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Schnellroda-Streit Götz Kubitschek macht Schluss mit Maximilian Krah

Ein offener Streit im Umfeld und in der AfD zwischen Maximilian Krah, Martin Sellner und Götz Kubitschek scheint entschieden: Krahs taktischer Mäßigungsversuch scheint gescheitert. Etwas weniger verfassungsfeindlichen Rassismus könne man der AfD nicht zumuten, so das Urteil aus Schnellroda. 

 
Maximilian Krah beim Sommerfest in Schnellroda. Nun wurde er von Kubitschek gecancelt (Quelle: Recherche-Nord)

„Martin Sellner ist eine Pussy“ – so lässt sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah in der NZZ mit einer Einschätzung des rechtsextremen Ideologen zitieren. Es ist ein Streit auf offener Bühne, den die AfD doch so dringlich unterbinden wollte. Dabei geht es um Krah versus rechtsextreme AfD-Partei-Kader und das rechtsextreme politische Vorfeld, das auf dem Bauernhof von Götz Kubitscheck herangezüchtet wird. Jetzt entzieht Kubitschek Krah das Vertrauen und erklärt ihn zur Persona non grata.

Worum geht es im Krah-Schnellroda-Streit?

Ausgangspunkt des Streits ist die Frage, wie ein Remigrations-Konzept für die AfD umzusetzen wäre. Die AfD definiert Remigration als „Rückführung von Menschen, die kein Recht haben hier zu sein“. Darunter fallen nach Ansicht der AfD auch „nicht assimilierte Staatsbürger“, auch die müssen nach dieser faschistoiden Idee das Land verlassen. „Freiwillige Ausreise ist hier nicht das Mittel der Wahl“, um deutsche Staatsbürger*innen loszuwerden, so etwa die brandenburgische AfD-Landtagsabgeordnete Lena Kotré. Im Buch des thüringischen AfD-Chefs Björn Höckes heißt es dazu: Man werde, „so fürchte ich, nicht um eine Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit‘ herumkommen. Existenzbedrohende Krisen erfordern außergewöhnliches Handeln.“

Sellner vs. Krah

Kein anderer steht so sehr für dieses faschistoide Remigrations-Konzept wie der Kopf der deutschsprachigen „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, der dazu auch ein gleichnamiges Buch im Schnellroda-eigenen Verlag Antaios veröffentlicht hat. Er gilt als geistiges Ziehkind des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek.

Martin Sellner beim Sommerfest in Schnellroda. (Quelle: Recherche-Nord)

Ohne „die Vision der Remigration“ könne die „gemeinsame Achse“ des patriotischen Lagers rasch an „inneren Bruchlinien zerfallen“, mahnte Sellner, in Richtung Krah. Dieser hatte Sellners Konzept offen als staatsfeindlich bezeichnet und sagt gegenüber t-online (was für die neurechte Szene an sich bereits ein Verrat ist, weil der Abgeordnete mit „Feindmedien“ gesprochen hat): „Das ist wie ein Kult mit der ‚Remigration’“.

Es ist ein plötzlicher Kurswechsel von Krah, der selbst ein Gewächs des politischen Vorfeldes um den kubitschekschen Bauernhof ist. „Sei nicht Soja-Sören, sei Siegfried“, mit solchen plumpen und polemischen Ansprachen über vermeintlich verloren gegangene Männlichkeit, konnte Krah eine große, junge und männliche Fangemeinschaft überwiegend via TikTok generieren. Er selbst war lange Zeit Anhänger des Remigrations-Konzepts. Warum nun die Abkehr?

Das Compact-Urteil und das Sellner-Konzept

In der Urteilsbegründung zum verlorenen Compact-Verbot benennt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, Ende Juni, explizit das Remigrations-Konzept als Verstoß gegen die Menschenwürde und das Demokratieprinzip. Eine Beurteilung, die für die AfD und ihr drohendes Verbotsverfahren existenzgefährdend sein kann.

In einem Gutachten des deutschen Inlandsgeheimdienstes wird der AfD vorgeworfen, dass sie am gewaltsamen Umsturz des Staates arbeite und einen verfassungsfeindlichen Volksbegriff vertrete. Die rechtsextreme Partei unterscheidet zwischen den Deutschen als „Kulturvolk“ und den Deutschen als „Staatsvolk“. Um jene „Kultur-Deutschen“ oder „indigenen Deutschen“ zu schützen, will die AfD das Remigrations-Konzept nach Sellner in die Praxis umsetzen. Heißt: Ausweisung aller Menschen, die von ihrer Blutlinie – die AfD nutzt hier den Begriff Kultur – nicht deutsch sind.

