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Dee Ex Rappen fürs „Vaterland“

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Über mangelnden Zuspruch kann sich die Frau nicht beschweren. »Ich bewundere sie als Menschen und als Künstlerin«, bekennt der Leser mit dem Pseudonym Max Mustermann in der Online-Kommentarspalte der Jungen Freiheit (JF). Auch die Leser des Weblogs Politically Incorrect (PI) sind angetan. »Deutschland hat soeben den wahren Superstar geboren«, schwärmt ein Nutzer namens Spuky. Auf dem rechtsextremen Nid-Infoblog wird der Frau »Respekt« gezollt und ein »Kompliment« gemacht. Mancher Bewunderer bemüht sogar höhere Mächte, wie etwa ein Helmut Bauer auf der Seite der JF: »Der Herr segne und behüte dich und gebe dir Weisheit für jeden weiteren Schritt!«

Die umschwärmte Frau nennt sich Dee Ex und kommt nach eigenen Angaben aus Berlin. Sie bezeichnet sich selbst als »Gesellschaftskritik übende Künstlerin« und betätigt sich musikalisch. Als »stolze deutsche Patriotin, die weiß, was sie will«, übt sie sich nicht einfach im Sprechgesang, sondern reklamiert ein eigenes Genre für sich: den »patriotischen Rap«.

Die Musikerin hat sich Stücke wie »Deutschland, mein Heimatland«, »Deutschland, kein Wintermärchen« oder auch »Deutsch ist nicht gleich Nazi« ausgedacht, die sie in den Internetportalen Myspace und Youtube veröffentlicht hat. Mittlerweile geht ihr Einfallsreichtum sogar so weit, dass sie in ihren Liedtiteln ohne die Worte »Deutschland« oder »deutsch« auskommt, auch wenn das, wie im Fall des Stücks »NHA ? National human (right) anthem«, zu etwas holprigen Ergebnissen führt. Stets ist ihr Rap »vom Volk für?s Volk«, wie ein weiteres Lied heißt. Das Volk hat es nach Ansicht der Musikerin nicht leicht: »Deutschland bietet verschiedensten Völkern ein Zuhause. Nur dem deutschen Volk nicht mehr. Das wird aus der Gesellschaft ausgegrenzt.« Deshalb befindet sie sich auf ihrer Mission, wie sie in einem Interview mit der JF ausführt: »Ich möchte die Hörer zum Nachdenken anregen, sie an die deutschen Werte und Tugenden erinnern, ohne die wir unsere Identität und den Frieden verlieren werden.« Ihr eigenes Weblog »nohoearmy.wordpress.com« hat sie mit der Losung überschrieben: »Mit Patriotismus zur Freiheit! Deutsch zu sein, ist kein Verbrechen!«

Menschen nichtdeutscher Herkunft empfindet die Rapperin hingegen als Last, arg leidet sie unter dem »Rassismus gegen Deutsche«. Deshalb hält sie es beispielsweise mit Roland Koch und seiner Einschätzung: »Wir sind an die Grenze der Aufnahmefähigkeit gekommen.« Die Zuwanderung zu unterbinden, sei dringend geboten, um »unser Land vor einem Bürgerkrieg zu bewahren«, sagte Dee Ex der JF. Dass manche Menschen in Zeilen wie »Geh? doch heim, wenn?s dir nicht passt!« den altbekannten Ruf »Ausländer raus!« erkennen, mag ihr aber keinesfalls einleuchten.

Denn die Berlinerin trägt ihre Einlassungen stets in einem typisch deutschen Gestus vor: Sie gibt die verfolgte Unschuld. In der Ballade »Deutschland, mein Heimatland« fragt sie: »Warum darf ich dich nicht lieben? Warum hasst mich die ganze Welt, wenn ich es trotzdem tu??« Dem überwältigenden Teil der Weltbevölkerung dürften die Befindlichkeiten einer Berliner Freizeitmusikantin zwar herzlich egal sein. Doch die rappende Patriotin sieht sich als Opfer einer Welt, die sich gegen die Deutschen verschworenen hat. Die Schuldigen hat Dee Ex auch ausgemacht. So findet man auf ihrem Blog ein Video, das über eine vermeintliche Weltverschwörung von »mächtigen Internationalen« aufklärt, die Kriege anzettelten und »Zinsen von den verschiedenen Regierungen kassieren, denen sie Geld geliehen haben«. Auch Namen werden genannt: David Rockefeller und die Rothschilds.

