Wie im Bund ist die AfD die wichtigste Akteurin der extremen Rechten in Rheinland-Pfalz (RLP). Die Partei vernetzt sich mit anderen extremen Rechten, stellt ihnen Ressourcen zur Verfügung und bereitet ideologisch den Boden vor. Ihre parlamentarische Präsenz im Landtag nutzt sie dabei als Bühne. Mit parlamentarischen Anfragen versucht sie, sowohl staatliche Strukturen als auch zivilgesellschaftliche Initiativen vor sich herzutreiben und einzuschüchtern. In den letzten drei Wahlen (Landtagswahlen 2021, Kommunalwahlen 2024 und Bundestagswahlen 2025) verzeichnete die AfD einen kontinuierlichen Stimmenzuwachs mit einem mittlerweile starken Stammwähler*innenpotenzial. Bei der Bundestagswahl 2025 konnte die AfD 20,1 Prozent der Wahlstimmen auf sich vereinen. Die meiste Zustimmung erlebt sie in den ländlichen Regionen, wobei es auch in mittelzentrischen Kommunen einen hohen Anteil an AfD-Wahlzustimmung gibt wie in Pirmasens (31,9 Prozent), Zweibrücken (27,8 Prozent), Frankenthal (25,9 Prozent) und Kaiserslautern (24,8 Prozent). Vergleicht man die Hochburgen der AfD in den Städten mit anderen Kommunen, ergeben sich Gemeinsamkeiten: Die betreffenden Regionen sind mit Ausnahme von Ludwigshafen für Städte eher ländlich strukturiert, alle Hochburgen sehen sich einer wirtschaftlich (mit hohen Arbeitslosigkeitsquoten) und finanziell (mit drastischen Einschränkungen der kommunalen Haushalte) sehr schwierigen Situation gegenüber.
Luis Caballero ist Soziologe und beschäftigt sich unter anderem mit Demokratietheorie und empirischer Demokratieforschung, der extremen Rechten und Rechtspopulismus sowie Antisemitismus. Er ist Mitglied der Forschungsgruppe „Extreme Rechte und Rechtspopulismus in Rheinland-Pfalz“ und publiziert regelmäßig zu diesen Themenfeldern.
Entsprechend verstärkt die AfD ihre Aktivitäten in RLP und wird dabei von der AfD-Bundesebene unterstützt, die für die kommenden Monate die sogenannte Südweststrategie ausgerufen hat. Die beiden Landesverbände in RLP und Baden-Württemberg gelten als erfolgreiches Muster für die anderen westlichen Landesverbände. Die AfD will sich als „bürgerliche“ Partei und konservative Alternative zur CDU präsentieren. Die Partei versucht zugleich, die Wähler*innen-Gruppen der CDU anzusprechen und für sich zu gewinnen sowie sich als potenzieller Koalitionspartner der CDU anzudienen. Ein Mittel hierzu sind die Gründungen von Wahl- oder Bürgerbüros, vor allem im ländlichen Raum. Ein Beispiel für diese Strategie ist der kleine Ort Gauersheim im Donnersbergkreis. Hier hat sich der AfD-nahe „Treffpunkt Nordpfalz“ um Sebastian Münzenmaier als Anlaufpunkt für „Patrioten“ gegründet. Als Mieter fungieren ausnahmslos AfD-Politiker des lokalen Kreisverbandes. In diesem Kontext ist auch das, von der Zivilgesellschaft in Gauersheim als Einschüchterungsversuch und gezielte Provokation wahrgenommene Auftreten von AfD-Sympathisanten und ‑Mitgliedern anlässlich zweier Bürgerdialoge im Ort einzuordnen.
Der ehemalige Fraktionsvorsitzende im Landtag, Michael Frisch ist vom Fraktionsvorsitz zurück- und aus der Partei 2024 ausgetreten. Zusammen mit der ehemaligen Bundesvorsitzenden Frauke Petry kandidiert er nun für die im Mai 2025 gegründete Partei „Team Freiheit“. Die internen Auseinandersetzungen in der rheinlandpfälzischen AfD scheinen damit zunächst überwunden zu sein, als Spitzenkandidat wird Jan Bollinger bei der Landtagswahl im März 2026 antreten.
