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Monatsüberblick Januar 2016 Internet und Social Media

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Screenshots des Tumblrs "Bildkorrektur" - Bilder gegen Bürgerängste (Quelle: bildkorrektur.tumblr)

 

1) Aktuell: Verurteilungen

Was? Post, der die Umwandlung eines ehemaligen KZ-Außenlagers in ein Unterkunft für Asylbewerber zum Gegenstand hat, den Kommentar einer Userin „Bitte einmal das Gas aufdrehen, mich haut es weg!“ gelikt – VolksverhetzungWer? Mann, 38, aus BurgsteinfurtKostet? 3.600 EuroQuelle? WN

Was? Auf der Facebook-Seite des Nordbayerischen Kuriers geschrieben: „Meiner Meinung nach sind das alles feige Schweine die lieber flüchten als um ihr Land zu kämpfen!!!warum kommen denn überwiegend männer??? und ihr haben sie die grosse fresse und bedrängen unsere Frauen und Kinder!!! Haut diesen feigen Schweinen in die fresse und steckt ihnen ihr eigenes Messer in den Arsch!!! und unsere drecks Stasi Regierung gleich mit!!!“ – Volksverhetzung, Aufruf zu Gewalt an FlüchtlingenWer? Handwerker, 48, aus WaldsassenKostet? 40 Tagessätze, 600 EuroQuelle?  Nordbayerischer Kurier 

Was?  „in die Gaskammer schicken vergasen die kanackenschweine“ – VolksverhetzungWer? Fernfahrer, 49, aus VilshofenKostet? 2750 EuroQuelle? PNP

Was?  „Dachau wäre ein schöner Platz – Tore zu und Öfen anschmeißen“ in Bezug auf Flüchtlinge – VolksverhetzungWer? Frau, 20, aus HipoltsteinKostet? 800 Euro – und der Arbeitsplatz ist auch weg.Quelle? Donaukurier

Was? In einem Facebook-Posting vorgeschlagen, Asylwerber in ehemaligen Konzentrationslagern unterzubringenWer? 56-jähriger Mann aus Deutschland – verurteilt in Linz (Österreich)Kostet? 18 Monate Haft auf BewährungQuelle? Heute.at

Was? „Dieses Pack gehört gesteinigt und an die Wand gestellt, allen voran diese erbärmliche Drecksau von OB Jung, dieser Vollassi!“ (auf der Facebook-Seite von „Legida“)Wer? Sandro P., 43, Frührentner, aus LeipzigKostet? 1380 Euro (hier 60 Tagessätze)Quelle? BILD

Was? SS-Runen, schimpfte auf die „D…asylanten“, die in Turnhallen untergebracht würden und deshalb Kinder keinen Sportunterricht hätten.Wer? 42-jähriger Mann aus dem Landkreis Rottal-InnKostet: 110 Tagessätze, hier 3.500 Euro – und der Arbeitsplatz ist auch weg.Quelle: PNP 

2) Aktuell: Ermittlungen

Was? „Diese Juden, … Alle erschießen sollte man die!“Wer? 21-jähriger Mann aus Lichtenau

Quelle: Freie Presse

 

3) Lügen und Gegenrede 

Erfundene Vergewaltigung in Lindau-Zech

Ein Nutzer hat in diesem behauptet, dass eine Freundin von ihm in Lindau-Zech von sieben Männern angegriffen, misshandelt und sogar vergewaltigt worden sei. Angeblich seien dies Flüchtlinge gewesen. Die Tat war komplett erfunden und hat nun ein juristisches Nachspiel. (mimikama.at

Neumünster: Fantasie-Toter

Die rechtsextreme Facebook-Gruppe „Neumünster wehrt sich“ behauptet nach einer Demonstration in Neumünster am 16. Januar, ein angereister Demonstrant aus Rostock sei am Bahnhof von „der Antifa“ überfallen und zusammengeschlagen worden, sei ins Krankenhaus gekommen und dort gestorben. Davon stimmte: Nichts. Verbreitet wurde des Gerücht u.a. vom „Preußischen Anzeiger“, „Infidels Deutschland“.

Blick nach rechts 

Ist an der Regelschule Wurzbach auf den Pausenbroten Leberwurst verboten?

