
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist eine neutrale und unabhängige humanitäre Organisation, die sich dem Schutz von Opfern bewaffneter Konflikte und Kriege verschreibt. Seine Hauptaufgabe besteht darin, sicherzustellen, dass Kriegsgefangene, Internierte und Zivilist*innen gemäß den Genfer Konventionen für Menschenrechte behandelt werden. Dazu besucht es Gefangene, überwacht ihre Haftbedingungen und versorgt sie mit Medikamenten. Ein zentrales Anliegen ist dabei stets die Forderung zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts. Darüber hinaus hilft die Organisation bei der Wiederherstellung von Familienkontakten, die durch Krieg oder Flucht getrennt wurden. In Konflikten agiert das IKRK als unparteiischer Vermittler zwischen Kriegsparteien. Unabhängig von politischen oder militärischen Interessen verfolgt es das Ziel, menschliches Leid überall auf der Welt zu minimieren.
Am 7. Oktober 2023 verübte die radikal-islamistische Terrororganisation Hamas einen groß angelegten Angriff auf Israel, bei dem Tausende Kämpfer die Grenze aus dem Gazastreifen stürmten. Sie griffen israelische Dörfer an und massakrierten junge Menschen auf dem Nova-Musikfestival. Insgesamt wurden etwa 1.200 Menschen getötet, darunter Zivilist*innen, Frauen, Kinder und ältere Menschen. Viele wurden posthum enthauptet. Andere mussten der Folter ihrer Familienmitglieder erst zuschauen, bevor sie ermordet wurden. Zudem entführte die Hamas 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Heute befinden sich noch immer über 60 israelische Geiseln in der Gewalt der Hamas. Es wird angekommen, dass etwa die Hälfte von ihnen ermordet wurde. Unter den Toten befinden sich Kfir und Ariel. Sie waren zum Zeitpunkt ihrer Verschleppung nach Gaza 9 Monate und vier Jahre alt, sie saßen im Tragetuch ihrer Mutter Shiri Bibas. Yarden Bibas, der Vater, kam vor kurzem frei.
Seit der Freilassung der ersten israelischen Geiseln 2023 hat sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz für seine Rolle darin gefeiert. Die tatsächliche Bilanz nach mittlerweile über 500 Tagen Geiselhaft unter unmenschlichen Bedingungen in den Terror-Tunneln der Hamas ist allerdings düster. Nicht ein einziges Mal besuchte das IKRK die Geiseln oder lieferte einen Lebensbeweis für die Familien. Im Fall der ebenfalls im November 2023 freigelassenen Elma Avraham, einer 84-jährigen kranken Frau, verweigerte das Rote Kreuz die Annahme von dringend benötigten Medikamenten, die ihre Familie den Mitarbeiter*innen zukommen lassen wollte. Bis heute beschränkt sich die Rolle der Organisation in Bezug auf israelische Geiseln auf die eines Taxishuttles – von Gaza nach Israel – ohne humanitäre Verantwortung für die Opfer.
Tatsächlich ließ sich das IKRK in Propaganda-Inszenierungen einbinden: Vermummte Terroristen posierten mit Hamas-Fahnen und gezogenen Waffen auf Rotkreuz-Fahrzeugen. Die Hilfsorganisation beteiligte sich an den obszönen Zurschaustellungen der von Al Jazeera medial ausgeschlachteten Geiselübergaben.
Gemäß Artikel 3 der Dritten Genfer Konvention, der als „Minimalstandard“ für den Schutz von Kriegsgefangenen gilt, ist es verboten, „jede Art von gewalttätiger Behandlung und Bedrohung“ zu praktizieren. Dieser Artikel verbietet auch „die öffentliche Demütigung“ von Kriegsgefangenen (Artikel 3, Abs. 1, lit. a). Darüber hinaus legt Artikel 4 der Vierten Genfer Konvention fest, dass „alle Personen, die sich unter der Gewalt einer der Parteien im Konflikt befinden, […] Anspruch auf humane Behandlung“ haben. Jede Art von öffentlichem Demütigen oder Verhöhnen stellt daher eine schwerwiegende Verletzung dieser Bestimmungen dar und wird als ein Verstoß gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht angesehen. Johlende, bewaffnete Männer umringten und bedrängten die eben aus dem Tunnel gezerrten Geiseln, präsentierten sie auf Bühnen und zwangen sie, ihren Entführern zuzuwinken und in die Kameras der „Journalisten“ zu lächeln. Palästinensische Frauen warfen mit goldenem Konfetti, um dem Ereignis noch mehr Glanz zu verleihen. Einige der Geiseln konnten sich dabei kaum auf den Beinen halten. Sie wurden in ihrer Haft ausgehungert und gequält.
Alle Menschenrechts- und Hilfsorganisationen hätten ausreichend juristischen Spielraum, zumindest die öffentliche Demütigung der israelischen Geiseln zu tadeln. Doch das IKRK verweigert bis heute jede Stellungnahme, geschweige denn eine Verurteilung des erniedrigenden wöchentlichen Spektakels. Währenddessen lassen sich die Mitarbeiter*innen mit maskierten Hamas-Terroristen ablichten und unterzeichnen deren perfide „Zertifikate zur Entlassung“ auf offener Bühne. Ein Handschlag besiegelt den absurden Handel.
