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Queerfeindlichkeit im Namen Gottes Wenn Fußballstars zum Sprachrohr von Evangelikalen werden

Fußballstars wie Davie Selke oder Felix Nmecha präsentieren ihren Glauben öffentlich – etwa beim Torjubel oder auf Social-Media. Doch hinter den Kulissen verbergen sich oft Verbindungen zu queerfeindlichen evangelikalen Netzwerken.

 
Felix Nmecha betet auf dem Platz. (Quelle: picture alliance / kolbert-press | kolbert-press/Marc Niemeyer)

Borussia Dortmund-Profi Nmecha geriet in der Vergangenheit in Kritik für das Teilen und Liken von queerfeindlichen Inhalten. Im Februar 2023 teilte Nmecha einen Beitrag des amerikanischen Rechtsextremisten Matt Walsh, der sich lautstark gegen LGBTQ*- und Transrechte einsetzt. Später teilte der BVB-Star einen Beitrag, in dem die Pride-Community mit dem Teufel verglichen wird. Immer wieder finden User*innen Beiträge, die mit dem Instagram-Profil von Nmecha gelikt wurden und queerfeindliche Botschaften auf Grundlage des Glaubens rechtfertigen. Der Fall sorgte für Aufruhe im Fußball-Fanlager.

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Nmecha gefällt ein Beitrag mit der Botschaft „Du kannst nicht homosexuell sein und in den Himmel kommen“. Quelle: Screenshot @Laura_bvb1909 auf X

Trotz der eindeutigen Botschaften behauptet Nmecha später, die Beiträge seien aus dem Kontext gerissen worden, und betont, dass er als Christ alle Menschen liebe. Zwei Jahre später scheinen diese Aussagen keine große Rolle mehr zu spielen: In einem Video auf TikTok sieht man den Fußballstar bei der Klub-WM in den USA – neben ihm das frauenfeindliche Buch „Understanding the Purpose and Power of Women“ von Myles Munroe. Der Prediger und Autor diffamierte die LGBTQ*-Community als „Vergewaltigung der Bürgerrechtsbewegung“ und bezeichnete Frauen als „Rohmaterial“, das Männer wie immer sie wollen „formen“ können. Im Buch selbst geht es um die zugeschriebene Rolle der Frau gemäß der evangelikal geprägten Interpretation Gottes. So werden Frauen nicht als eigenständige, autonome Individuen beschrieben, sondern primär als „Unterstützerin“ des Mannes. Nmecha äußert sich zu diesem Vorfall nicht.

Mission im Trikot: Wenn Fußball zur Bühne für Evangelikale wird

Auffällig ist, dass Fußballstars wie Nmecha immer wieder für christliche Communitys wie „Ballers in God“ auftreten. Nmecha selbst wirkt in verschiedenen Beiträgen auf Instagram, TikTok oder sogar in Podcasts als aktiver Teil der Community mit.

Ballers in God wurde 2015 vom Ex-Profifußballer John Bostock gegründet. Die christliche Glaubensgemeinschaft hat auf Instagram inzwischen über 600.000 Follower*innen. Dort erklären sie zum Beispiel, wie man unchristliche Mitspieler gezielt missioniert: So sollen bewusst verletzte oder gestresste Mitspieler angesprochen werden, um diese vom Glauben oder sogar direkt von Ballers in God zu überzeugen – ein psychologisch-manipulatives Muster, das typisch für sektenähnliche Strukturen ist. Inzwischen sind neben Nmecha auch zwei weitere Dortmunder mit Duranville und Chukwuemeka Teil der Gruppe.

Im Sommer 2024 postete Ballers in God-Gründer Bostock ein Bild von Nmecha, in dem er ein Shirt mit der Aufschrift „I belong to Jesus“ (zu Deutsch: Ich gehöre Jesus) trägt. Bostock teilt seinen Stolz über Nmechas sportlichen Erfolg mit – beide scheinen sich nahezustehen. Später besucht Bostock gemeinsam mit dem Evangelikalen Ben Fitzgerald das Champions-League-Finale, bei dem auch Nmecha mit Borussia Dortmund teilnahm.

Evangelikale sind eine konservative Strömung im Protestantismus, die die Bibel oft wörtlich nehmen. Viele evangelikale Gruppen sind deshalb queer- und frauenfeindlich – gleichgeschlechtliche Liebe gilt nach einigen Bibelstellen als „Sünde“. Gefährlich werden sie, wenn sie ihre religiösen Überzeugungen so wie in den USA politisch durchsetzen wollen.

Ben Fitzgerald ist Leiter von „Awakening Europe“, einer Bewegung, die den Evangelismus in Europa populär machen möchte. Kritiker werfen ihm seine Verbindungen zur „Bethel Church“ und eine queerfeindliche Auslegung des Christentums vor. Fitzgerald arbeitete viele Jahre für die extremcharismatische Bethel Church. Eine evangelikale Gemeinde, die stark auf Esoterik und andere übernatürliche Erlebnisse wie Heilungen oder Prophezeiungen setzt. Diese Praktiken werden von einigen Theologen als fragwürdig oder manipulativ betrachtet.

