Mit der Gründung von „Generation Deutschland“ betreibt die AfD nichts anderes als ein strategisches Rebranding: Die radikale Jugend soll nach wie vor mobilisiert und eingebunden werden, diesmal jedoch unter strenger Kontrolle. Es geht nicht um Mäßigung, sondern um Kontinuität und Machterhalt.
Am 29. November 2025 versammelte sich die Alternative für Deutschland (AfD) in Gießen, um ihre neue Jugendorganisation aus der Taufe zu heben. Nach Auflösung der bisherigen Jugendorganisation Junge Alternative (JA) im Frühjahr, auf Druck, weil sie vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft worden war, startete nun die Neuauflage unter neuem Namen: „Generation Deutschland“ (GD). Mit Mäßigung hat das nichts zu tun.
Die GD ist im Unterschied zur JA kein unabhängiger Verein mehr, sondern integraler Teil der AfD. Alle Mitglieder müssen Parteimitglieder sein. Damit bekommt die Parteiführung deutlich stärkeren Zugriff auf den Nachwuchs.
Jean‑Pascal Hohm: Der neue GD-Führer
An die Spitze von GD wurde mit großer Mehrheit der 28-jährige Brandenburger Landtagsabgeordnete Jean‑Pascal Hohm gewählt.
Hohm ist ein Rechtsextremer. Und das sagt sogar der Verfassungsschutz Brandenburg, der ihn als eine der zentralen Figuren der extremen Rechten in der Region bezeichnet. Er gehört dem rechtsextremen und völkischen Flügel um Björn Höcke und Co. an. Der Verfassungsschutz stuft auch seinen Landesverband als rechtsextrem ein.
Hohm kündigte am Samstag an, mit „Generation Deutschland“ dafür sorgen zu wollen, dass „Deutschland die Heimat der Deutschen bleibt“. Er behauptet, Deutsche seien auf Schulhöfen bereits zur Minderheit geworden oder stünden zumindest kurz davor.
Jean-Pascal Hohm steht damit für ein völkisch-nationalistisches Verständnis von „Volk“. Seine Unterstützung für „Remigration“, seine Nähe zu rechtsextremen Netzwerken und seine wiederkehrende Rhetorik von „Volk“, „Heimat“ und kultureller „Identität“ zeigen, dass er den Volksbegriff nicht staatsbürgerlich fasst, sondern ethnisch-kulturell. Damit wären seine politischen Ziele klar verfassungsfeindlich. Denn Hohm scheint „Volk“ mit Abstammung, Herkunft und „Deutschtum“ im Sinne von „Biodeutschen“ oder „autochthonen Deutschen“ zu verbinden. Sein Begriff von „Volk“ grenzt damit Menschen mit Migrationshintergrund oder Einbürgerungen faktisch aus. Simpel gesagt, scheint es Hohm nicht um Staatsbürgerschaft, nach Prinzipien des Grundgesetzes zu gehen, wer einen deutschen Pass hat, ist Deutscher, sondern nach Blut, beziehungsweise Kultur. Dieses Verständnis von Volk erinnert nicht zufällig an die Ideologie der Nazis.
Die freundlichen Gesichter des Rechtsextremismus
Gleichzeitig arbeitet Hohm daran, diese Haltung in ein bürgerliches Gewand zu kleiden. Dazu gehören bewusst gesetzte Signale, gepflegte Auftritte, eine kontrollierte Wortwahl, mediale Disziplin. Was wie Normalität wirkt, erfüllt einen politischen Zweck: Radikale Inhalte sollen anschlussfähig erscheinen. Hohm produziert damit kein neues Weltbild, sondern eine strategische Verpackung für längst bekannte rechtsextreme Positionen innerhalb der AfD.
Hohm gehört zu jener Generation, die nicht zur AfD fand, sondern in ihr aufgewachsen ist. Mit 17 führte er bereits die Junge Alternative Brandenburg, mit 18 war er beruflich fest in der Partei verankert. Während der Corona-Pandemie organisierte er Schwurbel-Proteste, an der Anwesenheit von gewaltbereiten Neonazis störte er sich nicht. Sein Werdegang zeigt exemplarisch, wie man 2025 innerhalb der AfD aufsteigt: indem man ohne Zögern rechtsradikale Positionen vertritt.
Vermutlich genau wegen seines nationalistischen Volksverständnisses wurde Hohm schließlich am Samstag mit 90,4 Prozent zum Vorsitzenden gewählt. Es gab keine Gegenkandidaten.
Auf Platz zwei folgt Jan Richard Behr, aus Sachsen, der jedoch mittlerweile in Rheinland-Pfalz aktiv ist. Behr war zuvor bereits in der JA engagiert. Er pflegt offenbar Kontakt zum geistigen Vorfeld des völkischen Flügels in Schnellroda und hat Kontakte zur Identitären Bewegung. Er bekam 89,2 Prozent der Stimmen.