Natürlich nicht, trotzdem bekam der Schulleiter empörte Anfragen, weil Entsprechendes im Internet verbreitet wurde. Funfact: 111 Kinder auf der Schule, davon 6 mit Migrationshintergrund.

OTZ  

Analyse: Wie falsche Gerüchte im Internet in Umlauf gelangen

Kurzfassung: 

Quelle ist ein „Freund“ oder „Anonymer Hinweisgeber, der „leider“ nicht gesprochen werden kann -> Überprüfen schwierigAlte Fotos werden aktuellen Ereignissen zugeordnet (z.B. jubelnde pakistanische Cricket-Mannschaft 2009, die nun „Araber“ sein sollen, die die Anschläge von Paris bejubeln)Verbreitung gefälschter Dokumente (z.B. von Ämtern)Hilfe: Nur Faktencheck (z.B.  Mimikama,  FirstDraft, Google-Bilder-Rückwärtssuche o.ä.) 

Der Standard 

Neue Handreichung „Das Bild des übergriffigen Fremden – wenn mit Lügen über sexualisierte Gewalt Hass geschürt wird“

von Belltower.news und der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus: Warum Lügen über sexualisierte Gewalt durch Geflüchtete so gern geglaubt werden – und wie wir sie gut entkräften können.

NgN 

4) Umgang mit Hate Speech 

“Jahr der Hasspostings”: Nazi-Jargon, Klarnamen und Pseudomedien

Der “Hass im Internet” war kaum so präsent im heuer – elf Fakten zur “Hetze” im Netz im „Standard“ aus Österreich:

Nicht alle Hasspostings sind Volksverhetzung, aber vieles ist strafbar.Die Justiz hat mehr zu tun – denn es wird mehr angezeigt.In Österreich gilt ab 2016 auch „Aufstacheln zum Hass“ als Volksverhetzung.Doch die Gerichte sind überfordert.Trotzdem: Virtuelle Aktionen haben immer öfter reale Konsequenzen.Klarnamen führen nicht zu besserem Online-Verhalten: Viele Hasspostings werden unter Klarnamen gemacht.Meinungsfreiheit heißt nicht, alles sagen zu dürfen.Wieder im Trend: Jargon aus dem Nationalsozialismus („Blockwart“, „Denunziant“)Aufstieg der Pseudomedien wie „PI News“ oder „unzensuriert.at“ – Blogs, „politisch inkorrekte“ Nachrichtenseiten und als Satire getarnte Verleumdungskampagnen.Die Politik wirkt machtlos, Facebook demotiviert.Zweifel, dass Gegenrede funktionieren kann.

Der Standard

Ähnlich sahen wir das im Jahresrückblick auch:

Vom Besorgtbürger zur besorgten GewaltRechte Diskurs-Taktiken, die leider erfolgreich waren

 

Facebook wird aktiv: Die Online Civil Courage Initiative

macht das US-Unternehmen u.a. mit uns. Bericht auf Netz-gegen-Nazis.de hier. Counter Speech soll gestärkt werden. Die öffentliche Positionierung des Unternehmens gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Hate Speech ist ein erster, wichtiger Schritt hierbei. 

Dazu gibt es natürlich viel Presse:

http://www.derwesten.de/wirtschaft/digital/facebook-eine-million-euro-fuer-kampf-gegen-deutsche-hetzer-id11475633.htmlhttp://www.stern.de/digital/online/facebook–initiative-gegen-hass-im-netz-6654898.htmlhttp://www.sz-online.de/nachrichten/liebe-ist-lauter-als-hass-3302052.htmlhttp://www.ruhrbarone.de/facebook-gruendet-eine-netz-intitiative-fuer-zivilcourage-mit-argumenten-gegen-den-blanken-hass/120305http://www.tagesspiegel.de/medien/facebook-initiative-gegen-hatespeech-mit-liebe-gegen-hass/12852390.htmlhttp://www.gamestar.de/hardware/news/internet/3242433/facebook.htmlhttp://www.zdnet.de/88257331/facebook-startet-europaweite-kampagne-gegen-hasskommentare/http://www.wuv.de/digital/facebook_gruendet_initiative_fuer_zivilcourage_onlinehttp://www.handelsblatt.com/panorama/aus-aller-welt/facebook-chefin-sheryl-sandberg-mit-liebe-gegen-den-hass/12848464.htmlhttp://www.sueddeutsche.de/digital/soziale-medien-facebook-startet-aktion-gegen-hasskomentare-1.2824020http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article151162877/Facebook-gruendet-Initiative-fuer-mehr-Zivilcourage.htmlhttp://www.cnet.de/88162428/facebook-hat-eine-europaweite-kampagne-gegen-hasskommentare-in-sozialen-medien-gestartet/http://www.taz.de/!5269117/http://www.deutschlandfunk.de/facebook-kampagne-keine-kapitulation-vor-rechten-poeblern.694.de.html?dram:article_id=342909https://www.wired.de/collection/latest/wie-facebook-managerin-sheryl-sandberg-hatespeech-mit-likes-bekaempfen-willhttp://www.heise.de/newsticker/meldung/Kommentar-Facebooks-Symbolpolitik-gegen-Hatespeech-3082414.htmlhttp://www.ndr.de/kultur/Facebook-Zivilcourage-Hatespeech-Hass,facebook1480.htmlhttps://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/digitalesleben/201601/wie-umgehen-mit-hasskommentaren–.htmlhttp://breitband.deutschlandradiokultur.de/brb160213/ (MP3)

 

Facebook löscht auch Dinge

Etwa die Seite des Bundesvebandes und des Dortmunder Kreisverbandes der Partei „Die Rechte“ aus Dortmund (NordstadtbloggerStoryclash).Die Seite „Die Stadt Dorsten“, auf der rechte Verschwörungsideologien verbreitet wurden – auf Bitten der Stadt Dorsten (Dorstener Zeitung).Die rechtsextreme Seite „Horb sagt Nein zum Heim“ (Schwarzwälder Bote

Facebook als Brandbeschleuniger für rechte Hetze

Gefangen in der braunen Filterblase: Facebook verstärkt mit seinen Algorithmen rechtsextremes Gedankengut, meint der Berliner Richter Ulf Buermeyer. Damit wirke das Netzwerk wie ein Brandbeschleuniger für die aktuelle Welle fremdenfeindlicher Gewalt. Trägt Facebook auch eine Mitschuld an der Welle fremdenfeindlicher Gewalt? Um dieser Frage nachzugehen muss man verstehen, wie das soziale Netzwerk die Inhalte auswählt, die Nutzerinnen und Nutzern angezeigt werden: Facebook verfährt hier kompromisslos nach dem Wohlfühl-Prinzip. Die über die Jahre verfeinerten Algorithmen zeigen genau die Inhalte zuerst an, von denen anzunehmen ist, dass sie den Nutzerinnen und Nutzern gefallen. Um dies zu erreichen, merkt sich die Plattform jedes „Like“ und jeden Link, den jemand auf der Plattform weiterleitet. Daraus leiten die Algorithmen dann Prognosen ab, welche Beiträge vermutlich gefallen werden, und zeigen sie weit oben an. Das führt dazu, dass Facebook-User einen annähernd „gleichgeschalteten“ Strom von Nachrichten präsentiert bekommen: Zu sehen ist fast nur die eigene Meinung, für Dissens bleibt kein Platz. Im Netz hat sich für dieses Phänomen, das auch auf anderen Plattformen und selbst bei Google-Anfragen zu beobachten ist, die Bezeichnung „Filter-Bubble“ etabliert: In einem sozialen Netzwerk ist man schnell in einer Wohlfühl-Blase gefilterter Meinungen gefangen, die ein erschreckend einheitliches Bild der Wirklichkeit zeichnet (Deutschlandradiokultur). 

