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Interview „Colours“ – Ein klares Statement gegen Rassismus

Mit „Colours“ hat das Berliner Duo „I’m Not A Band“ nicht nur einen großartigen Song veröffentlicht, sondern auch ein klares Statement gegen Rassismus gesetzt. Am 30. Januar 2015 veröffentlichen Stephan Jung und Simon Ortmeyer nun das dazugehörige Album „Oceans“.Erstmalig auch in dieser Besetzung. Nachdem Songwriter Stephan Jung mit seiner Violine stets einen weiblichen Part neben sich hatte, hat er sich für „Oceans“ den Sänger Simon Ortmeyer, Frontmann bei „The Perfect Pineapple“, mit ins Boot geholt. Mut gegen rechte Gewalt sprach im Januar 2015 mit den Beiden über ihre Motivation für den Song, dem Engagement für Flüchtlinge und wie man sich durch Musik gegen Rassismus positionieren kann.

 
Ausschnitt aus dem Video "Colours" © Leonard Ermel

Das Interview führte Anna Brausam

Am 30.1. veröffentlicht ihr euer neues Album „Oceans“. Darauf findet sich auch der Song „Colours“. Stephan, was hat Dich dazu bewogen diesen Song als klares Statement gegen Rassismus zu schreiben?

Stephan: Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass es die Verantwortung von Jedermann ist, vor allem aber auch als Künstler, dass wir uns klar gegen Rassismus positionieren. Es ist mir aber auch eine Herzensangelegenheit. Seit letztem Sommer engagiere ich mich in dem Verein „Hellersdorf hilft“, den ich zusammen mit jungen Menschen aus dem Berliner Bezirk gegründet habe. Dort setzen wir uns für eine gelebte Willkommenskultur ein, um auch längerfristig geflüchteten Menschen bei ihrer Ankunft in Deutschland zu helfen. In dem Song „Colours“ habe ich meine Erlebnisse verarbeitet. Sowohl die schönen Momente, wie interessante Begegnungen mit Flüchtlingen, als auch die vielen Ressentiment bis hin zum Hass gegen Geflüchtete. Der Song diente mir daher als gutes Ventil, alles mal raus zu lassen.

Was hat Dich motiviert, Dich gerade im Bezirk Hellersdorf für Flüchtlinge zu engagieren? Lebst du dort?

Stephan: Meine Familie lebt in Hellersdorf. Bis dahin hätte ich es nicht für möglich gehalten, was dann im letzten Sommer passierte. Als bekannt wurde, dass in unserem Bezirk eine Flüchtlingsunterkunft eingerichtet wird, war auch in unserem Briefkasten ein Flyer der Bürgerbewegung, der dazu aufrief zur städtischen Informationsveranstaltung zu gehen. Der Flyer strotzte vor Hetze und Lügen. Der Tag der Infoveranstaltung war der schrecklichste Tag, den ich je erlebt habe: 400 organisierte Neonazis aus Berlin und Brandenburg sind gekommen und haben jeden massiv eingeschüchtert, der sich Pro Flüchtlinge geäußert hat. Es war eine sehr bedrohliche Stimmung, die uns dazu veranlasste etwas dagegen tun zu müssen.

Seitdem setzt du Dich mit „Hellersdorf hilft“ für eine Willkommenskultur ein. Was bedeutet für Dich Willkommenskultur?

Stephan: Willkommenskultur heißt für mich Begegnungen zu schaffen. Gerade in Hellersdorf habe ich beobachtet, dass dort, wo die Begegnungen am geringsten sind, die Ressentiments am größten sind. Viele Bürgerinnen und Bürger, die zunächst starke Vorbehalte gegen eine Flüchtlingsunterkunft hegten, haben nach dem Einzug und ersten Kontakten erkannt, dass diese unbegründet waren. Im Bezirk gibt es viele Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen wollen.

Was ist Dir bei Deinem Engagement für „Hellersdorf hilft“ wichtig?

Stephan: Mir ist wichtig, denen eine Stimme zu verleihen, die medial nicht in Erscheinung treten. Das sind neben den Flüchtlingen auch die Menschen, die sich für eine Willkommenskultur einsetzen. Denn als die Refugees in ihre Hellersdorfer Unterkunft einzogen, bestimmte ein Bild alle Zeitungen: Ein Mann, der in Jogginghosen die Hand zum Hitlergruß hob. Es gab aber auch eine andere Seite: Wir erfuhren von sehr vielen Solidaritätsbekundungen, aber die Kanäle nach außen fehlten dafür. Deswegen haben wir versucht diese zu bündeln. Wir haben zum Beispiel zu einer Spendenaktion aufgerufen. Medienwirksam haben wir dann die Spenden mit einer Menschenkette durch den Bezirk zu der Flüchtlingsunterkunft getragen. So dass auch dieses Bild von Hellersdorf mediale Aufmerksamkeit erfahren hat.

In eurem Videoclip zur Single „Colours“ bezieht ihr euch auch ganz konkret gegen Pegida. Warum?

Stephan: Das war eine ähnliche Motivation wie eingangs erwähnt. Es ist wichtig, dass sich auch Künstler klar positionieren. Wir wollen mit dem Song und dem Video die Aufmerksamkeit auf die Menschen lenken, die die Leidtragenden der seit Monaten anhaltenden Pegida-Demonstrationen sind: Die Flüchtlinge. Deshalb haben wir auch unser Konzert zum Tourneestart in Dresden am 29.1. unter das Motto „Konzert gegen Rassismus“ gestellt. Flüchtlinge werden dabei freien Eintritt erhalten. Und auch die Erlöse des Verkaufs der Single „Colours“ gehen an den Verein  „Hellersdorf hilft!“.

Jetzt haben wir sehr viel über Dein Engagement für „Hellersdorf hilft“ gesprochen. Beeinflussen die Begegnungen mit Flüchtlingen und die Auseinandersetzung mit ihren Schicksalen auch Deine Musik?

Stephan: Schwer zu sagen. Am Ende fließt alles in die Musik was man ist. Und man ist das, von dem man geprägt und umgeben ist. Insofern haben diese Erfahrungen sicherlich auch Auswirkungen auf meine Musik. Aber das wären jetzt nur Mutmaßungen über mein Unterbewusstsein. (lacht)

Inwieweit glaubt ihr, kann man Menschen durch Musik für das Thema Rassismus und Ausgrenzung sensibilisieren?

Stephan: Auf künstlerischer Ebene haben wir ganz andere Möglichkeiten für bestimmte Themen Aufmerksamkeit zu schaffen, als wenn ein Journalist darüber berichtet. So können wir Menschen Denkanstöße zum Umdenken geben, die auf anderen Ebenen schwerer zu erreichen sind.

Simon: Ich bin auch der Meinung, dass wir uns als Musiker und Künstler klar gegen Rassismus und Ausgrenzung zu Wort melden müssen. Der Song „Colours“ zeigt, was wir bewirken können, wenn wir alle an einem Strang ziehen – ein Statement gegen Rassismus, das sich verbreitet!

Vielen Dank für das Interview.

Dieses Interview ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

 

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