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Nius Spahn, Gotthardt und Reichelt – Wer profitiert von wem?

Profitierte Frank Gotthardt vom damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn? Konnte er so ein Vermögen durch geschickte Investments mehren, das dann wiederum in den Aufbau der rechtsalternativen Kampagnen-Plattform Nius floss? Das legt zumindest eine Recherche von Correctiv nahe. 

 
Pressestatement CDU im Bundestag, im Bild Jens Spahn, Berlin, 13.05.2025. (Quelle: picture alliance / photothek.de | Tilo Strauss)

Seit einigen Jahren ist ein neuer Player im rechtsalternativen Medien-Geflecht aktiv. Nius. Eine extrem erfolgreiche und enorm gut ausgestattete Kampagnen-Plattform, die vorgibt, journalistisch zu arbeiten. Finanziert wird das rassistische Krawall-Medium durch den IT-Millionär Frank Gotthardt. Eine Correctiv-Recherche, die am Freitag, dem 25. Juni veröffentlicht wurde, legt nahe, dass Gotthardt finanziell durch den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn profitiert haben könnte. Wird Nius also letztendlich auch durch ursprüngliche Steuergelder aufgebaut? 

Nius – zentral im rechten Kulturkampf

Nius ist ein Online-Portal mit einer rassistischen, gender- und elitenfeindlichen Ausrichtung, das im Sommer 2023 gegründet wurde. Mit emotionalisierendem Meinungsjournalismus, Talkformaten und gezielter Provokation orientiert sich Nius am US-amerikanischen Vorbild FOX News. Durch strategischen Meinungsjournalismus versucht das Medium, die Grenzen zwischen CDU und AfD aufzuweichen, etwa durch wiederholte Narrative wie: „AfD- und CDU-Wählende wollen doch im Grunde das Gleiche.“ Ausgewogene Berichterstattung sucht man hier vergeblich. Vielmehr scheint das Portal eher dazu da, den gesellschaftlichen Diskurs weiter anzuheizen und die Polarisierung in Deutschland voranzutreiben, mit dem Ziel, die Union weiter nach rechts zu drängen. 

Darin unterscheidet sich Nius dann auch von anderen Plattformen der sogenannten „alternativen Medienszene“ oder eher extrem rechten Propaganda-Outlets, die die Narrative der AfD direkt, eins zu eins, wiedergeben, mit dem Ziel die AfD noch weiter anschlussfähig in die vermeintliche Mitte der Gesellschaft zu machen. Wo andere Medien der extremen Rechten sich stets abfällig, hämisch und hasserfüllt gegen die CDU und CSU stellen, wird bei Nius stets an die Union appelliert, noch härter gegen Migration, Gender und eine vermeintlich „linke Meinungsdiktatur“ vorzugehen. 

Julian Reichelt und Jens Spahn – wie eng ist das Verhältnis?

Aushängeschild und geschäftsführender Direktor ist der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Der Spiegel legt nahe, dass Jens Spahn und Julian Reichelt ein recht enges Verhältnis hatten, zumindest in jener Zeit, als Spahn noch Gesundheitsminister und Reichelt noch Chef von Bild war. Nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs gegen Reichelt, einem Compliance-Verfahren und einem vernichtenden Artikel in der New York Times, trennte sich der Springer-Verlag von seinem wohl prominentesten Mitarbeiter. Mittlerweile hat sich Reichelt voll und ganz, so scheint es, dem rechten Kulturkampf verschrieben. 

Ideologisch scheint es tatsächlich Überschneidungen mit Spahn zu geben: Der hatte noch im April gefordert, die rechtsextreme AfD wie jede andere Partei zu behandeln. Ihm wurde das als Versuch ausgelegt, eine Normalisierung der Partei anzustreben, was er bestritten hatte. Und dennoch werfen Kritiker*innen Spahn vor, die Union für eine Koalition mit der AfD vorzubereiten. Was würde da besser passen als die Kampagnen-Plattform Nius mit ihrer enormen Reichweite? Und hier kommt dann Frank Gotthardt ins Spiel. 

