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Video Wieder Antisemitismus mitten in Berlin

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Der Mann, der den jüdischen Restaurantbesitzer Yorai Feinberg antisemitsch angefeindet hat. (Quelle: Screenshot, Facebook)

Der sogenannte „importierte Antisemitismus“ ist ein großes Problem, über das Juden und Jüdinnen zurecht besorgt sind. Erst vor wenigen Tagen stellte das Netzwerk zur Erforschung und Bekämpfung von Antisemitismus (NEBA) auf seiner Konferenz eine Studie zu diesem Thema vor. Aber schon hier warnten die Expert_innen: Migrantischer Antisemitismus fällt in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Judenhass findet sich in allen gesellschaftlichen  Bereichen in Deutschland, ganz ohne „Import“.

Einen weiteren Beweis dafür liefert ein Video, dass am Dienstag (19.12.2017) aufgenommen wurde. Yorai Feinberg steht vor seinem Restaurant in Berlin-Schöneberg und trinkt mit seiner Freundin Kamila Thomas, die ein benachbartes Steakhaus führt, Kaffee. Das „Feinberg’s“ ist ein israelisches Restaurant. An der Scheibe und im Restaurant hängen gut sichtbar Davidsterne. Auch eine Menora ist zu sehen.

Plötzlich taucht ein Mann auf. Winterjacke mit Fellkragen, 60 Jahre alt, ursprünglich aus Thüringen, mittlerweile in Berlin lebend. Schaut man sich das Video an (Warnung: Es enthält schockierend diskriminierende Sprache) kann man ihn dabei erleben, wie er unbekümmert alle erdenklichen antisemtischen Klischees abspult.

Beginnend mit dem Konflikt zwischen Israel und Palästina, erklärt er, dass „Palästina“ kein Ort für Juden und Israelis sei, seit 70 Jahren würde Israel einen Krieg gegen Palästinenser führen. In Berlin dürfe man kein israelisches Restaurant eröffnen. Als Feinberg ihn fragt, warum er ihn überhaupt angreift, antwortet der Mann: „Weil du hier bist! Du bist in meinem Land.“ Israelis oder Juden – einen Unterschied macht er nicht – seien Gäste im Land der Palästinenser, genauso wie sie lediglich Gäste in Deutschland sein könnten. Später wird er noch deutlicher: „Das hier ist meine Heimat. Du hast keine Heimat.“

Ob bewusst oder unbewusst lässt sich aus dem Video nicht erkennen – der Mann reproduziert damit aber eine der ältesten antisemitischen Verschwörungstheorien Europas: Laut einer Volkssage aus dem 13. Jahrhundert soll ein Mann Jesus auf dem Kreuzweg verspottet haben. Daraufhin wurde die Person von Jesus dazu verflucht, heimatlos durch die Welt zu wandern. 1602 erschien in Leiden dann das „Volksbuch vom ewigen Juden“ und eine weitere christlich motivierte, judenfeindliche Verschwörungsideologie wurde geboren. Über die Jahrhunderte wiederholte sich die Geschichte in unterschiedlichen antisemitischen Diskursen. 1844 schrieb der Philosop Constantin Franz in einem Aufsatz: „Das jüdische Volk selbst ist der ewige Jude. Es hat den Heiland von sich gewiesen, und so ist es über die ganze Erde zerstreut, und findet nirgends Ruhe (…)“.  Diese „Legende“ ging auch in die NS-Propaganda ein. Heinrich Himmler sprach in einer Rede vom „ewigen Juden“ als „Führer der mörderischen Untermenschen“. Das NS-Regime veröffentlichte 1940 den antisemitischen Propagandafilm „Der ewige Jude„.