Twitter und Reddit warten ab

Hundert neue Mitarbeiter und eine Zivilcourage-Initiative – so will Facebook das Problem der Hassposts europaweit bekämpfen. Die deutsche Regierung, NGOs und User sollen mitwirken. Allerdings werden nicht alle Formen der Radikalisierung thematisiert. Das Problem der Meinungsfreiheit und Verdrängung auf Facebook und anderen Plattformen – eine Analyse (Entwickler.de

Niedersächsischer Innenminister kritisiert Werbung auf rechtspopulistischen Webseiten

Von mehreren großen Unternehmen und Bundesbehörden fand sich Werbung auf rechtspopulistischen Seiten im Internet. Das berichtet das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) kritisierte dies im Interview mit „Report Mainz“ scharf: „Ich finde das beschämend. Es sind Seiten auf denen gehetzt wird, rassistische Parolen verbreitet werden, anonyme User sich ausbreiten mit ihren fremdenfeindlichen und rassistischen Theorien, ihrem Hass auf andere. Das so etwas durch Werbung erst ermöglicht wird, ist für mich gelinde gesagt ein Skandal.“ „Report Mainz“ hatte die Webseiten „Politically Incorrect“, „Kopp Online“ und „Junge Freiheit“ mehrere Wochen lang beobachtet. Dabei war immer wieder Werbung namhafter Firmen auf den Seiten aufgetaucht (Finanzen.net). 

Renate Künast über Hate Speech: „Jetzt trolle ich mal zurück“

Die Grünen-Politikerin Renate Künast lädt ihre Gegner ein, „sich mal so richtig auszukotzen“. Via Twitter und Facebook gibt sie eine ironische Anleitung für Trolle zur formvollendeten Hate-Speech. Denn die Hass-Mail-Schreiber erreichten „noch nicht einmal Stammtischniveau“ (Deutschlandradiokultur

Das Internet als Raum von Hate Speech und Wut

Was macht das mit uns? Zum Beispiel: „User tendieren dazu, sich in Communitys mit dem selben Interesse zu aggregieren, was zu einer Verstärkung des ‚Confirmation Bias’‚ führt, zur Abgrenzung und zur Polarisierung. Dies schadet der Informationsqualität und führt zu einer starken Vermehrung von voreingenommenen Sichtweisen geschürt durch unbelegte Gerüchte, Misstrauen und Paranoia.“ Heißt: Gleichgesinnte reden mit Gleichgesinnten, bestärken sich einseitig. Andere Forschungen zeigen: Beleidigungen kriegen mehr Likes als nette Postings. Da kann man zu dem Schluss kommen: „Es ist eben ein Irrtum, das im Internet jede Stimme und jeder User gleich schützenswert ist. Eine Diskussionskultur, bei der Frauen konstant als „Schlampe“ oder als „naive Göre“ abgestempelt werden, ist nicht schützenswert. Eine Diskussionskultur, in der Verschwörungstheorien gleichrangig mit wissenschaftliche Fakten behandelt werden, ist nicht schützenswert. Eine Diskussionskultur, wo – wenn man all dies anspricht – der Aggressor dem Opfer sagt, „lass dir hat eine dickere Haut wachsen“, die ist nicht schützenswert.

Was also tun?

Diskussionsniveau heben – Verantwortung für die Tonalität im NetzSchimpfwortfreie Räume schaffen (denn mit Beschimpfungen lässt sich mehr Meinung machen als mit Argumenten)Gute Kommentare schnell sichtbar machen – nicht die lautestenRespektvoller Ton – gilt für alleEin bisschen Wahrheitsfindungskultur – also einfach nachzurecherchieren, was stimmt und was nicht und wie lässt sich das belegen? Grundsätze des logischen Denkens und des fairen Diskutierens wieder mehr achtenNicht Verschwörungstheorien nicht auf die gleiche Ebene wie belegbare Ergebnisse stellen.

(Netzpolitik.org)

 

Sind in Sozialen Netzwerken alle dumm? 