Weniger Rassismus wagen?

Offenbar hat Krah, Jurist, das Urteil zur Aufhebung des Compact-Verbots genau gelesen und bemerkt, was für eine Gefahr hier für die AfD lauert. Zumindest dann, wenn die Partei am sellnerischen Remigrations-Konzept festhält. Und just mit der Veröffentlichung dieses Urteils ändert Krah nun plötzlich seine Meinung beim Thema Deportation deutscher Staatsbürger*innen und ist damit nicht mehr auf einer Linie mit dem einflussreichen rechtsextremen Schnellroda-Umfeld. Das sorgt für Unmut. Dabei ist Krah auch weiterhin für die Ausweisung von Migrant*innen und die Kürzung von Sozialleistungen, nur eben nicht für die Einteilung in ein Zweiklassensystem des deutschen Staatsbürgertums.

Es ist ein Thema, das in der Szene enorm emotional aufgeladen ist, schließlich ist Rassismus, der Schutz der eigenen, weiß-christlichen Rasse, des eignen Bluts das zentrale Thema der AfD und ihres Umfeldes. Vor allem zwei Ziele verfolgt Krah mit seinem Richtungswechsel: Er will ein Verbot der AfD sowie ihre Höherstufung beim Verfassungsschutz verhindern und er will neue, migrantische Wählergruppen erschließen. „Krah will der CDU die Stimmen der grauen Wölfe abjagen“, mutmaßt Antagonist Sellner. Der ist unterdessen offenbar entsetzt vom plötzlichen Sinneswandel Krahs: „Migranten sollen ihre Identität behalten dürfen“ – für den rechtsextremen Österreicher offenbar Hochverrat, statt Menschenrecht.

Krah versus Kubitschek

Vorläufiger Höhepunkt dieses Streits war ein Video-Podcast im Juni mit Götz Kubitschek und Ellen Kositza, die gegen Maximilian Krah in den Ring stiegen. Geistig und rhetorisch schien Krah den beiden Bauernhof-Bewohner*innen überlegen. Kubitschek wirkt ungeduldig und aggressiv. Kositza verkommt zur Randfigur, die ab und an, erfolglos Debatten aus dem rechtsextremen Siff-Twitter-Kontext in den Ring wirft. Krah mahnt, die AfD befinde sich nun an einem Scheideweg, vielleicht ihrem wichtigsten, weil ein Verbot in realistische Nähe rücke.

Kubitschek macht hier unterdessen nochmals klar, dass er nicht auf dem Boden der Verfassung steht: „Wir wissen ganz genau, dass wir diese Leute nicht ausrüsten sollten, mit denselben Rechten, die diejenigen haben, die Abstammungsdeutsche sind oder die eben schon sehr, sehr lange hier sind und im Grunde fast ununterscheidbar und sich zu verhalten wissen“. Es ist die Idee eines weißen Ethnostaates, die Idee der „weißen Vorherrschaft“. Weiße Kultur-Deutsche sollen mit mehr Rechten ausgestattet werden als Staatsbürger, die nicht-weiß sind oder nach ihm kulturfremd seien. Diese Idee war bisher eher bei den militanten Neonazis wie bei Aktivisten vom Ku-Klux-Klan zu finden.

Krahs-Vorschlag: Segregation

Krah schlägt unterdessen vor, Deutschen mit Migrationsbiografien die deutsche Staatsbürgerschaft zuzugestehen, sie ihnen also nicht abzuerkennen, während Deutsche ohne Migrationsbiografien „weiter ethnische Deutsche“ blieben. Kulturfremde Migrant*innen ohne deutschen Pass sollen das Land verlassen. Statt Remigration schlägt Krah Segregation vor: Menschen unterschiedlicher Kulturen und Ethnien sollen unter sich bleiben, es ist die Idee der gezielten Gettoisierung.

Krah fordert von der AfD, sich in drei Punkten anpassen zu müssen, um nicht verboten zu werden: „Gleichheit aller Staatsbürger, Religionsfreiheit auch für Muslime und keine allgemeine und umfassende Staatsfeindlichkeit“. Sein Fazit: „Also entweder springt man über die drei Stöckchen, die ich nicht für zu hoch halte oder man sagt okay Illegalität“. Dem entgegnete Kubitschek: „Also diese Stöckchen sind natürlich viel zu hoch“.