Der bisherige Höhepunkt der Unerträglichkeit wurde am 20. Februar 2025 erreicht. Es ist 8 Uhr morgens in Gaza, die Stimmung ist festlich. Heiterkeit und Spannung, wie beim Finale eines wichtigen Sportereignisses. Als Teil des „Waffenruheabkommens“ sollen vier ermordete Geiseln übergeben werden: Shiri, Ariel, Kfir und Oded Lifshitz. Oded war 83 und lebte nahe an der Grenze zu Gaza, er hatte sein Leben dem Frieden mit seinen palästinensischen Nachbarn und der Koexistenz von Israelis und Palästinenser*innen gewidmet. Oded fuhr erkrankte palästinensische Kinder in israelische Krankenhäuser.
Auf der Terror-Bühne präsentiert die Hamas die vier Särge. Falsch beschriftet. Und wie sich kurz darauf herausstellte, auch falsch bestückt. Denn im Sarg von Shiri Bibas befindet sich die Leiche einer unbekannten Person. Von lauter, arabischer Popmusik beschallt und umringt von stolzen Männern, jubelnden Frauen und tanzenden Kindern sitzen Mitarbeiter*innen des IKRK auf der Bühne und unterschreiben erneut unnötige „Papiere“ zur Sargübergabe, die nur der Inszenierung dienen.
Während das IKRK keinerlei öffentliche Verurteilung oder Maßnahmen gegen die Misshandlung der israelischen Geiseln vor oder während deren Freilassung ergriff, äußerte es wiederholt scharfe Kritik an Israel im Umgang mit palästinensischen Häftlingen.
Das häufig bemühte falsche Narrativ der Gleichsetzung palästinensischer Häftlinge mit israelischen Geiseln hat die Organisation ebenfalls nie entkräftet, geschweige denn kritisiert. Während die in Israel inhaftierten Palästinenser*innen sich entweder in Administrativhaft befinden oder bereits rechtsstaatlich verurteilt wurden – oftmals wegen Terrorakten, Mord oder der Planung solcher Verbrechen –, handelt es sich bei den israelischen Geiseln um Zivilist*innen (nur wenige Geiseln sind Soldat*innen), die am 7. Oktober teils aus dem Schlaf gerissen und in ihren Pyjamas verschleppt wurden.
Mitarbeiter*innen des Roten Kreuz erhalten Zugang zu Straftätern in israelischer Gefangenschaft, um ihren Gesundheitszustand zu prüfen. Die Gleichsetzung von Gefangenen und Geiseln verkennt nicht nur die fundamentalen Unterschiede zwischen Verbrechern und Opfern, sondern verzerrt die Realität aufs äußerste.
Die selektive Abwesenheit von moralischer Verantwortung fügt sich in eine Haltung ein, die an das historische Versagen der Organisation während des Nationalsozialismus erinnert, als das Rote Kreuz die Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten nicht nur ignorierte, sondern aktiv beschönigte. Während der Shoa versäumte es das Rote Kreuz, die Weltöffentlichkeit über die Massenmorde in den Konzentrationslagern zu informieren, obwohl Mitarbeiter*innen zahlreiche Hinweise vorlagen. Die Organisation weigerte sich, KZ-Insass*innen Hilfe zukommen zu lassen, oder diese zumindest einzufordern, während es gleichzeitig mit dem NS-Regime kooperierte und sich zu Propagandaveranstaltungen, wie z.B. dem inszenierten Besuch im Lager Theresienstadt im Juni 1944 einladen ließ und das Spektakel wohlwollend abnickte. Prachtvoll angelegte Gärten und fröhliche Musikanten sorgten für gute Stimmung. Nach Kriegsende räumte das IKRK sein Versagen ein, allerdings blieb eine konsequente Aufarbeitung aus. Das Muster der Ignoranz und Passivität gegenüber jüdischem Leid zeigt sich heute erneut, wenn die Organisation jegliche Verantwortung für die Geiseln in den Fängen der Hamas ablehnt.
Die Bilder der befreiten israelischen Geiseln – abgemagert, traumatisiert und krank – erinnern an historische Aufnahmen der jüdischen Überlebenden der Konzentrationslager nach ihrer Befreiung. Die Retraumatisierung, die die jüdische Weltgemeinschaft beim Anblick der Entlassenen empfindet und laut äußert, mag für viele Nachfahren im „Land der Täter“ unangenehm sein. Denn der Holocaust ließe sich mit nichts vergleichen, so wurden wir sozialisiert. Die Mehrheitsgesellschaft wird sich mit diesem angeblichen Tabubruch abfinden müssen. Denn wenn sich der 7. Oktober, und alles, was seither geschah, für Jüdinnen und Juden anfühlt wie ein zeitgeistiger Holocaust, dann ist es auch einer. Diese Deutungshoheit über den Begriff, das Gefühl, die Erinnerung und das Trauma obliegt Jüdinnen und Juden.
Die Kämpfer der Hamas riefen am 7. Oktober „kill all Jews“ in ihre laufenden Kameras. Wer versucht, die genozidale Vernichtungsfantasie der Hamas zu leugnen relativiert zum einen das Grauen, das jede einzelne jüdische Person seit dem 7. Oktober 2023 durchlebt und zum anderen die offensichtliche und selbstbewusst geäußerte Intention, mit der die Hamas Israel überfiel: Das Auslöschen einer ganzen Ethnie.