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Frankfurter Buchmesse Neu-rechte Schläger-Schergen als Nachbarn

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Kubitschek im Gespräch mit dem Direktor der Frankfurter Buchmesse (Quelle: BTN)

Während der Frankfurter Buchmesse ist es dem kleinen völkisch nationalen Antaios-Verlag von Götz Kubitschek gelungen, das Thema Nummer eins zu sein. Die Rechten haben mit ihrem Auftritt alles erreicht was sie wollten: Öffentlichkeit wurde geschaffen, die Anwesenheit von Rassist_innen und Rechstextremen in der Öffentlichkeit wurde weiter normalisiert.

 

Götz Kubitschek und Björn Höcke, zwei alte Weggefährten und Brüder im Geiste (Quelle: BTN)

Ein Rundgang mit Götz Kubitschek und Björn Höcke wurde als Siegeszug inszeniert. Im Schlepptau hatten sie verschiedene IB-Aktivist_innen. Die Raumeinnahme der Rechten wurde bewusst inszeniert und ist ihnen leider gelungen. Während verschiedener Lesungen konnten sie über  eine Stunde die Hoheit über das Forum „Wissenschaft und Bildung“ auf der Frankfurter Buchmesse übernehmen – allerdings nicht ungestört. Während dreier Lesungen des Antaios-Verlags kam es zu massiven Gegenprotest von Menschen die es nicht hinnehmen wollten, dass Autor_innen des rechten Verlags ihre menschenverachtenden Positionen ungehindert auf der Buchmesse verbreiten.

 

Höckes völkischer Flügel der AfD weist Kubitschek einen Weg zu politischer Einflussnahme. (Quelle: BTN)

Zu Beginn wollten die beiden Autoren Martin Semlitsch (Künstlername: Martin Lichtmesz) und Caroline Sommerfeld gegen 17 Uhr ihr Buch in einem Gespräch mit Björn Höcke vorstellen.

 

Björn Höcke, Ellen Kositza, Martin „Lichtmesz“ Semlitsch und Caroline Sommerfeld (von links) (Quelle: BTN)

Dabei kam es bereits zu Beginn zu massiven Störversuchen aus dem Publikum. Eine aufgebrachte Besucherin schrie beispielsweise, wie es sein kann, dass die Buchmesse Menschen eine Bühne bietet, die wären sie an der Macht, diese Veranstaltung verbieten würde und im Gedankengut die Nachfolger jener sind, die 1933 die Bücherverbrennung veranlassten. Direkt strömten junge gewaltbereite Männer (sind es nun IB-Aktivisten oder Neonazis? Gibt es hier noch einen Unterschied?) auf die Dame zu.

Unter den Besucher_innen der Lesung befand sich auch der bekannte Neonazi Patrick Schröder, der unter anderem im Juli im thüringischen Themar ein Neonazi-Konzert veranstaltete. Daneben ist er Betreiber von FSN-TV und dem Versan “Ansgar Aryan”. Er war gemeinsam mit dem rechten Rapper „Mic Revolt“ vor Ort, der mit bürgerlichem Namen Michael Zeise heißt und als enger Weggefährte des im NSU-Prozess angeklagten Ralf Wohlleben gilt. Zeise brüllte später mit seinen Kameraden als Reaktion auf einen Sprechchor der Gegendemonstrant_innen: „Es gibt EIN Recht auf Nazi-Propaganda“. Ein Polizeibeamter bat sie, sich zu mäßigen.

 

Mitte: Patrick Schröder, rechts: Michael Zeise. (Quelle BTN)

Über Patrick Schröder und sein „NS-Business“ Auf der anderen Seite von Antaios: Fünf Tage auf der Frankfurter Buchmesse

Kubitschek wünscht sich jemanden, der die Demokratie abschafft

Die Neue Rechte um Götz Kubitschek mag noch so oft versuchen zu erklären, sie seien keine Neonazis,  die fehlende Abgrenzung von klassischen Neonazi-Strukturen belegen etwas anderes. Und selbstverständlich sieht man besonders auf der inhaltlichen Ebene, dass die Neue Rechte nicht mehr viel mit Konservatismus zu tun hat, wie sie es selbst gerne behauptet. So sagte Kubitschek in einem Interview mit der „New York Times“, dass er nichts dagegen hätte, wenn jemand käme und das Experiment der Demokratie beenden würde.

