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Alternative für Deutschland Das angebliche Sprachrohr der Frustrierten

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Facebook-Seite der "Alternative für Deutschland" (Quelle: Screenshot)

Vor gut zwei Monaten war die neue Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) kaum jemandem ein Begriff. In relativ kurzer Zeit hat sie es nun geschafft, das Medieninteresse auf sich zu ziehen, ihre prominenten Mitglieder sind in zahlreichen politischen TV-Talks zu Gast. Bemerkenswert für eine Partei, bei der man außer der populistischen Forderung „Raus aus dem Euro“ kaum weiß, wofür sie eigentlich steht. Klar ist, dass die Gruppierung, die am Wochenende ihren Gründungsparteitag in Berlin abhielt, Zuspruch aus unterschiedlichsten Richtungen erhält. Das beschreibt Patrick Gensing auf tagesschau.de:

„Hinter der AfD versammelt sich ein heterogenes Milieu; es ist bürgerlich geprägt – einigen ist die FDP nicht wirtschaftsliberal genug, vielen ist Schwarz-Gelb zu unkritisch gegen den Euro, einige argumentieren nationalistisch gegen die EU, die meisten fühlen sich nicht verstanden von den „Blockparteien“. Solche und ähnliche Kampfbegriffe sind oft auf den AfD-Seiten zu finden. Die Partei vereint eine Art deutsche Tea Party hinter sich – mit klaren Feindbildern: die „Politische Korrektheit“ und das „EU-Regime“.“

NPD: Wir sind das Original

Beifall erhält die AfD – trotz ihrer Beteuerungen, keine Ideologie zu vertreten – aus dem rechtsextremen Lager. So schreibt NPD-Pressesprecher Frank Franz auf seiner Facebook-Seite, der AfD komme eine „eine lobenswerte Eisbrecher- und Türöffner-Funktion“ zu. Franz: „Sie verfügt – nicht zuletzt durch ihre angesehene Professoren-Riege – über den Medienzugang, den die NPD noch nicht hat.“ Parteigründer Bernd Lucke schlage große Löcher in die bisherige Schweigemauer, die um die nationalen Euro-Kritiker errichtet worden sei. Und weiter: „Er macht Positionen massenmedial salonfähig, die die NPD als authentische Anti-Euro-Partei schon immer vertreten hat.“ Daher verfolge die NPD die wohlwollende Berichterstattung über die „Alternative für Deutschland“ ebenfalls wohlwollend, wertet Franz.

Screenshot der AfD-Facebook-Seite

Der Applaus von dieser Seite ist der AfD, offiziell zumindest, nicht recht: Ehemalige NPD-Mitglieder nehme man nicht auf, betont Parteigründer Lucke auf Nachfrage, ehemalige Mitglieder der Republikaner würden einzeln überprüft. Auf der anderen Seite aber bedient die AfD zumindest punktuell entsprechendes Klientel. So war auf der Facebook-Seite der neuen Partei der Slogan „Klassische Bildung statt Multikulti-Umerziehung“ zu lesen. Das Echo darauf zeigte sich geteilt: Ein Teil der Sympathisanten distanzierte sich nach diesem Posting sofort, andere verbreiteten in den Kommentaren unter dem Slogan-Bild Positionen, die auch auf der NPD-Seite nicht verwundert hätten. Mittlerweile wurde die Forderung geändert, der Slogan heißt nun „Bildung statt Ideologie“. Kein Wunder, dass etwa Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen forderte, die AfD müsse „ihr Verhältnis zum Rechtspopulismus klären“.

Man wird doch wohl noch sagen dürfen …

Nicht nur das Facebook-Beispiel macht stutzig – auch die Äußerungen einiger AfD-Mitglieder lassen aufhorchen: So fragte etwa Heidrun Jakobs, stellvertretende Vorsitzende des AfD-Landesverbands Rheinland-Pfalz zur Kritik des Simon-Wiesenthal-Centers an dem Verleger Jakob Augstein auf Facebook: „Sind das die Anfänge eines jüdischen Nationalsozialismus?“ Immer wieder werden in den Kommentaren rechtsextreme Positionen vertreten. Dagegen ließe sich einwenden, dass die AfD nicht beeinflussen kann, wer auf ihrer Seite kommentiert. Anscheinend zieht die Partei allerdings ein entsprechendes Klientel an – so „bestellt“ etwa die Dortmunder Ortsgruppe der islamfeindlichen Identitären etwa Aufkleber der neuen Partei.

