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Schenken statt Schweigen Weihnachten ist kein politikfreier Raum

Weihnachten ist für viele Menschen nicht nur besinnlich, sondern auch politisch aufgeladen. Wir haben für euch Ideen gesammelt, wie Schenken, Wissen und Solidarität Mut machen, für alle, die an den Feiertagen nicht schweigen wollen.

 
Zwischen Gänsebraten und Stammtischparolen: Weihnachten kann anstrengend sein. Wir möchten euch hier ein paar Anregungen für Weihnachtsgeschenke geben, die empowern, sensibilisieren und Mut machen. (Quelle: Shutterstock)

Zwischen Gänsebraten und Stammtischparolen kann Weihnachten anstrengend sein. Zwar gilt es als Fest der Nähe, der Familie und der Harmonie. Für viele Menschen ist es jedoch auch eine Zeit der Anspannung, insbesondere dann, wenn sie an den Feiertagen auf Familienmitglieder oder Freund*innen treffen, die rechte, antisemitische, verschwörungsideologische oder andere menschenfeindliche Positionen vertreten. Die Debatten sind oft altbekannt, die Gefühle ebenso: Ohnmacht, Wut, Erschöpfung.

Gerade deshalb kann Schenken politisch sein. Nicht als belehrender Zeigefinger, sondern als Einladung zum Nachdenken, als Ausdruck von Solidarität oder als Stärkung für sich selbst und andere. Bücher, Kleidung, Alltagsgegenstände oder Spenden können kleine Interventionen sein, die über die Feiertage hinaus wirken.

Empowerment statt Alleingang: Strategien für schwierige Familienbesuche

Viele Menschen fahren an Weihnachten mit gemischten Gefühlen zu ihren Familien, im Wissen, dass der gesellschaftliche Rechtsruck auch vor dem eigenen Umfeld nicht haltgemacht hat. Extrem rechte Sprüche, queer- und genderfeindliche Witze oder die Relativierung rechter Gewalt gehören für viele inzwischen zur Feiertagsrealität.

Gleichzeitig haben Gespräche im engen persönlichen Umfeld oft mehr Wirkung als Debatten mit Fremden im Netz. Wo Beziehung, gemeinsame Geschichte und gegenseitige Wertschätzung bestehen, ist die Chance größer, tatsächlich gehört zu werden. Wertschätzung bedeutet dabei keine Zustimmung, sondern schafft überhaupt erst die Grundlage für ein Gespräch. Wo Beziehung ist, kann auch Widerspruch wirken.

Ein paar stärkende Gedanken und Tipps:

Wie kannst du nun am besten auf extrem rechte Parolen in der stillen Nacht reagieren?

Du darfst Grenzen setzen. Es ist legitim zu sagen: „Darüber möchte ich heute nicht diskutieren.“ Selbstschutz ist kein Rückzug, sondern eine politische Praxis.

Wissen gibt Rückhalt. Wer sich sicherer fühlen möchte, kann sich im Vorfeld mit Argumentationshilfen wappnen, nicht um zu „gewinnen“, sondern um nicht sprachlos zu bleiben.

Verbündete suchen. Oft gibt es mehr stille Zustimmung als gedacht. Ein Blick, ein Satz, ein späteres Gespräch kann zeigen: Du bist nicht allein.

Du musst niemanden bekehren. Veränderung ist ein Prozess. Manchmal reicht es, Widerspruch sichtbar zu machen.

Empowerment heißt auch, sich selbst ernst zu nehmen: die eigenen Gefühle und auch die eigene Erschöpfung. Für viele kann auch konkrete Vorbereitung entlastend sein: Klaus-Peter Hufers Klassiker „Argumente am Stammtisch“, oft kostenlos über Landeszentralen für politische Bildung oder die Bundeszentrale für politische Bildung erhältlich, bietet sachliche Gegenargumente. Digitale Tools wie KonterBunt helfen dabei, rassistischen oder verschwörungsideologischen Parolen nicht sprachlos gegenüberzustehen.

Schenken als Zeichen: Bücher, die sensibilisieren und stärken

Wer an Weihnachten nicht diskutieren, sondern Zeichen setzen möchte, kann das auch über Geschenke tun. Bücher bieten hier die Möglichkeit, Haltung zu zeigen, ohne belehrend zu sein. Sie laden zum Nachdenken ein, unabhängig davon, ob das Gespräch am Tisch zustande kommt.