 

Die Lesung aus den Büchern von Sellner und Müller wurde verhindert. (Quelle BTN)

Beinahe alle Aktivist_innen der IB haben eine einschlägige Laufbahn in Neonazi-Kreisen durchlaufen. Martin Sellner beispielsweise gehörte lange Zeit in das Kameradschafts-Umfeld des österreichischen Holocaust-Leugners Gottfried Küssel. Und Mario Müller wurde bereits mehrfach verurteilt, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung.

“Kontrakultur” Halle: Eine rechtsextreme Marketing-Agentur

 

Mario Müller, Chef der IB-Gruppe „Kontrakultur“ aus Halle. Den Habitus eines Neonazi konnte er noch nicht gänzlich ablegen. (Quelle: BTN)

Als dieser schließlich gemeinsam mit dem „Identitären“-Chefideologen Martin Sellner die dritte und letzte Lesung abhalten wollte, brach ein Tumult aus. Sellner und Müller versuchen, ihre Meute anzuheizen. Doch den beiden Rechtsextremen gelang es für über 40 Minuten nicht, die Gegendemonstrant_innen mit Sprechchören wie „Jeder hasst die Antifa“ zu übertönen.

 

Mario Müller heizt die rechte Masse ein. (Quelle:BTN)

Eskalation auf der Buchmesse

Die Stimmung geriet außer Kontrolle, es kam zu einer Schlägerei vor und auf der Bühne.  Es war ein Schwieriges für die Polizei, die unübersichtliche Situation unter Kontrolle zu bringen.  Eine Mitarbeiterin der Amadeu Antonio Stiftung, die vor Ort war, wurde während dieser eskalierten Lesung massiv beschimpft und auch physisch angegriffen. Für eine gewisse Zeit konnte die Sicherheit der Teilnehmenden der Veranstaltung nicht gewährleistet werden.

 

Martin Sellner stimmt an: „Jeder hasst die Antifa“. (Quelle: BTN)

Selbst der Direktor der Frankfurter Buchmesse, Juergen Boos, schaffte es nicht von der Bühne aus, die aufgepeitschte Menge zu beruhigen. Während eines Gesprächs zwischen Kubitschek und Boos forderte der völkisch nationale Verleger den Messe-Chef auf, die „Angriffe“ auf den Antaios Verlag klar zu verurteilen. In der Nacht von Freitag auf Samstag wurden offen liegengelassene Bücher des Verlags, gestohlen – was nach Auskunft einiger Verleger_innen keine Seltenheit ist. In einer Pressemitteilung der Messe heißt es dann, man verurteile jede Form von Gewalt, egal ob von rechts oder links.

 

Martin Sellner und seine Freundin, die rechtsradikale US-YouTuberin Brittany Pettibone. (Quelle: BTN)

Nachdem die Gegendemonstrant_innen von der Polizei aus der Halle eskortiert wurden, reklamierten Selnner, Müller und Kubitschek diese Veranstaltung als vollen Erfolg für sich. Kubitschek ließ es sich nicht nehmen zum Schluss ein weiteres Mal die Amadeu Antonio Stiftung zu diffamieren. Er bekam tosenden Applaus. Anschließend eilte die aufgepeitschte Menge zum Umtrunk zum Antaios-Stand zurück, um gemeinsam ihren erfolgreichen Tag zu feiern.