Als unschuldiges Opfer hat Dee Ex jedoch ein Problem: den Nationalsozialismus und die Shoah, in denen die Deutschen dann doch eine andere Rolle einnahmen. Im Lied »Deutsch ist nicht gleich Nazi« rappt sie sich aber aus dem Dilemma: »Das ist Schnee von gestern.« Und überhaupt: »Warum muss ich die Schuld von Leuten, die ich nicht mal kenne, auf meinen jungen Schultern tragen?« Dabei zeigt die Berlinerin durchaus Nachsicht, wenn es um Schuld geht. Sie verwahrt sich dagegen, dass »alle Soldaten unserer Geschichte von 1933 bis 1945 pauschal zu Verbrechern abgestempelt wurden«. Dee Ex gewährt lieber die Absolution: »Ich für meinen Teil spreche sie frei und gönne ihnen ? sofern sie noch leben ? einen ehrenhaften Lebensabend. Sie sind keine Mörder, sondern treue Diener ihrer Herzen.«

Sie selbst legt Wert darauf, kein Neonazi zu sein – aber sie fühlt sich unter Neonazis nach eigenen Berichten pudelwohl. So machte sie sich am 13.?Februar auf nach Dresden. Dort unterhielt sie sich einem Bericht auf ihrem Blog zufolge »mit einigen aus den Reihen dieser angeblichen Nazis vorurteilsfrei« und war angetan vom »kameradschaftlichen Halt im deutschen Widerstand«. Kontaktfreudig ist Dee Ex ohnehin. Ob im Forum der JF, auf den Seiten des der DVU nahe stehenden Portals »Gesamtrechts«, in den Kommentarspalten von PI oder denen des Nid-Infoblogs ? schnell kommt sie mit den anderen Diskutanten ins Gespräch. Schließlich zählt sie alle zu ihren Verbündeten, wie sie in ihrem Blog ausführt: »JF-Leser, konservative Deutsche, Christen, wie auch GR- oder PI-News-Leser, Widerständler, volksbewusste Splitterparteien und alle anderen Deutschland-Freunde.«

Diese Gruppen mögen sich nicht immer freundschaftlich gesonnen sein. Doch vom ordinären, PI lesenden Rassisten bis zum den Nid-Infoblog verfolgenden »autonomen Nationalisten« scheint allen klar zu sein, dass sie sich seit geraumer Zeit vergeblich um die Gunst der Mehrheit der deutschen Jugendlichen mühen. »Mal was anderes, im Gegensatz zu dem doch musikalisch sehr zweifelhaften Rechtsrock-Gebrülle. Zudem werden sich bestimmt auch jüngere Leute davon angesprochen fühlen, die uns eher als ewiggestrige Hitlerverehrer angesehen haben denn als zukunftsfähige politische Alternative«, äußert sich etwa jemand auf dem Nid-Infoblog wohlwollend. »Dadurch, dass sie die Jugend anspricht, bewirkt dieses Mädel mehr als jeder akademische Diskussionszirkel«, gibt ein JF-Leser seine Einschätzung ab. »Wenn sie wirklich eine Million Klicks auf Youtube hat und dazu die jungen Leute bis 18 Jahre zum Aufwachen und Hinterfragen bringt, erreicht sie de facto mehr als PI«, schreibt jemand im entsprechenden Forum.

Es gibt zwar auch Zweifler wie »Franko«, der auf »Gesamtrechts« schreibt: »Es ist schon weit gekommen, dass selbst Patrioten solch importierten Dreck toll finden können. Diese Ghetto-Musik ist nicht Deutschland!« Doch »Gernot« beschwichtigt: »Weder die Musikbegleitung noch der Kehrreim (Refrain) wirken hier irgendwie afrikanisch.« Und selbst für »Franko« dürfte das von Dee Ex auf dem Nid-Infoblog hinterlassene Angebot gelten: »Hand in Hand fürs Vaterland!«

Dieser Text erschien am 11. März 2010 in der Jungle World. Mit freundlicher Genehmigung.

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