Sachbücher, autobiografische Texte und analytische Zugänge können Perspektiven öffnen, gerade dort, wo sie fehlen oder aktiv verdrängt werden. Zu den Standardwerken einer rassismus- und machtkritischen Auseinandersetzung gehören die Bücher von Mohamed Amjahid, Tupoka Ogette und Alice Hasters. Amjahid analysiert in Büchern wie „Unter Weißen“ oder „Der weiße Fleck“ strukturellen Rassismus und Privilegien in Deutschland. Während Tupoka Ogette mit „exit RACISM“ ein Grundlagenwerk vorgelegt hat, das vielen Menschen erstmals eine Sprache für rassistische Erfahrungen und Machtverhältnisse an die Hand gibt und zugleich zeigt, warum Rassismus nicht als individuelles Fehlverhalten, sondern als gesellschaftliches System verstanden werden muss. Alice Hasters verbindet in „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ persönliche Erfahrungen mit gesellschaftlicher Analyse und macht deutlich, warum Rassismus kein Randproblem, sondern Teil des Alltags ist.

Darüber hinaus eröffnen weitere Bücher wichtige Perspektiven. Rebekka Endler zeigt in „Witches, Bitches, It-Girls“, wie patriarchale Mythen bis heute wirken, Stefan Dietl analysiert in „Antisemitismus und die AfD“ die ideologischen Kontinuitäten einer Partei, die längst im parlamentarischen Alltag angekommen ist. Tahsim Durguns Debüt „Mama, bitte lern Deutsch“ ist ein kluges, berührendes und oft humorvolles Buch, das Alltagsrassismus, familiäre Nähe und gesellschaftliche Ausgrenzung miteinander verbindet. Durgun schreibt persönlich, ohne zu vereinfachen, und politisch, ohne zu belehren. Gerade für Menschen, die glauben, ‘es nicht so zu meinen’, öffnet das Buch einen Zugang, der lange nachwirkt.

Auch popkulturelle und mediale Dimensionen von Menschenfeindlichkeit stehen im Fokus: Maria Kanitz und Lukas Geck zeigen in „Lauter Hass“, wie Antisemitismus als popkulturelles Erlebnis inszeniert wird. In „Judenhass Underground“ analysieren Stefan Lauer und Nicholas Potter antisemitische Codes, Verschwörungsmythen und Radikalisierungsdynamiken in Subkulturen. Michael Kraske und Dirk Laabs zeichnen in „Angriff auf Deutschland“ die schleichende Normalisierung der AfD nach. Ebenfalls lesenswert ist „Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich: Rassismus im Rechtssystem“ von Ronen Steinke, das zeigt, wie Ungleichheit und Diskriminierung sich direkt im Rechtssystem verankern und Wirkung entfalten.

Anne Rabe setzt sich in „Das M-Wort“ mit ostdeutschen Erinnerungskämpfen auseinander, Marina Chernivsky beschreibt in „Bruchzeiten“ das Leben nach dem 7. Oktober aus jüdischen Perspektiven. Fragen von Gedenken und Erinnerung verhandelt Susanne Siegert in „Gedenken neu denken“, während Gamze Kubaşık, Semiya Şimşek und Christine Werner in „Unser Schmerz ist unsere Kraft“ die Perspektiven der Betroffenen rechter Gewalt in den Mittelpunkt stellen. Ergänzt werden diese Stimmen durch Sara Klatts literarische Annäherung „Das Land, das ich dir zeigen will“ sowie Jan Zappners „Mischpoche – Being Jewish, however“, das jüdisches Leben jenseits eindimensionaler Zuschreibungen sichtbar macht.

Neben Büchern kann auch Kleidung Haltung zeigen. Shirts von FALAFEL Humanity oder Sea-Watch verbinden klare Botschaften mit Solidarität, ebenso wie der Regenschirm von Omas gegen Rechts, der im Alltag sichtbar Position bezieht. 

Auch Kosmetik- und Alltagsprodukte können politisch sein: So etwa Statement-Seifen von Antje & the soaps mit klaren Aussagen. Oder Activism Shower von i+m zugunsten der Amadeu Antonio Stiftung. Wie wäre es mit Keksausstechern mit Botschaften wie „AfD-Verbot jetzt“ oder Sea-Watch-Logos? So kommt politische Haltung auf den Keksteller.  

Spenden statt Schweigen

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Denn Weihnachten ist kein politikfreier Raum. Ob am Esstisch, beim Schenken oder im Gespräch danach: Die Feiertage sind Teil unserer gesellschaftlichen Realität. Haltung zu zeigen bedeutet nicht, jede Harmonie zu zerstören, sondern sichtbar zu machen, dass Menschenwürde, Solidarität und Demokratie nicht verhandelbar sind.

Und manchmal beginnt das ganz leise: mit einem Buch, einem Geschenk, einem Satz oder mit dem Wissen, nicht allein zu sein.

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