‘ Teil der Wehrmacht.“ Ein Zusammenhang zwischen den Droh- und Erpressungsemails und den Bombendrohungen gegen Gerichte liegt nahe. Für einen Zusammenhang mit den Bedrohungen gegen die NSU-Nebenklageanwältin gebe es laut „NSU Watch” jedoch keine Hinweise.

Und dennoch: Martina Renner fordert auf Facebook, dass die Drohungen ernst genommen werden und Betroffene besser informiert werden müssen. “Rund acht Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU sind die Auswirkungen des Terrornetzwerks weiterhin spürbar. Mails aus einer bundesweiten Serie extrem rechter Gewaltdrohungen werden mit „NSU 2.0“ unterzeichnet. Eine solche Bedrohung gehörte immer schon zum Repertoire der Extremen Rechten und trifft alle, die nicht in ein nationalsozialistisches Weltbild passen.”

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