Sellner und Shlomo Finkelstein warnen vor einer inneren Brandmauer in der AfD

Auch Sellner warnte Krah: Ohne „die Vision der Remigration“ könne die „gemeinsame Achse“ des patriotischen Lagers rasch an „inneren Bruchlinien zerfallen“. Die AfD und ihr Vorfeld befürchten das Aufweichen ihres Hauptthemas, Rassismus und „Deutschland den Deutschen“, könne die Partei schwächen, gar spalten. Der rechtsextreme Troll Aron Pielke, aka Shlomo Finkelstein, warnt davor, dass innerhalb der AfD eine neue Brandmauer gezogen werde: „Die sich anbahnende Alternative ist nämlich, dass die CDU, mit Erlaubnis von Teilen der Massenmedien (Axel Springer und den ‚konservativeren’ Outlets der Öffis etwa), die Brandmauer in uns hinein verlegt.“ Krah suchte unterdessen offenbar neue Verbündete, vermeintlich Gemäßigte AfDler, wie etwa den NRW-Landesvorsitzenden Martin Vincentz, der als Gegenspieler Höckes gilt und mit dem Parteiausschluss des ultraradikalen Matthias Helferich im rechtsextremen Vorfeld für Unmut sorgte.

Krah beim Sommerfest, aber nicht im Gespräch mit Sellner

Ein ursprünglich angedachtes Streit-Gespräch zwischen Martin Sellner und Maximilian Krah beim „Sommerfest“, am 5. Juli in Schnellroda fand nicht statt – Sellner verweigerte sich einem Gespräch an jenem Ort. Vielleicht fürchtete er auch das rhetorische Talent des Abgeordneten.

Die ganze Debatte sei „vergiftet“, weshalb es nicht zu einem Dialog kommen könne, so Kubitschek auf jenem Sommerfest. Es sei Krah gewesen, der die Debatte vergiftet habe, er nennt dessen Verhalten „schäbig“. Und dennoch bezeichnet Kubitschek seinen Gegner als hervorragenden Politiker, doch leider habe die Partei es verpasst, ihm einen angemessenen Platz im Apparat zu finden.

Kubitschek macht mit Krah Schluss

Am Mittwoch, dem 16. Juli, verkündigte Kubitschek auf seinem Haus und Hof Medium Sezession, dass das künftige Buch Krahs nicht im Antaios-Verlag erscheinen wird. Es ist der Verlag für zeitgenössische rechtsextreme Literatur. Krah habe eine Spaltung zwischen Partei und Vorfeld herbeigeredet, empört sich der Kleinverleger. Damit ist das Tuch zwischen Schnellroda und Krah nun endgültig zerschnitten. Kubitschek, und damit das rechtsextreme neurechte Vorfeld um die Kader-Fabrik Schnellroda und letztendlich auch das neofaschistische Höcke-Lager haben Krah fallen lassen. Damit ist er wohl zu einer Persona non grata geworden.

Götz Kubitschek beim Sommerfest 2025 in Schnellroda

Als Grund nennt Kubitschek eine Veranstaltung Krahs im Bundestag und dessen Einschätzung zum Thema „Überfremdung“. Dort soll Krah einen Internet-Troll und Parteimitglied , des Raumes verwiesen haben. In einem Video, das den Vorfall zeigt, ist zu sehen, dass der Aktivist behauptet, Krah habe sein Buch „Politik von rechts“ in Teilen von Mathilda Huss schreiben lassen. Huss ist die Hausherrin des Gästehauses Adlon in Potsdam. Im November 2023 trafen sich dort führende Köpfe der AfD, der neurechten und rechtsextremen Szene, um die „Remigration“ zu planen – mit dabei war auch Martin Sellner. Er zählte damals auf, welche drei Gruppen nach seiner Auffassung Deutschland verlassen sollten: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und „nicht assimilierte Staatsbürger“.

Tribalismus-Debatte: „Blut ist stärker als Ideologie“

Nun haben die neurechten Ideolog*innen um Sellner, Kubitschek und Kositza ihre Reihen wieder geschlossen. Der Mäßigungs-Versuch von Krah scheint damit vorerst gescheitert.

Im politischen Vorfeld wird unterdessen weiter diskutiert. Etwa um die Frage, wie weit Remigration gehen und wen sie betreffen soll. Hier wird gestritten, was stärker wiegt, Blut oder Ideologie? Es geht um die Frage, ob ideologische Kämpfe, also das Eliminieren von Teilen des blutsdeutschen Volkes, schon jetzt geschehen soll, oder erst „wenn der Fortbestand des deutschen Blutes schon garantiert ist“. Hier wird also offen diskutiert, ab wann Blutsdeutschen, mit liberalen, linken und woken Ansichten die Rechte entzogen werden. Bereits mit Beginn der Umsetzung des Remigrations-Konzept oder erst wenn die weiße Geburtenrate vermeintlich stabilisiert ist. Von Mäßigung keine Spur.

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