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„Ostmullen“ Wie junge Frauen zum rechten Lifestyle-Phänomen werden

Der Social-Media-Trend #Ostmullendienstag zeigt junge Frauen, die rechte Codes inszenieren – und von Männern sexualisiert kommentiert werden. Was harmlos wirkt, ist Teil einer Strategie: antifeministische Frauenbilder als Lifestyle-Angebot.

 
Rechtsextreme Frauen im August 2024 bei einem neonazistischen Aufmarsch gegen den CSD in Magdeburg. (Quelle: RechercheNetzwerk.Berlin)

Seit Anfang des Jahres kursiert auf X ein neuer Trend: Unter dem Hashtag #Ostmulllendienstag tauchen wöchentlich kurze Videos von jungen Frauen auf, die stolz sich selbst, ihre ostdeutsche Identität sowie ihre rechte politische Haltung inszenieren. Bereits die Verwendung des Begriffs „Ostmulle“ auf X verrät jedoch die misogyne Schlagseite: „Mulle“ ist eine abwertende Bezeichnung für Frau, „Ostmulle“ spielt zusätzlich auf eine ostdeutsche Herkunft an.

„Ostmullendienstag“: Von Selbstinszenierung zur Instrumentalisierung

Die Clips zeigen selbstbewusste junge Frauen, tätowiert, gepierct, in Fußballkurven oder vor rot-weiß-schwarzen Fahnen. Die Sounds reichen von Hardtekk über Deutschrap, viralen Popsongs bis hin zu einschlägigem Rechtsrock. Auf TikTok wirken die Auftritte trotzig und selbstbewusst, auf X dagegen übernehmen anonyme Männer die Deutungshoheit und Bezeichnung der Frauen als Ostmullen: Sie sammeln die Videos, kommentieren sie sexualisiert und küren wöchentlich die „attraktivsten Ostmullen“. Während die Frauen auf TikTok zumindest versuchen, sich als Subjekte zu präsentieren, verschiebt sich die Perspektive auf X, früher Twitter. Dort kuratieren meist ältere Männer ihre Auftritte, und machen sie zu Objekten männlicher Fantasien. 

Was nach Trash und Ironie aussieht, offenbart sich bei genauerem Hinsehen als Teil einer Strategie, rechtsextreme Einstellungen weiter zu normalisieren und popularisieren: Rechte Frauenbilder werden popkulturell verpackt, sexualisiert und in die sozialen Netzwerke getragen. Martin Sellner, rechtsextremer Stichwortgeber der Szene, sieht in den „Ostmullen“ gar eine große Hoffnung, die Brandmauer einzureißen. Dabei handelt es sich bei den Ostmullen viel wahrscheinlicher um einen Mikrotrend, der auf X künstlich aufgeblasen wird. 

Neue Rollenbilder – alte Muster

Der Ostmullen-Trend unterscheidet sich von bisherigen rechten weiblichen Inszenierungen wie den sogenannten „Tradwives“, die mit einem konservativen Hausfrauenideal und der dazugehörigen Ästhetik spielten. Ostmullen treten offensiver, jugendlicher und politischer auf. Das erweitert das Repertoire extrem rechter Online-Identitätsangebote für Frauen, über die stille Mutterrolle hinaus, hin zur kämpferischen Aktivistin.

Trotzdem bleibt der antifeministische Kern bestehen. Extrem rechte Frauenbilder verknüpfen Weiblichkeit mit klassischen Schönheitsidealen, biologistischen Zuschreibungen und Antifeminismus: schlank, langhaarig, fürsorglich, „weiß“. Gesellschaftliche Partizipation, Gleichberechtigung, Schutz vor Gewalt –  und das auch außerhalb rassistischer Debatten – sowie reale Machtoptionen innerhalb der Szene spielen keine Rolle. Gleichzeitig werden Frauen instrumentalisiert, um rechtsextreme Ideologie attraktiver, harmloser und anschlussfähiger wirken zu lassen.

Warum Frauen die extreme Rechte attraktiv finden

Warum aber schließen sich Frauen einer Bewegung an, die sie selbst entrechtet? Extrem rechte Rollenbilder versprechen Halt in einer komplexen Gesellschaft. Wer Überforderung, prekäre Arbeit oder Ausschluss erlebt, findet hier klare Feindbilder und vorgezeichnete Lebenswege. Mutterschaft oder „Kämpferinnentum“ erscheinen als sinnstiftende Aufgaben und einfache Antworten.

Auch Rassismus spielt eine Rolle: Indem „Andere“, nicht-weiße Menschen abgewertet werden, können weiße Frauen eigene Unsicherheiten überdecken und sich überlegen fühlen. Zudem werdenMisogynie sowie patriarchale Normen in der Szene nicht hinterfragt und kritisiert, sondern sich ihnen aktiv untergeordnet. Denn Misogynie ist kein bloßer Frauenhass, sondern ein System von Strafen und Belohnungen, das Frauen für die Einhaltung patriarchaler Normen belohnt und für Abweichungen sanktioniert. Extrem rechte Bewegungen können dadurch für Frauen attraktiv wirken, weil sie Anerkennung und relative Sicherheit in der Rolle der „richtigen Frau“ versprechen.

So erscheint es dann durchaus schlüssig, weshalb manche Frauen in einer von rechter Ideologie geprägten Umgebung selbst jene Inhalte vertreten. Anpassung bringt Zugehörigkeit und Schutz, während Widerspruch zu Isolation oder Gewalt führt.

Falscher Feminismus

Die extreme Rechte basiert auf Hierarchie und Ungleichheit, zwischen „Völkern“ und Kulturen ebenso wie zwischen Geschlechtern. Feminismus hingegen kämpft für Gleichheit und Teilhabe. Beides ist unvereinbar. Extrem rechte Frauenbilder mögen modernisiert auftreten, doch sie bleiben an patriarchale Grenzen gebunden. Auch Sichtbarkeit und Emanzipation innerhalb der Szene werden nur so lange geduldet, wie sie dieser nutzen.

Das Phänomen „Ostmullen“ zeigt exemplarisch, wie rechte Metapolitik funktioniert: Popkulturelle Trends werden genutzt, um Ideologie anschlussfähig zu machen. Am Ende aber bleibt vom Versprechen weiblicher Selbstbestimmung nichts übrig. Frauen in der Szene erfahren Sexismus, Gewalt und Abhängigkeit – während sie gleichzeitig als Lockvögel für eine Bewegung dienen, die auf ihre Entrechtung setzt.

Extrem rechte Frauen sind keine Randfiguren, sondern zentrale Akteurinnen – unterschätzt, instrumentalisiert und zugleich gefährlich. Ihr Auftreten auf TikTok wirkt jugendlich und trotzig, ist aber letztlich nur ein neues Kleid für alte Muster. Feminismus und extreme Rechte bleiben unvereinbar.

 

Mehr Informationen zum „Ostmullen“-Trend findet ihr im aktuellen Podcast Pinke Pille der Amadeu Antonio Stiftung.


Pinke Pille – Der Antifeminismus-Monitor: Als Videopodcast auf YouTube und überall, wo es Podcasts gibt. 


 

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