Seit Wochen hat die Identitäre Bewegung (IB) für ihre Sommer-Demo nach Wien mobilisiert: Die Posterboys und -girls der Gruppe warben, Rechtsextremisten aus dem Ausland riefen zur Teilnahme auf. Am Ende erscheinen am 26. Juli, dem vergangenen Samstag, aber höchstens 500 Teilnehmende. Rechtsextreme aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich und auch Österreich grölen „Wien ist unsere Stadt”, skandieren Abschiebefantasien und feiern Menschenfeindlichkeit. Von einer herkömmlichen Neonazi-Demo unterschied sich die selbst erklärte „neurechte” Elite nur in Oberflächlichkeiten.
Groß- und Klein-Kubitschek
Am Tag vor der Demonstration trifft sich der Kern der IB in einem Keller im Wiener Stadtteil Margareten. Berichten zufolge erscheinen mehrere Rechtsextreme mit Sporttaschen. Schon im vergangenen Jahr fand am Tag vor der Demo ein Boxkampf in dem Keller statt, der sich im Besitz der IB befinden soll.
Ehrengast an diesem Tag: Der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek. Dessen Sohn Wieland lebt inzwischen in Wien und ist offenbar zu einer Führungsfigur der dortigen IB aufgestiegen. Im November 2023 war Kubitschek junior gemeinsam mit seinem Vater in Wien und schlug mit einer Glasflasche einen Kameraden nieder; offenbar weil er ihn für einen Antifaschisten gehalten hatte.
Zur Veranstaltung am Vorabend der Demo kommen etwa 100 IB-Anhänger, überwiegend aus Deutschland und Österreich sowie eine Gruppe aus Frankreich. Vor Ort waren unter Anderem der AfD-nahe Influencer Dennis Braun („Arminius”) sowie die FPÖ-Mitarbeiter Matthias Ohm und Gernot Schmidt.
Internationale Neonazis
Am Samstag startet die Demonstration am Wiener Dr.-Karl-Lueger-Platz, benannt nach dem ehemaligen Wiener Bürgermeister und bekennenden Antisemiten Karl Lueger (1844 – 1910). Unter den aus dem Ausland angereisten Rechtsextremisten sind, neben Deutschen, vor allem Schweizer stark vertreten, darunter die Neonazi-Truppe „Junge Tat”. Auch je ein Redner aus den Niederlanden und Slowenien sind zugegen.
Manuel Corchia (Junge Tat) klagt in seiner Rede, dass sich auch in der Schweiz „der Bevölkerungsaustausch in schwerster Härte“ zeige. „Remigration“, führt er weiter aus, sei „nicht nur eine oberflächliche Behandlung unserer Probleme, sondern die fundamentale Lösung“. Mit der Rede vom „Bevölkerungsaustausch“ verweist er auf die rechtsextreme Verschwörungstheorie, dass angeblich finstere Eliten die ansässige Bevölkerung durch Migration austauschen wollen würden
IB-Anwalt brüllt IB-Slogans
Auch Andrea Ballarati, Organisator der „Remigrations-Komferenz” am 17. Mai in Mailand, hielt eine Rede. Der 23-Jährige war Mitglied der Jugendorganisation der Partei Fratelli d’Italia, die er 2022 verließ, um die Gruppe „Azione Cultura Tradizione” zu gründen, eine Art italienischer Ableger der Identitären Bewegung.
Als der Italiener die Menge dazu anheizt „Save Our Nation – Remigration” zu skandieren, brüllt auch ein AfD-Vertreter mit: Gerhard Vierfuß, Rechtsanwalt der IB Deutschland. Der Jurist steht mit einem Phalanx-Shirt mitten in der Menge, als er in den rassistischen Chor mit einstimmt.