Am Abend sitzt Patrick Schröder am Stand der Amadeu Antonio Stiftung

 

Wenn der Gegner weg ist. Ganz mutige Antaios-Fans okkupieren den Stand von @AmadeuAntonio #fbm17 pic.twitter.com/qDol3mlpTi

— Danijel Majic (@DanijelMajic) 14. Oktober 2017

 

 

 

Am Sonntagmorgen statteten Martin Semlitsch und Caroline Sommerfeld dem Stand der Amadeu Antonio Stiftung einen Besuch ab und versuchten, die Mitarbeiter_innen in ein Gespräch über die Proteste des vergangenen Tages zu verwickeln, was jedoch zum Scheitern verurteilt war: Die Basis, auf der die beiden diskutieren wollten, stütze sich auf Lügen und Verleumdungen. So behauptete Semlitsch beispielsweise, der Protest während der Lesungen sei durch die Stiftung geplant worden. Weder haben Stiftungsmitarbeiter_innen die Proteste geplant, noch wussten wir davon. An den Haaren herbei gezogen ist ebenfalls, dass sich die Gegendemonstrant_innen am Stand der Stiftung versammelt hätten, um dann gemeinsam zu der Lesung zu gehen.

 

Links: Caroline Sommerfeld, Martin Semlitsch. Rechts: zwei Mitarbeiter der Amadeu Antonio Stiftung (Quelle: BTN)

Auch der aufgebracht rüber stürmende Götz Kubitschek behauptete, dies mit eigenen Augen gesehen zu haben. Die Versuche der Stifungsmitarbeiter_innen, diese Diskussion zu beenden, da es keine gemeinsame Basis gibt, auf der diskutiert werden könne, fruchteten lediglich bei Kubitsckek, der unseren Stand schließlich verließ. Semlitsch hingegen versuchte weiterhin zu „diskutieren“ und sparte dabei nicht mit persönlichen Beleidigungen.

Einschüchterungsversuche

Was auch immer Kubitschek und Semlitsch zu sehen gemeint haben, ein Kollektiv an Demonstrant_innen kann es nicht gewesen sein, weil es das an unserem Stand schlicht nicht gab. Vielleicht liegt diese verschwommene Realitätsbeschreibung an den Mengen Wein, den die Mitarbeiter_innen, Autor_innen und IBler während der Messetage in sich hineingossen. Besonders bei diesem Gewaltpotential das sich am Antaios-Verlag versammelte, ist Alkohol ein gefährlicher Enthemmer, der die Sicherheitslage der Stiftungsmitarbeiter_innen und der Messebesucher_innen weiter gefährdete. Zumal viele Antaios-Fans an unseren Stand kamen und auf verschiedene Weisen pöbelten und versuchten die Mitarbeiter_innen einzuschüchtern.

So bauten sich beispielsweise bedrohlich wirkende rechte Aktivisten vor unserem Stand auf und versuchten uns mit aggressiven Blicken und Worten einzuschüchtern. Uns wurden nicht nett gemeinte Geschenke überreicht, wir wurden beleidigt und die Stiftung wurde diffamiert.

Ein Gast der Buchmesse, der lange Zeit am Stand des Antaios-Verlags stand und nach eigenen Angaben Autor der „Junge Freiheit“ ist, stand einige Zeit mit seinen Freund_innen an unserem Stand und blätterte in den Broschüren. Bevor er und seine Freunde den Stand der Stiftung verließen, wollte der „Junge Freiheit“-Autor noch wissen, ob die Adresse der Amadeu Antonio Stiftung nach wie vor dieselbe ist. Auf die Frage, warum er dies wissen wolle, sagte er schlicht, um sich in Berlin besser orientieren zu können, wenn er das nächste Mal dort ist.

Leider muss man sagen, dass die diesjährige Frankfurter Buchmesse zu einem Anziehungsort von gewalttätigen Neonazis geworden ist. Nicht nur wir sind geschockt, auch viele Verleger_innen und Besucher_innen wares es. Der Stand der Amadeu Antonio Stiftung war für viele wie eine Art Erste-Hilfezelt. Hier konnten Besucher_innen und Austeller_innen ihrer Wut über die Präsenz der Neuen Rechten Luft machen. Neben all den schrecklichen und beängstigen Momenten der diesjährigen Buchmesse, muss auch gesagt werden, dass wir eine unglaubliche Welle an Solidaritätsbekundungen bekommen haben. Viele Besucher_innen und Verleger_innen besuchten unseren Stand, um uns Mitleidsbekundungen für unsere unangenehmen Nachbarn auszusprechen und sich für unsere Präsenz zu bedanken.

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