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Diskriminierung in Deutschland Immer noch ein riesiges Thema

Seit 2006 existiert die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Alle vier Jahre legt sie einen Bericht über den aktuellen Stand von Diskriminierung in Deutschland vor. Am Donnerstag wurde der dritte Bericht vorgestellt. Im abgedeckten Zeitraum wurden insgesamt 9.099 Beratungen durchgeführt, bei 41 Prozent davon ging es um Diskriminierungen im Bezug auf den Arbeitsmarkt.

 
Die Vorstellung des dritten Berichts zur Diskriminierung in Deutschland. Von links nach rechts: Prof. Dr. Martin Brussig (Institut Arbeit und Qualifikation), Christine Lüders (Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes), Verena Bentele (Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen), Staatsministerin Aydan Özoğuz (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration).

Laut repräsentativer Umfragen, die für den Bericht durchgeführt wurden, berichten 31,4 Prozent der Bevölkerung von diskriminierenden Erfahrungen. In dieser Zahl sind dabei nur die Diskriminierungen erfasst, die vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) abgedeckt werden. Zählt man andere Gründe, zum Beispiel soziale Herkunft oder Erscheinungsbild dazu, steigt die Zahl auf 35,6 Prozent. Also mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung sind betroffen. 14,8 Prozent werden aufgrund ihres Alters diskriminiert, jeweils etwa 10 Prozent wegen des Geschlechts, der Religion, der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung. 2,4 Prozent berichten von Diskriminierungserfahrungen wegen ihrer sexuellen Orientierung.

Die Erfahrungen sind dabei natürlich unterschiedlich. In Bereichen wie dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt, der Bildung oder bei Versicherungen handelt es sich meist um verwehrten Zugang oder geringeren Chancen durch den “falschen Namen” oder das “falsche Aussehen”. Aber auch um mangelnde Barrierefreiheit in allen Bereichen. Im Privatleben oder in der Öffentlichkeit hat man es mit Beleidigungen, Anfeindungen oder Übergriffen zu tun. „Diskriminierung nach Augenschein“ bleibt dabei ein Problem. Nichtdeutsch wahrgenommenen Personen wird Zutritt oder Einlass verweigert oder sie werden verstärkt kontrolliert. Bei beinahe einem Viertel der Erfahrungen auf der Straße geht es um körperliche Übergriffe, genau wie bei einem Fünftel in öffentlichen Verkehrsmitteln. Gründe dafür sind Rassismus, aber auch oft Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität. Besonders Trans*-Personen sind davon betroffen.

Auch auf dem Wohnungsmarkt wird diskriminiert. Menschen mit nichtdeutschen Namen, die sich für eine Wohnung bewerben, wird oft nichtmal geantwortet, geschweige denn dass sie zu einer Besichtigung eingeladen werden. In Wohnungsanzeigen werden bestimmte Gruppen, vor allem Geflüchtete, von vornherein ausgeschlossen. Ähnlich sieht es im Bildungsbereich aus. 90 Prozent der nichtstaatlichen Diskriminierungsstellen haben in diesem Bereich Anfragen erhalten. Auch hier werden Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, einer Behinderung oder ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert.

Wie tief diese strukturellen Probleme reichen, zeigt sich auch daran, wie Betroffene mit Diskriminierung umgehen. 40 Prozent der Befragten unternehmen nichts, wenn sie Diskriminierungen erfahren. Nur 27 Prozent machen öffentlich darauf aufmerksam, 17 Prozent beschweren sich und nur 6 Prozent leiten juristische Schritte ein. Die Gründe dafür sind vielfältig. Fast 60 Prozent der Befragten glauben, dass es nichts gebracht hätte, sich zu beschweren. Jeweils 30 Prozent sagten, dass sie nicht wussten, was zu tun sei, dass sie Angst vor negativen Folgen hatten oder nicht die Kraft hatten, sich damit auseinanderzusetzen. Aber auch wenn Menschen versuchen, etwas gegen Diskriminierung zu unternehmen, bleibt das oft erfolglos. 55 Prozent der Befragten beschreiben, dass es nach einer Beschwerde keinerlei Konsequenz gab und 25 Prozent sagen, dass sie die Diskriminierung nochmal genauso erlebt haben.

Im Rahmen des Berichts wurde auch eine großangelegte Studie in der Agentur für Arbeit durchgeführt, die mehrere wichtige Punkte aufzeigt: Menschen die aus unterschiedlichen Gründen schwerer zu vermitteln sind, bleiben dabei schneller außen vor. Viele Betroffene wissen nicht, dass sie sich beschweren können. Allerdings ist auch bereits das Beschwerdesystem an sich problematisch, da es keine unabhängige Stelle gibt, sondern Beschwerden in der Agentur geprüft werden. Innerhalb der Agentur herrscht eine starke Fluktuation. Während der letzten acht Jahre hat sich die Besetzung der Arbeitsagentur zweimal mehr oder weniger komplett erneuert. Dadurch ist es für die Agentur schwierig, nachhaltig und längerfristig Antidiskriminierungsmaßnahmen zu etablieren.

Mit dem aktuellen Bericht im Blick regt die Antidiskriminierungsstelle mehrere Maßnahmen an: Der Zugang zum Diskriminierungsschutz muss verbessert und Ausnahmeregelungen müssen bereinigt werden, im staatlichen Handeln muss Diskriminierungsschutz stärker verankert werden, Barrierefreiheit muss genauso wie das Bewusstsein für Beratungsmöglichkeiten verstärkt werden. Außerdem wird gefordert, die Diskriminierungsforschung stärker auszubauen.  

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