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„Wir sehen, dass die Opfer häufig alleine gelassen werden“

Immer wieder werden in Deutschland Menschen Opfer von rechtsextremer Gewalt. Doch mit dem Erleiden der Straftat ist der Fall für sie noch lange nicht abgeschlossen. Der Gang zur Polizei und die Teilnahme am Gerichtsverfahren stellen für die Geschädigten oftmals eine enorme psychische Belastung dar. Umso wichtiger ist es, dass die Opfer nach bester Möglichkeit in dieser schweren Zeit unterstützt werden. Doch wird dies in der Realität auch ausreichend gewährleistet? Wir haben beim Deutschen Anwaltsverein (DAV) einmal nachgefragt.

 

Von Marc Latsch

1871 gegründet, vertritt der Deutsche Anwaltsverein  insgesamt 67000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im gesamten Bundesgebiet. Der Verein ist Träger der „DAV-Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt“, die im Bedarfsfall die Kosten für Rechtsberatung und Vertretung von Opfern rechtsextremer oder politisch motivierter Gewalttaten übernimmt: „Wir organisieren Rechtsschutz für die Opfer und versuchen diese in ihrer auch psychisch angespannten Lage zu unterstützen. Hierbei müssen sie begleitet werden, dafür nutzen wir unsere Mittel“, so DAV-Pressesprecher Swen Walentowski. Denn die allgemeine Rechtssituation von Opfern rechtsextremer Gewalt gestaltet sich aus seiner Sicht alles andere als rosig: „Wir sehen, dass die Opfer häufig alleine gelassen werden. Beiordnungen werden in vielen Fällen verwehrt, Opfer werden mit den Tätern im Gerichtssaal alleine gelassen.“ Praktiken, die Walentowski für „unzumutbar“ hält sind Usus in deutschen Gerichtssälen.

Frauenanteil unter den Tätern nimmt zu

Dabei ist rechtsextreme Gewalt in Deutschland beileibe kein Randphänomen mehr. Beinahe jeder kann zum Opfer einer derartig motivierten Straftat werden. Überwog vor einigen Jahren noch der klassische Fall eines ausländerfeindlichen Überfalls auf Menschen mit Migrationshintergrund, haben sich die Opfer-Täter-Gruppen mittlerweile gewandelt. „Der Hass richtet sich zunehmend gegen andersdenkende Deutsche und gegen Frauen“, konstatiert Walentowski. Obdachlose, politisch Linksstehende, Homosexuelle – jeder der nicht in das Menschenbild der Rechtsextremisten hineinpasst ist ein beliebtes Angriffsziel. Auf der Täterseite nimmt währenddessen der Frauenanteil zu, das klassische Schema greift also auch bei den Straftätern nicht mehr.

Tatmotiv wird zu selten erkannt

Was muss sich nun also ändern um die Situation der Opfer vor Gericht zu verbessern? Swen Walentowski hat auch hiervon konkrete Vorstellungen: „Rechtlich besteht zunächst einmal kaum Handlungsbedarf, die Grundlagen sind geschaffen. Das rechtsextremistische Tatmotiv sollte nur häufiger erkannt werden, Ermittlungen müssen auch in diese Richtung durchgeführt werden.“  Gerade bei solchen weitergehenden Recherchen komme nämlich laut Walentowski zu häufig der Spar- und Ergebnisdruck zu tragen. Dabei sei es gerade in diesen Fällen unheimlich wichtig sorgfältig vorzugehen. Auf den ersten Blick überraschend hebt er allerdings die Situation im Osten der Bundesrepublik positiv hervor: „Zwar konzentrieren sich die Fälle vor allem in Ostdeutschland, dies liegt jedoch auch daran, dass hier eine bessere Erfassung der Straftaten existiert, die Motive besser erkannt werden.“ Vor allem im Westen Deutschland bestehe hier noch vielerorts enormer Nachholbedarf, so der Rechtswissenschaftler.

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