Screenshot der Facebook-Seite von Heidrun Jakobs

Das Label als neue „Protest-Partei“ ebnet hier den Weg: Nicht nur auf Facebook, sondern auch in Wikis und Bewerbungsschreiben bietet die AfD rechtsextremen Argumenten ein Forum. Das ist das Problem – das sich nicht zuletzt auch beim Gründungsparteitag in Berlin zeigte. Hier war in den Pausen immer wieder zu hören, dass man „in Deutschland nicht mehr seine Meinung sagen“ dürfe. Andere wettern gegen die Homo-Ehe, wie „Zeit Online“ berichtet: „Die Homo-Ehe, sagt ein anderer, sei ein Verrat an der Demokratie. Denn wer vertrete denn noch die schweigende Mehrheit, die so etwas für unnatürlich halte?“ All dies unter der Überschrift „Man wird doch wohl noch sagen dürfen, dass“ – diese Einleitung kennt man aus rechtspopulistischen und rechtsextremen Diskussionen zu genüge.

Wie ist das Potenzial?

Tatsächlich geriert sich die AfD als Sprachrohr einer angeblich schweigenden Mehrheit – und natürlich ist Kritik am Euro, der europäischen Finanzpolitik oder der Europäischen Union als solcher nicht per se als rechts einzuordnen. Das Problem sind aber die Argumentationsmuster der AfD: Da ist von „Parteienkartellen“, „Gängelung durch ‚political correctness'“ und „undemokratischen Zuständen in Brüssel und Berlin“ die Rede. Komplexe politische Prozesse werden mit simplen Schlagworten belegt – und eine nicht minder einfache Lösung angeboten: „Raus aus dem Euro“.

Mit diesen Botschaften schafft sich die AfD aus Sicht von Demoskopen und Parteienforschern durchaus ein Potenzial für die im September anstehenden Bundestagswahlen: Etwa ein Viertel der Deutschen können sich laut einer aktuellen Umfrage vorstellen, die neue Partei zu wählen. Angesichts dieses potenziellen Reservoirs verwundert es nicht, dass viele Politikerinnen und Politiker vor der AfD warnen. So erklärte etwa Linken-Chef Bernd Riexinger gegenüber der „Welt„: „Das ist die derzeit gefährlichste Partei am rechten Rand.“ Die AfD sei eine Vereinigung von gut besoldeten Professoren, die nicht nur den Euro abschaffen wolle sondern auch den Sozialstaat. Michael Grosse-Brömer, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, warf der AfD Rückwärtsgewandtheit vor. „Die Forderung nach einem Zurück zur D-Mark ist gefährliche Nostalgie“, sagte Grosse-Brömer der „Rheinischen Post“.

Merkwürdiges Demokratieverständnis

Es wird sich zeigen, ob die AfD die Euphorie direkt nach ihrer offiziellen Gründung beibehalten wird und wie lange sie ein geschlossenes Bild beibehalten kann – beides Faktoren, die die Attraktivität für mögliche Wählerinnen und Wähler direkt beeinflusst. Derzeit liegt die neue Partei laut Umfragen gleichauf mit den Piraten und hat mittlerweile etwa 7.500 Mitglieder, viele von ihnen waren vorher bei CDU/CSU oder der FDP.

Noch wird der Start von viel Chaos begleitet, was etwa der Parteitag in Berlin deutlich machte: Mehrmals musste die Satzung neu beschlossen werden, weil die Enthaltungen anfangs nicht gezählt wurden, ein Durcheinander gab es auch bei der Wahl der Kandidatinnen und Kandidaten. Ein ganz eigenes Demokratieverständnis zeigte die Abstimmung über das Parteiprogramm: Frontmann Bernd Lucke erklärte dazu, die Mitglieder sollten doch erst zustimmen und dann darüber diskutieren, damit die AfD nicht von den anderen Parteien als zerstritten dargestellt würde. Dem stimmten die Mitglieder ebenso begeistert zu wie dem Antrag, dass Änderungen im Parteiprogramm nur noch mit Dreiviertelmehrheit beschlossen werden können – obwohl vorher erregt über das derzeitige Demokratiedefizit diskutiert worden war.

Mehr Infos bei Publikative.org:

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