Fußball-Missionsarbeit in Deutschland

Auch in Deutschland gibt es Projekte, die gemeinsam mit aktiven und ehemaligen Profifußballer*innen missionieren. „Fußball mit Vision“ möchte jungen Menschen in Deutschland den christlichen Glauben näherbringen. Dazu besucht der Verein Schulen, verteilt Bibeln oder tritt in Fußballvereinen auf. Zu den werbenden Gesichtern zählt Fußballprofi Sima Suso. In einem Instagram-Post erklärt er gemeinsam mit den Fußballern Davie Selke, Johannes Reichert und Eric Da Silva Moreira, was der Karfreitag ist.

Fußball mit Vision wurde 2017 vom ehemaligen Fußballprofi und Theologen Manuel Bühler gegründet. Bühler predigt für verschiedene evangelikale freikirchliche Gemeinden und Organisationen – darunter auch die Freikirche Köln.

(Quelle: Screenshot YouTube)

Außerdem startete Fußball mit Vision zur Europameisterschaft 2024 eine Kampagne mit Glaubenszeugnissen, Andachtsbüchern, Autogrammkarten und „Kickerbibeln“. Die Kampagne wurde unter anderem von der Freikirche Köln unterstützt. In der Vergangenheit hat die Freikirche Köln durch Queerfeindlichkeit auf sich aufmerksam gemacht: In einer Predigt bezeichnet Pastor André Töws Homosexualität als „Sünde“.

Ungefähr vier Jahre später kündigt Töws feierlich ein Zeugnis-Video von Sima Suso an, in dem der Fußballer von der Freikirche Köln getauft wird. Bedingung dafür sei die Mitgliedschaft Susos in der Freikirche, so Töws. Zu den regelmäßig auftretenden Predigern zählt auch der Bremer Pastor Olaf Latzel. 2019 bezeichnete er in einer Rede Teilnehmer*innen des Christopher Street Day als „Verbrecher“ und erklärte Homosexualität zur „Degenerationsform der Gesellschaft“. Später leitet die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Volksverhetzung ein. Das Verfahren wurde im August 2024 gegen eine Geldauflage von 5.000 Euro eingestellt.

Jugendfußball im Visier

Neben der Arbeit an Schulen scheinen christliche Organisationen wie Fußball mit Vision auch gezielt im Nachwuchsbereich des Sports zu missionieren. Im Unterstützer-Team von Fußball mit Vision sitzt Bernd Breitmaier. Er ist nicht nur Berater für Fußball mit Vision, sondern auch Inhaber des Sportmentoring- und Coaching-Unternehmens „MenschProfi“. Das Angebot will Leistungssportler basierend auf einem christlichen Wertekanon beraten und bei Selbstreflexion, Zeitmanagement und Druck unterstützen. Breitmaier hat das Nachwuchsleistungszentrum von Hannover 96 mit aufgebaut.

(Quelle: Screenshot Website)

 

Inzwischen mischt auch die evangelikale Organisation „Gods Power Germany“ auf Social Media mit. Dort werden ebenfalls christliche Fußballprofis in Szene gesetzt. Gründer Jakes Boakye predigt für Kirchen, die Homosexualität verachten und als „pervers“ bezeichnen. Zuletzt kollaborierte Gods Power Germany mit Nachwuchsspielern der U19 von Union Berlin.

Der Beitrag wurde inzwischen gelöscht und von Fußball mit Vision erneut hochgeladen. (Quelle: Screenshot von X)

Fußball als Sprungbrett für queerfeindlichen Glauben

Vom Lieblingsfußballspieler bis zur queerfeindlich-evangelikalen Organisation oder Freikirche, liegt nur ein schmaler Grat. Dabei dienen gerade Fußballstars als Vorbilder, zu denen meist junge Menschen aufblicken und denen sie vertrauen. Organisationen wie Ballers in God wissen das für ihre Missionierung zu nutzen.

Die Bethel Church, zu der Ballers in God enge Kontakte pflegt, legt die Taktik noch offener dar: Die Gemeinde beruft sich auf das sogenannte „Seven Mountain Mandate“ – eine theologische und strategische Lehre aus charismatischen oder pfingstlerischen Bewegungen. Die Taktik ruft Christen dazu auf, gezielt Einfluss in sieben Schlüsselbereichen der Gesellschaft auszuüben: Bildung, Religion/Kirche, Familie, Wirtschaft, Regierung, Medien, Kunst und Unterhaltung. Die beiden letzten Punkte scheinen Ziele christlicher Vorfeldorganisationen wie Ballers in God zu sein.

Fußballer*innen dürfen ihren Glauben öffentlich ausleben und präsentieren – das schreibt schon die Religionsfreiheit unseres Grundgesetzes vor. Wenn Sport jedoch als Bühne und Sprungbrett für queerfeindliches Gedankengut instrumentalisiert wird, müssen Vereine und Zuständige Konsequenzen ziehen. Gerade wenn solche Organisationen öffentlich dazu anleiten, gezielt verletzliche oder leicht beeinflussbare Menschen zu missionieren. Betroffene Vereine wie Borussia Dortmund halten sich bei dem Thema bedeckt – wirkliche Konsequenzen gab es bisher keine.

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