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Neue Studie Blick ins Online-Ökosystem des Hasses auf kleinen Plattformen

Das Institute for Strategic Dialogue (ISD) veröffentlicht eine neue Studie: „Das Online-Ökosystem rechtsextremer Akteure“. Die Autor*innen haben dafür nicht auf die großen Sozialen Netzwerke, sondern auf die bei Rechtsextremen beliebten Ausweich-Netzwerke geschaut, um herauszufinden: Welche Aktivitäten dominieren dort? Und wie wirkt Deplatforming auf die Netzwerke, die die Gesperrten aufnehmen?

 
Julia Ebner und Jan Rau bei der Vorstellung der neuen Studie des "Institute for Strategic Dialogue" in Berlin. (Quelle: SR)

Forschung und Monitoring von zivilgesellschaftlichen Organisationen beschäftigen sich in der Regel mit Rechtsextremismus und Hate Speech auf großen Sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder YouTube – denn hier ist ein Kontakt zur breiten Öffentlichkeit gegeben und damit eine Beeinflussung der gesellschaftlichen Diskurse zu befürchten. Das Institute for Strategic Dialogue (ISD) hat für seine Studie „Das Online-Ökosystem rechtsextremer Akteure“ im Auftrag der Robert Bosch Stiftung und in Kooperation mit „Das Nettz“ einen anderen Ansatz gewählt: Sie haben sich mit den Plattformen auseinandergesetzt, die zwar nicht von Rechtsextremen entworfen wurden, aber von Rechtsextremen genutzt oder gar gekapert werden. Zu den gern genutzten Alternativ-Plattformen gehören vor allem „ultralibertäre“ Plattformen – also die, die Meinungsfreiheit als absolut und ohne Minderheitenschutz verstehen. Konkret ging es in der Untersuchung um 8chan, Telegram, Minds, Voat, Gab und Bitchute. Als „gekaperte“ Plattformen – also solche, die für anderes entworfen wurden, aber auch bei Rechtsextremen beliebt sind, kommen 4chan, Reddit, VK und Discord in der Studie vor.

Fragestellungen

Das ISD-Forschungsteam – Jakob Guhl, Julia Ebner und Jan Rau – hat sich dabei für verschiedene Fragestellungen interessiert: Wie groß sind die rechts-alternativen Communitys in den Netzwerken? Warum gehen Menschen auf diese Plattformen? Welche Themen werden dort diskutiert? Wie viel Einfluss haben Gruppen in den Alternativ-Netzwerken im Vergleich zu den Mainstream-Plattformen?

Dabei wurden auf allen Plattformen insgesamt 379 deutsche rechtsextreme und rechtspopulistische Kanäle identifiziert und untersucht, darunter 129 Kanäle bei Telegram, 115 Gruppen bei VK, 79 Kanäle bei Bitchute, 38 Kanäle bei Gab, 8 Gruppen bei Reddit, 5 Communitys bei Minds und 5 Communitys bei Voat.

Von den 379 beobachteten Gruppen und Kanälen waren 104 vor allem islam- und muslimfeindlich, 92 feierten den Nationalsozialismus, 35 gehörten zur “Identitären Bewegung” und ethnonationalistischen Gruppen – und 117 boten eine Mischung der Inhalte an.

Die Ergebnisse der Studie belegen mit verschiedenen Methoden Erkenntnisse, die auch qualitiative Untersuchungen (vgl. Monitoringbericht „Alternative Wirklichkeiten“) bereits beschrieben haben. Etwa, dass auf alternativen Plattformen die Kanäle selbst kleiner sind als auf Mainstream-Plattformen, also weniger Aktivist*innen und weniger Reichweite haben, dafür aber die Diskussionen radikalisiert sind – auch wegen der fehlenden Moderation oder Kontrolle – und die Alternativ-Plattformen bisweilen genutzt werden, um digitale und verbale Angriffe auf den großen Netzwerken zu koordinieren. Dies war etwa auf Discord der Fall (vgl. BTN).