Der Mann aus dem Video will genauso, dass Feinberg aus Deutschland verschwindet: „Geh doch weg von hier!“, wiederholt er immer wieder. Und „Du kriegst noch deine Rechnung! In zehn Jahren lebst du nicht mehr“. Feinberg dürfe  auch kein Restaurant eröffnen, jedenfalls nicht so „brutal“, wie der Mann behauptet – möglicherweise mit Blick auf das Nationalsymbol Israels, den Davidstern, im Schaufenster. Offenbar ist das bloße Zeigen dieses Symbols für den Mann bereits eine riesige Provokation. „Diese Scheiße geht nicht, hier“, sagt er und zeigt auf die kleine Menora.

„Bei euch geht’s nur um Geld“, fährt er fort. Auch hier wieder ein uraltes antisemitisches Vorurteil. Die Bundeszentrale für politische Bildung erläutert, wie dieses Vorurteil entstanden ist:

Ab dem 13. Jahrhundert wurde Juden und Jüdinnen „die Zulassung zu den sich als christliche Bruderschaften verstehenden Zünften versperrt. Dies zwang die Juden zu einer ökonomischen Spezialisierung auf Handel und Geldleihe, die den Christen aus religiösen Gründen verboten war. Als Finanziers der Feudalherren und der Städte sowie als Großkaufleute galten sie als „reiche Wucherer“, was sie zu einer lohnenden Beute in politischen Konflikten und zum Ziel von Übergriffen vor allem seitens ihrer Schuldner machte. Mit der Lockerung des kirchlichen Zinsverbots (das heißt, für die Bereitstellung von Kapital Zinsen zu nehmen) wurden Juden durch ihre christlichen Konkurrenten auf die Geldleihe für die ärmeren Schichten und die Hehlerei abgedrängt und damit zu verarmten Außenseitern. Auch wenn also keineswegs alle Juden zur reichen Schicht der Finanziers gehörten und die Juden später überwiegend eine verarmte Gruppe darstellten, blieb das Bild des „reichen Juden“ als Stereotyp haften. Die berufliche Spezialisierung hielt sich teilweise bis ins 20. Jahrhundert hinein, sodass sich das Vorurteil festigte, das die Juden mit Geld(-gier), Kapitalismus und Ausbeutung verband. Man sprach Ende des 19. Jahrhunderts von der „Goldenen Internationale“ und verknüpfte dabei die Vorstellung einer großen Finanzmacht der Juden mit dem altbekannten Vorwurf, sie hätten sich gegen die Christen verschworen und strebten die Weltherrschaft an.“

Im Video macht der Mann immer weiter: „Warum bist du hier? Euch lieben wir nicht.“ In dem Moment bemerkt Feinberg ein vorbeifahrendes Polizeiauto und macht die Beamten auf sich aufmerksam. An dieser Stelle zeigt sich Bemerkenswertes. Der Mann ist sich offenbar sehr sicher. Während Feinberg etwas weiter weg die Polizisten auf den Vorfall aufmerksam macht, bleibt der Antisemit einfach stehen und wartet, leise vor sich hin redend, seelenruhig ab. Antisemitismus ist in Deutschland offenbar nichts mehr, wofür man sich schämen muss.

Immerhin reagiert sie Polizei tatsächlich. Das Video bricht ab, nachdem die Beamten dazustoßen. Dem Mann wird ein Platzverweis erteilt. Dann wird es noch einmal schlimmer, so der Bericht der Bild-Zeitung. „Du bist eine Judensau! Die Juden lügen!“ wird gebrüllt. Die Polizisten bringen ihn schließlich zu viert zu Boden. Auf der Wache wird ihm Blut abgenommen, da er offenbar angetrunken war. Jetzt wird unter anderem wegen Volksverhetzung und Beleidigung gegen den 60-Jährigen ermittelt.

Sehr viel an dieser Geschichte ist deprimierend, aber am schlimmsten mag die, trotzdem verständliche, Reaktion von  Yorai Feinberg sein. Er sagte der Bild-Zeitung: „Tatsächlich stelle ich mir oft die Frage, die mir der Mann gestellt hat. Was mache ich hier eigentlich? Ich fühle mich unwohl hier. Ich denke oft über meine Existenz nach und überlege, aus Europa wegzugehen. Aber wohin?“

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