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Kommentar Kulturkampf der Gegenwart

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Foto: Matthijs (CC BY-NC-ND 2.0)

In einem Hit der Neuen Deutschen Welle der 1980er Jahre hieß es: „Hässlich, ich bin so hässlich, so grässlich hässlich: Ich bin der Hass! Hassen, ganz hässlich hassen, ich kann’s nicht lassen: Ich bin der Hass!“ Wer die sozialen Netzwerke betritt, dem können diese Zeilen von damals heute als Ohrwurm in den Sinn kommen. Der ironische Song über die Leichtigkeit des Seins ist heute bitterer Ernst geworden:  Hass wurde längst ein beständiges Gefühl im Netz und ein ständiger Begleiter, mit dessen Erscheinen wir immer und zuverlässig rechnen können. Hass ist ein heftiges Gefühl und zutiefst menschlich, denn kein anderes Lebewesen ist imstande zu hassen. Tiere mögen aggressiv sein, sogar wütend oder voller Angst – aber Hass kennen sie nicht. Nur der Mensch vermag mit tödlichem Hass auf andere Menschen zu reagieren. Nur in den seltensten Fällen trifft der Hass das, was ihn ausgelöst hat. Das ist eine weitere Spezialität des Menschen, die ihn von Tieren unterscheidet: Er hasst wirr um sich herum. Dabei zieht er ganze Gruppen von Menschen in den Dreck, diffamiert, beschimpft und bedroht sie. Und weil Hass sich niemals verbraucht, nie aufhört oder von allein verschwindet, macht er immer so weiter, genau wie ein Tier, das zwar keinen Hass kennt, aber seinen Reflexen ausgeliefert ist. Menschen also, in denen ein tiefer Hass brennt, dessen eigentliche Ursache sie aber nicht verstehen wollen, sind am Ende dieser Kette eher animalisch als human.

Seit der Erfindung der Sozialen Netzwerke erfahren wir mehr über den Hass unserer Mitmenschen, als uns lieb ist. Vorurteile zu haben oder zu hassen ist schon ein Unterschied. Im Netz sehen wir beides. Er findet sich in Kommentarfunktionen der Zeitungen, in Auseinandersetzungen bei Facebook, Twitter oder anderen Netzwerken und er kommt auch als persönliche Mitteilung an Personen, deren Herkunft oder Ansicht den Hass von der Leine lässt. Zudem wirkt Hass ansteckend, wenn er geduldet wird oder gar Beifall bekommt. Die Hemmschwelle dafür sinkt in der Anonymität und vor dem Bildschirm, denn der Hasser muss niemandem dabei ins Gesicht schauen. Ob grob oder subtil vorgetragen: In der Masse von Einschlägen des Hasses in Foren oder Kommentaren ziehen sich die Nicht-Hasser bald zurück. Was sollen sie auch tun? Wem Hass nicht zur Verfügung steht, der kann sich in einer von Hass dominierten Atmosphäre nicht lange aufhalten. Ist das Feld dann erst geräumt, siegt der Hass und feiert sich selbst.

Hass ebnet den Weg zu Gewalt

Die digitalisierte Welt darf nicht Hass und Vorurteil überlassen werden. Sich dagegen klug zu wehren, ist der Kulturkampf der Gegenwart. Außerdem bereitet Sprache das Handeln vor. Wer zu Hass ermuntert, ihn verbreitet, ihn anstachelt, ebnet den Weg zu Gewalt und Vernichtung, die stets das eigentliche Ziel dieses starken Gefühls sind. Hass auf Menschen, weil sie einer Gruppe angehören, ist keine neue Erfindung. Dass er aber gerade dabei ist, die Lufthoheit über das interaktive Netz zu gewinnen, kann nicht hingenommen werden. In einer Zeit, in der Menschen immer näher zusammenrücken, die Vorgänge in der Welt von immer mehr Interdependenz geprägt sind und die Bewegungen von Gesellschaften immer globaler werden, wirkt dieser Anstieg von Hass wie ein Abwehrkampf gegen das kosmopolitische Leben.

Damit diese Abwehr nicht die wachsende Freiheit bedroht, weder analog noch digital, müssen wir handeln. Auch die digitale Welt braucht unsere Ideen, gute Pädagogik, und eine Perspektive darauf, wie wir leben wollen. Wir sollten auf Hass nicht nur reagieren und uns so an ihn binden, sondern uns auch im Netz um eine Kultur bemühen, in der – bei aller Kontroverse – Gleichwertigkeit in den Debatten selbstverständlich wird. Die Amadeu Antonio Stiftung bemüht sich in ihren Projekten genau darum. Und deshalb wünschen wir allen Leser*innen, die sich in den Weiten des digitalen Raumes verirren und nur auf Hass treffen, lieber die letzte Zeile des alten Hits: „Und ich düse, düse, düse im Sauseschritt und bring die Liebe mit auf meinem Himmelsritt!“. Das wär doch was!

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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