Nutzerbefragungen

Um herauszufinden, warum Nutzer*innen auf Alternativ-Plattformen wechseln, wurden auf Gab, 4chan und Discord Nutzerbefragungen durchgeführt. Zusammengefasst sind die Ergebnisse wenig verblüffend: Der absolute Meinungsfreiheits-”Free Speech”-Gedanke wird am meisten genannt (54% auf Gab etwa), dann folgt der Wunsch, ungestört Hass gegen politische Gegner*innen, vor allem Linke zu verbreiten (14%) und gegen Minderheiten (10%) – und danach kommen Angaben wie “Misstraue den großen Netzwerken” (9%), Wunsch nach Gemeinschaft (9%), der Wunsch, eine politische  Veränderung zu bewirken (6%) und Suche nach Spaß und Entertainment (3%). Die in der Studie zitierten Aussagen der Befragungen sind dagegen durchaus erhellend und aussagekräftig, etwa:

“Ich bin auf Gab, weil ich jedes Mal am liebsten eine Atombombe abgeworfen hätte, wenn eine weiße Person auf Twitter als Antwort ein Gif einer schwarzen Frau gepostet hat.”
(Befragter auf Gab).

“Ich habe angefangen, mich für Politik zu interessieren und war schon immer interessiert an schwarzem Humor, also habe ich ‘politisch unkorrekt’ bei Google eingegeben und fand diesen Ort”. (Befragter auf 4chan)

“Ich war eigentlich Anarchist und bin hier hergekommen, um zu trollen. Das war im Dezember 2016. Die Dinge haben sich verändert, als ich begonnen habe, viel im NatSoc-Thread zu lesen [NatSoc = Nationalsozialismus]. Ich habe viele Videos angesehen, darunter ‘Die größte Geschichte, die nie erzählt wird’ auf YouTube [6-stündiges antisemitisches Video über Adolf Hitler]. Meine alten Kommentare, die das als Propaganda bezeichnet haben, stehen aber immer noch hier.”
(Befrager auf 4chan)

“Ich mag es, dass wir hier endlich aktiv werden konnten durch verschiedene Kampagnen und so unseren Fußabdruck in der öffentlichen Debatte hinterlassen haben.”
(Befragter auf Discord).

Themen und Narrative auf den Plattformen

Auch hier gibt es wenig Überraschung: Hass auf Zuwanderung und Migration ist auf den meisten Plattformen das Top-Gesprächsthema, aber auch Hass auf politische Gegner*innen, Antisemitismus, Verschwörungstheorien, Debatten über Faschismus, Hass auf Gender-Themen und Geschlechtergerechtigkeit und Beschwerden über Repression und Hass auf Islam und Muslime. Weniger dominant, aber immer noch beliebt: Debatten über Medien, Ökonomie, EU, Nationalismus, Verbrechen, politische Korrektheit und Reichsbürger. Es sind also die bekannten Lieblingsthemen der rechts-alternativen Online-Szene, nur sind in den alternativen Communitys Sprache und Bilder noch abwertender und schärfer.

Wirkt Deplatforming?

Auch der Blick aufs Deplatforming bestätigt beobachtbare Effekte: Wenn etwa rechtsextreme “Influencer*innen” auf den großen Plattformen gesperrt werden, verlieren sie nicht nur die Follower dort – dies folgen ihnen auch nur in geringem Maß in die alternativen Netzwerke. Allerdings bedienten sich diejenigen, die ihnen folgen, im Anschluss einer radikalisierteren Sprache und sind auch Aufrufen zu Aktionen mehr zugeneigt. Um diesem Effekt entgegen zu wirken, empfiehlt das ISD eine Kooperation der großen Plattformen, die mehr Erfahrungen im Umgang mit Hate online haben und die Rechtsextremen hinauswerfen, mit kleineren Plattformen, die dann gekapert werden. Allerdings dürfte der Wunsch der kleinen Plattformen zu einer solchen Kooperation sehr davon abhängen, ob die Plattform Rechtsextremismus online als Problem wahrnimmt.

Die Studie „Das Online-Ökosystem rechtsextremer Akteure“ ist bisher auf Englisch erschienen, PDF hier:

https://www.bosch-stiftung.de/sites/default/files/publications/pdf/2020-02/ISD-The%20Online%20Ecosystem%20of%20the%20German%20Far-Right.pdf

Auf Deutsch gibt es eine Zusammenfassung:

https://www.isdglobal.org/wp-content/uploads/2020/02/ISD-The-Online-Ecosystem-of-the-German-Far-Right-German.pdf

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