Der Finanzier im Hintergrund: Frank Gotthardt

Der deutsche Unternehmer Gotthardt verfolgt erklärtermaßen das Ziel, eine „bürgerliche Gegenöffentlichkeit“ zu schaffen – also eine konservative Medienlandschaft, die sich als Gegenpol zu öffentlich-rechtlichen oder linksliberalen Medien versteht. Laut Gotthardt müsse man der Übermacht der Medien, die eher links zu verorten seien, etwas entgegensetzen. „Die neue Mitte ist ja links, insofern müssen wir rechts von der Mitte sein“, sagte Gotthardt selbst 2024. Gotthardt ist parteilos, jedoch politisch aktiv: Er ist Ehrenvorsitzender des rheinland-pfälzischen Landesverbandes im Wirtschaftsrat der CDU e.V., einem CDU-nahen Lobbyverband, der als höchst einflussreich in Wirtschaftsfragen gilt. Gotthardt hat mit seiner Firma CompuGroup Medical Milliardenumsätze eingefahren. In Wirtschaftskreisen gilt er als IT-Pionier, der es geschafft hat, das Gesundheitssystem in Teilen zu digitalisieren. Sein Unternehmen versorgt Arztpraxen, Apotheken und Labore mit Softwarelösungen. 

Investitionen in Nius sind Investitionen in den Fall der Brandmauer

Der Multi-Millionär aus der Medizinsoftware-Branche ist nun also der wesentliche Finanzier von Reichelts Kampagnen-Plattform. Nius ist organisatorisch in Gotthardts Medienfirma Vius SE & Co. KGaA eingebettet. „Die Vergangenheit kann man nicht ändern, die Zukunft kann man gestalten“. Ein Satz, den Frank Gotthardt 2024 in einem Podcast sagt und offenbar sehr ernst nimmt. 

Nius – Ein reines Zuschussgeschäft eines Millionärs

Mit Nius und all den Formaten, die daran angehängt sind, versucht er offenbar aktiv die Gesellschaft umzugestalten. Laut Correctiv habe Gotthardt dem Firmengeflecht um Nius rund 9,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt – als Reserve. Wie viel Geld er schon in das Projekt investiert hat, ist öffentlich nicht bekannt. Gegenüber der Zeit gaben Personen jedoch Personen aus dem Umfeld an, dass Gotthardt insgesamt bis zu 50 Millionen Euro für Nius eingeplant haben könnte.

Ein jüngst geleakter Datensatz zeigt, dass Nius offenbar noch immer ein reines Zuschussgeschäft für Gotthardt. Demnach verzeichnete Vius zwischen Juli 2023 und Juni 2025 nur rund 350.000 Euro Einnahmen durch Abonnements. Hingegen gab Vius im gleichen Zeitraum 1,4 Millionen Euro für politische Online-Werbung aus. Das Portal ist nach aktuellem Kenntnisstand also ein reines Zuschussgeschäft. 

Laut dem veröffentlichten Jahresabschluss für 2023 wies die VIUS SE & Co. KGaA bei einer Bilanzsumme von rund 6,4 Millionen Euro einen Fehlbetrag von 13,8 Millionen Euro aus, so Correctiv. Dieser Verlust wurde offenbar durch das von Gotthardt eingebrachte Eigenkapital gedeckt. Zumal Nius augenscheinlich recht hohe Personal- und Materialausgaben hat.

Woher kommt das Geld?

Aber woher hat der Unternehmer Gotthardt sein Vermögen, dass er nun so breitflächig in den rechten Kulturkampf fließen lässt? Hier zeigt die Correctiv-Recherche, wie Gotthards Firmen besonders unter der Politik vom damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn profitierte. „Die Parallele zwischen politischen Entscheidungen im Bundesministerium für Gesundheit und dem wirtschaftlichen Aufstieg der CompuGroup ist auffällig“ schreibt Correctiv:  

2018, im ersten Amtsjahr von Jens Spahn als Gesundheitsminister, stieg der Umsatz des Unternehmens von rund 582 Millionen Euro um etwa 23 Prozent auf rund 717 Millionen Euro. Bis 2021, zum Ende von Spahns Amtszeit, wuchs der Umsatz auf beeindruckende rund eine Milliarde Euro, der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen erreichte rund 213,4 Millionen Euro. Schaut man sich nur die Jahresabschlüsse an, verzeichnete das Unternehmen während Spahns Zeit im Amt eine Umsatzsteigerung von etwa 76 Prozent und einen entsprechenden Gewinnzuwachs von etwa 75 Prozent.