Bemerkenswert ist die Entscheidung des Wahlausschusses in Ludwigshafen, die Bewerbung des Landtagsmitglieds der AfD, Joachim Paul, zur Wahl des Oberbürgermeisters wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue nicht zuzulassen. Die Wahl will Joachim Paul mit einer Wahlprüfungsbeschwerde anfechten, eine Entscheidung ist noch nicht gefällt worden.
Neue Rechte und AfD: Vernetzung und Intellektualisierung
In Sachen Vernetzung zur sogenannten Neuen Rechten ragen vor allem die Identitäre Bewegung und ihre Nebenorganisation, die Revolte Rheinland, die Burschenschaft „Germania Halle zu Mainz“ sowie bundesweit das Umfeld des 2024 aufgelösten Institutes für Staatspolitik um Götz Kubitschek heraus. Mit dem „Zentrum Rheinhessen“ in Mainz sollte für diese Region ein neurechter Think Tank etabliert werden. Neben der Ausrichtung einer „Alternativen Buchmesse“ diente es vor allem der Koordination und inhaltlichen Zielbestimmung der extremen Rechten. Aufgrund öffentlichen Drucks wurde das Veranstaltungszentrum in Mainz geschlossen und in einem Gewerbegebiet am Rande Ingelheims ein neuer Standort gefunden, der allerdings bisher nicht so intensiv genutzt wurde. Einen weiteren, durchaus erfolgreicheren Versuch gibt es mit dem „Quartier Kirschstein“ in Koblenz, wo sich das Wahlreisbüro von Joachim Paul befindet, das sich zu einer Begegnungsstätte der rechten Szene entwickelt hat.
Die AfD adressiert, ermuntert durch die letzten Wahlergebnisse im Bund und in den Ländern, im letzten Jahr verstärkt junge Menschen, vor allem junge Männer. So auch mit dem seit 2023 ausgerufenen „Stolzmonat“. Dieser bezieht sich ausdrücklich auf den Pridemonth queerer Gruppen und soll als patriotisches Gegenmodell dienen, das mit Queer- und Transfeindlichkeit einhergeht. Hier ist Joachim Paul in Koblenz mit dem Quartier Kirschstein eine prägende Figur.
Die Verbindungen der AfD zu anderen extrem rechten Akteur*innen beschränken sich nicht auf die Neue Rechte. So soll ein AfD-Kreistagsmitglied im Rhein-Hunsrück-Kreis Verbindung zu einem extrem rechten Netzwerk um die „Black Ops Coffee Community“ sowie dem Verein „Uniter“ haben. Dieses bundesweit agierende Netzwerk versammelte aktive und ehemalige Mitglieder von Spezialeinheiten bei Militär und Polizei, die sich auf den erwarteten Zusammenbruch der staatlichen Ordnung bzw. auf gewalttätige Auseinandersetzungen mit dem Staat vorbereiten.
Zunehmende Radikalisierung der extremen Rechten
Eine eigenständige Rolle in RLP spielen mehrere Zusammenschlüsse und Organisationen der extremen Rechten, die ihre Aktivitäten zunehmend ausbauen. Die Identitäre Bewegung Deutschlands tritt nur noch selten unter dieser Bezeichnung auf. An ihrer Stelle war noch die, Ende 2024 inzwischen selbst aufgelöste, „Revolte Rheinland“ getreten, die als Neben- oder Nachfolgeorganisation galt.
Die Freien Kameradschaften haben in den letzten Jahren eine kleinere Rolle in der Öffentlichkeit gespielt, sind jedoch in der letzten Zeit wieder verstärkt als solche aktiv, z.B. der „Freundeskreis Westerwald“ oder die „Kameradschaft Rheinhessen“.
Einen Rückschlag hat der „III. Weg“ mit dem Verlust des Treffpunktes in der Hachenburger Fassfabrik erlitten, was seine Aktivitäten im nördlichen RLP erschwert. Gleichwohl ist diese Partei im Südwesten nach wie vor aktiv. Neue Gruppen sind „Hunsrück verteidigen“ und „Pfalz-Revolte“, die ein bundesweites Konzept der „Jungen Nationalisten“, der Jugendorganisation der Partei „Die Heimat“ (ehem. NPD) regional umsetzen.