Bürgerkriegsfantasien und Hitlergruß
Ein deutschsprachiger IB-Vertreter wird in seiner Rede besonders deutlich: „Das Recht hat der Politik zu folgen“, fordert er. Auf die Absage an den Rechtsstaat folgen kaum verhohlene Aufstandsfantasien: „Sie sagen Remigration führt zum Bürgerkrieg, wir sagen: Remigration verhindert einen Bürgerkrieg“.
Nicht nur die Reden und Sprechchöre erinnern stark an klassische Neonazi-Demos: Mindestens ein Teilnehmer hat eine Schwarze Sonne tätowiert, mehrere haben mutmaßlich verbotene Körperbemalung abgeklebt. Ein Teilnehmer zeigt den in Deutschland und Österreich strafbaren Kühnengruß. Ein augenscheinlich betrunkener Demo-Teilnehmer reckt den rechten Arm augenscheinlich zum Hitlergruß.
Die Teilnehmer des Aufmarsches bestehen nur zum Teil aus IB-Mitgliedern: Auch Wiener Neonazi-Gruppen wie die „Tanzbrigade” schließen sich an, zudem folgen einige ältere Anhänger des österreichischen Querdenken-Ablegers „Fairdenken” dem Aufruf. „Bei der Demo war fast das ganze militante Neonazi-Milieu versammelt”, schreibt der Wiener Journalist Markus Sulzbacher.
Bei der Demo war fast das ganze militante Neonazi-Milieu versammelt. Von ehemaligen NPD/ANR-Leuten über ex-VAPO bis hin zu Tanzbrigade & Division Wien (Video) . Dazu noch Faschisten & Neonazis aus halb Europa. (2/2) pic.twitter.com/Q8cFWDc622
— Markus Sulzbacher (@msulzbacher) July 27, 2025
Polizei bestenfalls überfordert
Mehrfach wird der Aufmarsch von Antifaschist*innen blockiert, die Route muss geändert werden. Die Wiener Polizei ist davon heillos überfordert. Schon nach der ersten geräumten Straßenblockade drängt sie Journalist*innen von der IB-Demo weg. Der Belltower-News-Reporter konnte an dieser Stelle nur deshalb weiterarbeiten, weil die Wiener Beamt*innen keine geschlossene Polizeikette bilden konnten.
Während die Polizei sich auf das Abdrängen der Presse konzentriert, zünden die IB-Anhänger Pyrotechnik auf dem symbolträchtigen Stephansplatz. Auch als die Rechtsextremen später „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus” in den Wiener Gassen skandieren, schreitet die Polizei nicht ein.
Vermeintliche Krieger mit Regenschirmen
Von Beginn an bemühen sich IB-Mitglieder, augenscheinlich jüngere Anwärter, die Demonstration „abzuschirmen”, was konkret bedeutete: Journalist*innen werden Regenschirme direkt vor die Kamera oder auch von hinten vors Gesicht gehalten. An keiner Stelle schreitet die Polizei ein, teilweise verteidigen Beamte die Belästigungen sogar auf Nachfrage.
Währenddessen zeigt die Wiener Zivilgesellschaft Haltung: Tausende Gegendemonstrant*innen sind in der Stadt, mehrfach werden die Identitären blockiert. Kurz vor Ende des Aufzugs werden die Neonazis mit Eiern und in Papier eingewickelten Pferdeäpfeln beworfen.
Trotz der mühevollen Inszenierung mit Bannern, buntem Rauch und lautem Gebrüll zeigt die Demonstration in Wien vor allem eins: Auf der Straße bleibt die IB der Scheinriese, der sie immer gewesen ist. Den Einfluss der überschaubaren Truppe sollte man dennoch nicht unterschätzen: Das identitäre Filmkunstkollektiv, dass auch die Demo am Samstag filmte, ist inzwischen in die Medienarbeit der AfD eingebunden, zahlreiche Kader sind inzwischen Mitarbeiter von AfD oder FPÖ. Die hasserfüllten Abschiebefantasien haben es längst in die Parlamente geschafft.


