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Nazis gegen Kindesmissbrauch 2.0

„Keine Gnade für Kinderschänder“ lautete die Facebook-Kampagne rechtsextremer Aktivist*innen im letzten Jahr. Während es zunächst noch um ein „härteres Durchgreifen“ gegen Kindesmissbrauch ging, verschärfte sich der Ton später zunehmend. Neben eindeutigen Posts, in denen die Todesstrafe für „Kinderschänder“ gefordert wurde, fanden sich in der Liste der „Gefällt mir“-Angaben der Seite auch zahlreiche NPD-Politiker und -Initiativen. Nach einem Beschwerde- und Meldungs-Marathon von User*innen wurde die Seite im November 2011 letztendlich von Facebook gelöscht. Die Nachfolge-Seite „Deutschland gegen Kindesmissbrauch“ ruft nun zur Veranstaltung „1.000.000 Stimmen gegen Kinderschänder“ auf.

 
Screenshot der "Gefällt-Mir"-Angaben der Seite "Deutschland gegen Kindesmissbrauch"

„Die Welt gegen Kinderschänder“ heißt es im Banner der Veranstaltung, die auf den 28. Januar 2013 datiert ist. Hinter der Schrift: die Deutschland-Flagge. Knapp 150.000 User*innen haben bereits zugesagt. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil dieser „Teilnehmer*innen“ nicht weiß, dass sie damit rechtsextreme Propaganda verbreiten.

Die NPD und der Kinderschutz

Kindesmissbrauch ist ein Dauerthema der NPD und immer wieder beliebt im Wahlkampf. In ihrem „Aktionsprogramm für ein besseres Deutschland“ fordert die rechtsextreme Partei ausdrücklich die Todesstrafe für Kindermörder und rückfällige Sexualstraftäter.

Die Todesstrafe verstößt gegen das Grundgesetz und gegen unser Verständnis von Demokratie. Doch in hitzigen Diskussionen, im Netz an den richtigen Stellen platziert, kann sie wie eine logische Konsequenz und Notwendigkeit dargestellt werden. So gelingt es Rechtsextremen, ihre Demokratie- und Menschenfeindliche Ideologie unterschwellig an nicht-rechtsextreme Bürger*innen zu bringen. Zum Glück gibt es engagierte User*innen, die sich diesen Grundsatzdiskussionen immer wieder stellen, und neue Mitglieder auf die Initiatoren der Veranstaltung hinweisen.

Wie man sie erkennen kann: Merkmale rechtsextremer „Kinderschutz“-Seiten

Oft sind Initiativen und Veranstaltungen rechtsextremer Organisationen nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Folgende Merkmale vermeintlicher Kinderschutz-Seiten können auf rechtsextremen Hintergrund deuten:

1. Rechtsextreme sprechen häufig von „Opfern“, was mit Hilflosigkeit assoziiert wird und den Eindruck erweckt, die „Opfer“ könnten sich nicht selbst wehren. Seriöse Initiativen nutzen vermehrt das Wort „Betroffene“, um die emotionalen Konnotationen möglichst gering zu halten.

2. Rechtsextreme Seiten legen ihren Fokus auf die Täter*innen, nicht auf die Betroffenen. Es geht ihnen nicht um Hilfe für die Betroffenen, sondern um die Verfolgung der Täter*innen. Oft werden „Auge um Auge, Zahn um Zahn“-Metaphern benutzt und Selbstjustiz befürwortet.

3. Auch das stark emotional aufgeladene Wort „Kinderschänder“ wird häufig von Rechtsextremen genutzt, um den Schwerpunkt des umfangreichen Themas „Sexueller Kindesmissbrauch“ auf die Verfolgung der Täter zu lenken.

Keine Lösungen – nur Propaganda

Viele Unterstützer*innen dieser und ähnlicher Aufrufe geben an, dass der Aufruf gänzlich unpolitisch sei: „Das hat nichts mit irgend einer Politischen Richtung zu tun“, schreibt ein Diskussionsteilnehmer, der sich für die Todesstrafe ausspricht. Dass man etwas gegen Kindesmissbrauch unternehmen müsse, sei ja klar, schreibt eine Teilnehmerin, „scheißegal von welcher Partei diese Seite“ sei. Beunruhigend sind auch Kommentare von „Todesstrafe wäre auch mal eine Alternative aber leider in Europa verboten“ bin hin zu „Kinder schänder. Gehören. Bestraft. Das sind keine Menschen ein hab ich schon ins andere leben gewiesen“. (Fehler im Original)

Auf der Seite der Veranstaltung finden sich natürlich keinerlei Hinweise auf Prävention oder Hilfe für Betroffene. Die vermeintliche „Kinderschutz“-Seite wird damit zu einer Sammlung von rechtspopulistischen Forderungen nach „härteren Strafen“ und der Todesstrafe – ohne konkrete Lösungsstrategien. Durch Verweise auf die „offizielle Fanseite“ „Deutschland gegen Kindesmissbrauch“ schließt sich der Kreis zur NPD und rechtsextremen Organisationen. Die „Gefällt mir“-Angaben der Seite: Frank Franz (NPD), Holger Apfel (NPD), „Soziale Netzwerke gegen Deutschfeindlichkeit“, „Es ist bereits Fünf vor Zwölf!!! Hört endlich auf mit dem Multikultiwahn“. Die Seite ist also keinesfalls „unpolitisch“. Durch die virtuelle Teilnahme an der Veranstaltung wird NPD-Propaganda verteilt. Auf die Aussage „Das hat nichts mit irgend einer politischen Richtung zu tun“ kann man nur erwidern: Das hat nichts mit Kinderschutz zu tun! Seiten dieser Art sind ausschließlich Verbreitungsportale rechtsextremer Ideologie oder Klickbringer für NPD-Portale und -Seiten.

Screenshot der Gegenveranstaltung „1.000.000 Stimmen gegen die Instrumentalisierung von Kindern für Propaganda“, Quelle: Netz-gegen-Nazis

Was man dagegen tun kann – Gegeninitiativen

Um auf die rechtsextreme Facebook-Veranstaltung „1.000.000 Stimmen gegen Kinderschänder“ aufmerksam zu machen, laufen jetzt die Initiativen  „1.000.000 Stimmen gegen die Instrumentalisierung von Kindern für Propaganda“ und „1.000.000 Stimmen und DEINE gegen die Bauernfängerei im Kinderschutz von Rechts und NPD!!!“. Die Initiator*innen möchten mit diesen Veranstaltungen User*innen die Möglichkeit bieten, sich klar gegen den rechtsextremen Missbrauch des Themas „Kinderschutz“ zu positionieren.

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