Adrian Maxhuni: „Wir sollten Tierversuche stoppen und Flüchtlinge dafür nehmen“
Dritter wird Adrian Maxhuni aus dem niedersächsischen Osnabrück. Auch er ist laut der taz seit Jahren im völkischen Netz der AfD verankert. Der niedersächsische Landesverband hatte 2022 sogar die von ihm geführte Junge Alternative abgestoßen. Offiziell, weil sie zu radikal auftrat. In Chatgruppen jener Zeit kursierten Formulierungen wie „Wir sollten Tierversuche stoppen und Flüchtlinge dafür nehmen“ oder die „Endlösung für die Musels in Deutschland“. Maxhuni führte die Jugendorganisation trotzdem weiter. Zudem soll er Verbindungen zu einem langjährigen NPD-Ideologen pflegen, der Schulungen anbietet. Auch das alles kein Problem für die Jugendgruppe, er scheint ins Profil zu passen: Maxhuni wurde mit 81,1 Prozent gewählt.
Einzige Frau wurde spontan in den Vorstand gewählt, auch sie ist Teil einer rechtsextremen Gruppe
Für den lautesten Moment des Tages sorgte wohl Julia Gehrckens, die in ihrer Rede behauptete, „deutsche Frauen“ würden im Zuge der Migration täglich zu „Freiwild“ degradiert. Eine Formulierung, die sofort aufpeitschende Wirkung zeigte und von einem überwiegend männlichen Publikum mit lautem Johlen quittiert wurde. Es gelte schließlich, die Frauen zu beschützen, aber nicht vor der eigenen Gewalttätigkeit. Die Gefahr für Frauen wird externalisiert, auf Migranten.
Anschließend verschärfte Gehrckens die Dramaturgie noch einmal und erklärte: „Nur millionenfache Remigration schützt unsere Frauen und Kinder.“ Die Zuspitzung wirkte: Obwohl sie gar nicht offiziell nominiert war, trug sie sich mit dieser Rhetorik mühelos in den Sieg und setzte sich mit 63 Prozent gegen den niedersächsischen Kandidaten Mio Trautner durch. Gehrckens ist im identitären Milieu verankert und aktiv im rassistischen Frauennetzwerk „Lukreta“ – einer rechtsextremen Frauengruppe mit enger Bindung an die AfD und die Identitäre Bewegung. Ihr zentrales Ziel: Frauen als AfD-Wählerinnen zu mobilisieren, indem Gewalt gegen Frauen instrumentalisiert und fälschlicherweise ausschließlich Migranten zugeschrieben wird.
Gehrckens ist die einzige Frau des 15-köpfigen Bundesvorstandes der GD.
Mit der neuen AfD-Jugend geht es weiter in den Rechtsextremismus
Doch der neue Name und die neue Struktur sind nur Schale. Inhaltlich bleibt alles beim Alten, falls es nicht noch weiter in Richtung Neofaschismus geht. Wer dachte, mit „Generation Deutschland“ käme eine moderatere Jugendorganisation, wurde spätestens beim Gründungskongress eines Besseren belehrt. Mit dieser Personalaufstellung wird deutlich: Die GD soll keine Neuausrichtung sein, sie ist ein Relaunch mit demselben Personal, derselben Ideologie und derselben extremen Marschrichtung.
Der Gründungskongress wurde begleitet von Aussagen über die „Verteidigung der deutschen Kultur gegen Fremdeinflüsse“ und dem beständigen Schlagwort vom „autochthonen Staatsvolk“, dieselbe rassistische Rhetorik, die schon die JA auszeichnete.
Damit wird klar: GD ist kein Image-Projekt, kein Versuch der Mäßigung, sondern eine strategisch getarnte Fortführung der radikalen Linie der Vorgängerorganisation, diesmal jedoch unter direkter Kontrolle der Parteiführung.
Der massive Gegenprotest, als starkes Zeichen der Ablehnung
Bereits im Vorfeld der Gründung rief eine breite Allianz aus Gewerkschaften, linken Jugendorganisationen und antifaschistischen Gruppen zum Widerstand auf.
Am Tag der Gründung versammelten sich laut Polizei 25.000 bis 30.000 Menschen in Gießen, um gegen GD zu demonstrieren. Nach Angaben des Bündnisses beteiligten sich sogar bis zu 50.000 Demokratie-Verteidiger*innen. Die Stimmung war insgesamt kämpferisch, viele Menschen wollten deutlich machen: Nicht mit uns. Und: Nie wieder Faschismus.
Der Protest blieb von Seiten der Demonstrant*innen überwiegend friedlich. Die Bilder vieler Menschen, von jung bis alt, die auf die Straße gehen, mit Plakaten, Transparenten, laut und entschlossen, das ist ein starkes Zeichen dafür, dass die demokratische Zivilgesellschaft nicht schweigt. Dass sie die Gründung einer rechtsextremen Jugendorganisation, die vermutlich noch radikaler und menschenfeindlicher auftreten wird als ihre Mutterpartei, die AfD, nicht unwidersprochen hinnehmen will.