Das Phänomen neuer Gruppen sehr junger Neonazis ist auch in RLP zu beobachten. Hierzu passt auch die Beobachtung der MBR, dass es auch an Schulen in RLP eine Zunahme extrem rechter Agitation gibt, bspw. durch entsprechende Sticker oder (Hakenkreuz-)Schmierereien.
Verschwörungsgläubige
Eine lokal wichtige Rolle spielt die verschwörungsideologische rechte Szene in der Region um Neustadt a.d. Weinstraße. Das Hambacher Schloss, das seit dem Hambacher Fest 1832 als wichtiges Symbol der Demokratiegeschichte im deutschsprachigen Raum gilt, ist seit der Covid-19-Pandemie ein Ort für regelmäßige Aufmärsche und Kundgebungen der verschwörungsideologischen Szene. Veranstalter ist hauptsächlich das Netzwerk „FreiEinig-Hambacher Bund“, das sich als Verteidigerin von Freiheit und Demokratie inszeniert und dabei die klassischen Narrative eines Elitenverrats gegen das deutsche Volk und eine Krise imaginiert, die auf Migration, Sozialstaat und transnationale Einigungsprozesse in Europa zurückgeführt wird.
Rechtsrock
Im Jahr 2025 gab es verhältnismäßig wenige Konzerte. Zu vermuten ist, dass es an Auftrittsmöglichkeiten in RLP mangelt sowie an Akteur*innen, die diese organisieren können. Allerdings setzt sich die in den vergangenen Jahren abzeichnende Entwicklung einer zunehmenden Konzentration des Rechtsrock-Markts in RLP fort: Die beiden Labels „Heimdall“ und „OPOS-Records“ (eines der größten und wichtigsten Labels weltweit) werden seit 2025 von RLP aus geführt. RLP ist ökonomisch damit seit diesem Jahr mindestens gleichauf mit Thüringen und Sachsen, die bislang als die wichtigsten Regionen des Rechtsrock-Markts galten.
Herausforderungen für die Zivilgesellschaft
Insgesamt ist eine erhöhte Dynamik bei der extremen Rechten, vor allem der militanten Kreise in RLP zu beobachten. Die Radikalisierung junger, gewaltbereiter Männer und die Etablierung rechter Jugendcliquen sind deutliche Hinweise. Für RLP ist eine Rückkehr der Baseballschlägerjahre zu befürchten.
Die Lage für die Zivilgesellschaft wird noch dadurch erschwert, dass sich entlang zweier Konfliktfelder, dem Verhältnis zum autoritären Regime in Russland bzw. zu dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie der Positionierung zu Israel bzw. dem Krieg in Gaza teilweise querfrontartige Konstellationen sowie antisemitische Mobilisierungen mit Akteur*innen ergeben, die nicht unmittelbar zur extremen Rechten gehören. In der aktuellen Situation wird bspw. Antisemitismus in RLP als Ideologieelement und Mobilisierungsfaktor auch erkennbar von Teilen einer radikalen Linken getragen. In dieser Gemengelage werden Aktivitäten gegen die extreme Rechte durch die Zivilgesellschaft nicht einfacher.
Umfassendes Angebot der extremen Rechten
Die Neonaziszene hat ihre Betätigungsfelder verlagert und ihre Organisierungsformen angepasst. Sei es weiterhin als Sozialisationsagentur im Allgemeinen oder aber durch Kooperation mit bzw. prägende Kraft innerhalb der AfD im Besonderen. Unterschiedliche extrem rechte Kreise finden jeweils ein für sie geeignetes organisatorisches Angebot. Neonazis sind in allen Regionen in RLP aktiv, deren Militanz- und Gewaltbereitschaft nach wie vor sehr hoch ist. Innerhalb der extrem rechten Szene ist eine funktionale Arbeitsteilung unterschiedlicher Kreise zu beobachten, mit der AfD als wichtigster Akteurin.
Ausdrücklich sei hier allen Regionalstellen der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) in Rheinland-Pfalz gedankt. Ohne deren Unterstützung und Hinweise wäre der Rückblick nicht möglich gewesen. Für den Abschnitt RechtsRock ist Thorsten Hindrichs zu danken, der wichtige Informationen und wertvolle Einschätzungen zur Verfügung gestellt hat.