Spahn weist „eine spekulative Unterstellung über eine Nähe zu Gotthardt zurück“.

Spahn, mittlerweile Fraktionsvorsitzender der CDU, weist hingegen „eine spekulative Unterstellung über eine Nähe zu Gotthardt zurück“. Er lässt auf Correctiv-Anfrage ausrichten, dass er als Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages ab 2002 sowie als Bundesminister für Gesundheit beruflichen Kontakt mit Herrn Gotthardt hatte. Die Correctiv-Recherche führt auf, wie das persönliche Geflecht zwischen Jens Spahn und Gotthards CompuGroup Medical ist. 

Kurz vor der Bundestagswahl im Februar 2025 wurde bekannt, dass Frank Gotthardt und seine Frau mehrere Großspenden in Höhe von insgesamt rund 380.000 Euro an die CDU und die FDP verteilten.

Blick nach Österreich: Sebastian Kurz, Wirecard und Peter Thiel

Inzwischen hat sich Gotthardt aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und investiert gezielt in Medienprojekte – darunter auch in diverse Lokal-TV-Kanäle in Rheinland-Pfalz und das Portal exxpress.at aus Österreich. Die österreichische Nachrichtenseite, in die VIUS SE im Mai 2024 mit einer 25-prozentigen Beteiligung eingestiegen ist und inzwischen einen Mehrheitsanteil hält, verbreitet ähnliche Inhalte wie Nius.

Geschäftsführerin der Web eXXpress Medien Holding GmbH ist Vera Regensburger. Bis April 2022 war sie Vizekabinettschefin im Bundeskanzleramt unter Karl Nehammer (ÖVP), zuvor leitete sie den Bereich Politik und Strategie in der ÖVP-Parteizentrale unter dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz. Regensburger ist laut Firmenbuch ebenfalls Geschäftsführerin der Firma AS²K, hinter der Sebastian Kurz und der Investor Alexander Schütz stehen – letzterer hält ebenfalls Anteile am exxpress.

Schütz war Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG, bis er im Zuge der Wirecard-Affäre sein Mandat für den Aufsichtsrat im März 2021 niederlegte. Er stand in Kontakt mit Markus Braun, dem früheren Chef von Wirecard. Als die Financial Times kritisch über Wirecard berichtete, soll Schütz ihm geraten haben: „Macht diese Zeitung fertig.“ Außerdem war er geladener Zeuge im Ibiza-Untersuchungsausschuss. Seine Ehefrau, Eva Schütz, ist Gründerin und Chefredakteurin von exxpress. Die personellen Verflechtungen verdeutlichen die enge Verbindung zwischen dem österreichischen Online-Portal, Akteuren aus dem Umfeld der ÖVP und dem ehemaligen Bild-Personal, das nun bei Nius einen rechten Kulturkampf betreibt.

Spahn und Sebastian Kurz verbindet offenbar eine Freundschaft. Es scheinen Politiker vom selben Schlag. Politisch verbindet sie viel. Dabei hat Kurz etwas geschafft, was einige in der Union wohl auch anstreben, eine Koalition mit den Rechtsextremen – in Kurzs Fall eine Kanzlerschaft in einer Koalition mit der FPÖ. Nach seiner Kanzlerschaft war Kurz für den libertären Tech-Milliardär Peter Thiel tätig, bis er mit Schütz die AS²K Beteiligungs GmbH gründete.

„Hier formt sich die Post-Merz-Ära“

Inwieweit Jens Spahn in die Machenschaften von Frank Gotthardt und dessen Engagement im rechten Kulturkampf eingeweiht war, wissen wir nicht. In einer weiteren Recherche zum rechts-libertären Netzwerk um Jens Spahn zitiert Correctiv einen ehemaligen Spitzenpolitiker der CDU: „Ich glaube, da entsteht ein neues Kraftzentrum“ und „Hier formt sich die Post-Merz-Ära“.

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