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Politik und Zivilgesellschaft gemeinsam gegen Rechtsextremismus?

Lehren aus dem NSU? Mehr Geld für Demokratieprojekte? Extremismusklausel abschaffen? Die Amadeu Antonio Stiftung und Belltower.news haben die Wahlprogramme von Union, SPD, Grünen, Die Linke, FDP und Piraten unter die Lupe genommen und die Positionen zum Thema „Zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts“ herausgefiltert. Ein Überblick und eine Einschätzung von Timo Reinfrank, Stiftungskoordinator der Amadeu Antonio Stiftung.

 
Bundestagswahl 1961: Wählerinnen und Wähler warten auf die Stimmabgabe (Quelle: Bundesarchiv, Foto: Egon Steiner)

 

„Der NSU spielt in den Programmen kaum eine Rolle“

Leider finde ich die Wahlprogramme alle nicht überraschend oder innovativ. Nach der Aufdeckung der jahrelangen Mordserie des NSU ist die Bundesregierung in hektische Aktivität verfallen. Neue Gesetze, Abwehr- und Kompetenzzentren sollen nun die Fehler der Vergangenheit kompensieren. Aber auch die Opposition in Gestalt von Thomas Opperman, im Kompetenzteam von Peer Steinbrück für Innenpolitik zuständig, hat einen Masterplan gegen Rechtsextremismus gefordert. Deswegen ist es erstaunlich, dass gerade bei den bisherigen Regierungsparteien und der SPD die Lehren aus dem NSU in den Wahlprogrammen eine verhältnismäßig geringe Rolle spielen, Querverweise zu einer vernünftigen Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik fehlen auch fast ganz. Stattdessen gibt es immer noch die relative überflüssige Forderung nach einem Verbot der NPD, das nicht schadet, aber wenig nützt.

Nachdem vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2000 ausgerufenen Aufstand der Anständigen hatte es eine breite Mobilisierung gegeben, vor Ort begannen sich viele Initiativen und Projekte zu engagieren. Die Basis und Anzahl der unterschiedlichen Initiativen ist seitdem nicht größer geworden, die Länge der konjunkturellen Aufmerksamkeit ist jedoch immer kürzer geworden. Ob sich nach den Morden durch den NSU etwas ändert, ist angesichts des Fixierung der Landes- und Bundespolitik auf die Fehler in der Sicherheitsarchitektur fraglich, auch wenn die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse mit der breiten Ausrichtung und dem Bemühen um Sachlichkeit in der Ausschussarbeit im Bund mit den ausgezeichneten Empfehlungen im Abschlussbericht und in den Ländern Anlass zur Hoffnung geben. Evaluationen, Qualitätsentwicklung und eine verbesserte Steuerung der Sicherheitsbehörden dürfen jedoch nicht die alleinige Antwort des Staates auf die Mordserie sein. Zumal die Umsetzung der Empfehlungen des Bundestagsausschusses in der nächsten Legislaturperiode noch nicht in trockenen Tüchern ist und auch eher eine dauerhafte Unterstützung empfiehlt.

Zivilgesellschaftlichen Initiativen beobachten seit Jahren eine Kontinuität der rechten Gewalt. Bürgerinnen und Bürger brauchen daher mehr Unterstützung, Anerkennung und Schutz für ihr Engagement. Dies sollte bei allen Parteien im Vordergrund stehen. Dafür müsste jedoch die Arbeit gegen Rechtsextremismus und weitergefasst, die Arbeit gegen alle Formen von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, als eine Daueraufgabe anerkannt werden. Die Unterstützer, vor allem die Länder und der Bund, dürfen sich nicht mehr auf einzelne Projekte, Programme oder ihre Anregungsfunktion beschränken oder hinter der Bundeshaushaltsordnung verstecken. In anderen Politikfeldern hat die Politik auch bewiesen, dass sie in der Lage ist, Probleme dauerhaft anzugehen.

Die vom Bundesfamilienministerium geforderte sogenannte Extremismuserklärung ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was von den Initiativen als Unterstützung verstanden wird. Seit deren Einführung stellt ihre Unterzeichnung die Grundvoraussetzung für eine Förderung durch den Bund dar. In ihr müssen sich die Projekte selbst, aber auch ihre Partner, zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und für ihre Partner haften. Die Erklärung ist in ihrer Beliebigkeit nicht nur ein Symbol des Misstrauens, sondern auch eine Androhung der permanenten Kontrolle bis hin zur Mittelrückforderung. Gerade das Wahlprogramm von CDU/CSU liest sich hier eher als Bestätigung des Vorurteils, dass die meisten Engagierten gegen Rechts linksextrem seien.

Zum Autor

Timo Reinfrank ist Politikwissenschaftler und Stiftungskoordinator der Amadeu Antonio Stiftung. Aufgabe der Amadeu Antonio Stiftung ist es nicht nur finanziell zu helfen, sondern auch die Projekte und Initiativen zu ermutigen, ihre Eigeninitiative zu stärken und sich mit Partnern vor Ort zu vernetzen. Seit Bestehen der Stiftung konnten durch Spenden über 700 Projekte gefördert werden.

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