Sascha Lobo kommt es so vor: Was sich an Schwachsinn in die sozialen Medien ergießt, ist mittlerweile nicht mehr auszuhalten. Oft scheint es, als sei es gar nicht Hass, sondern vor allem Dummheit, die sich da Bahn bricht. Das hat einen einfachen Grund: Überall anders sind durchschnittlich mehr gebildete Menschen in Sozialen Netzwerken. In Deutschland nicht. Lobo sagt etwa, der Medienkritiker Hans Hoff gebe diesem Umstand eine massenmediale Dimension: „Es ist nicht schlimm, dass sich heutzutage jeder Depp öffentlich äußern kann. Das ist gut für eine Demokratie. Es ist indes schlimm, dass heutzutage jeder Depp ernst genommen wird, dass so getan wird, als wäre noch die abstruseste Theorie eine Meldung wert.“  Schon 2012 schrieb Frank Schirrmacher die Einsicht: „Nicht die Anonymität, sondern der ansteigende Grad der NICHT-anonymen Hass-Kommentare und -Mails […] ist beunruhigend.“ Bei Pegida, findet Lobo, fehlen elementarste Dialogfähigkeiten: Die Frage „Warum“ perlt ab. Kausalität misslingt regelmäßig. „Es fehlt auch jedes Gespür für Verhältnismäßigkeit. Wie kann man ernsthaft von „Merkel-Diktatur“ sprechen, weil einem zwei Regierungsentscheidungen nicht passen?“ „Was, wenn also gar nicht die ablehnende Emotionalität das eigentliche Problem wäre, sondern die nicht vorhandene Reflexionsfähigkeit?“ „Vielen Leuten bekommt das Internet einfach nicht.“ „Die OECD hat herausgefunden, dass in allen Ländern die Social-Media-Nutzer gebildeter sind als der Bevölkerungsdurchschnitt. Außer in Deutschland. Ausgerechnet hier ist es andersherum: je dümmer, desto Social Media. Deppenmagnet deutsches Facebook. Das erklärt nicht nur einiges, es gibt auch Anlass zu hoffen“ – die Schlauen können noch kommen (Spiegel Online).

Oldschool, aber auch eine Maßnahme: Altermedia wird verboten

Altermedia, einst das wichtigste rechtsextreme „Nachrichten“-Portal und Forum der rechtsextremen Szene in Deutschland, wird im Januar 2016 endgültig vom Bundesinnenminister verboten und geschlossen – allerdings war es schon seit 2011 nicht mehr von Bedeutung, als Hauptschreiber Axel Möller eine Haftstrafe antreten musste. Nun ja, jetzt ist es weg. Als Symbolhandlung okay, aber eigentlich Jahre zu spät (DeutschlandfunkNetz gegen Nazis). 

5) Counter Speech 

Wenn Hass-Kommentatoren das „Gruntgesets“ schreiben würden

Der Kommunikationsdesigner Gregor Weichbrodt hat sich für ein Literaturprojekt die Frage gestellt, wie die Verfassung der Bundesrepublik aussehen würde, wenn sie die Anhänger der islamfeindlichen „Patriotischen Europäer gegen eine Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) oder der Reichsbürger-Bewegung gestaltet hätten. Der Artikel 1 würde dann lauten: „DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR!!!! SIE ZU ACHTEN UND ZU SCHÜTZEN IST FERPFLICHTUN ALLER STAATLICHE GEWALLT!!!!“ (…) Woher die Fehler – etwa zahlreicher Kommentatoren auf der Pegida-Facebook-Seite – stammen, verrät das Literaturprojekt nicht, „da Schreibfehler am Ende jeder macht und es auch gar nicht vordergründig darum gehen soll, sich über Leute mit Schreibschwächen lustig zu machen“, wie Gregor Weichbrodt sagt. Doch sei seinem Eindruck nach eine gewisse Systematik zu erkennen. Weichbrodt sagt: „Ich bin zwar kein Experte für rechtsnationales Wutsprech im Internet, aber nachdem ich diese Art von Texten eine Weile vor mit hatte, erscheint mir die Syntax fast einzigartig, so als hätte die Gruppierung ihren eigenen Schreibstil gefunden.“ (Berliner Morgenpost)

Pegida veröffentlicht eine textlose „Hymne“ – und das Netz kommentiert.

Vom Feinsten: „Leider funktioniert das Produkt nicht. Ich habe das Lied mehrfach mit meinen Freunden angehört, leider wurden wir weder stärker noch deutscher. Es hilft auch nicht gegen Islamisierung.“ (1 Stern) Gesammelt bei Musikexpress

#besorgteEier bei Twitter: Rassistische Trolle übernahmen die Aktion

Mit dem Hashtag #besorgteEier werden bei Twitter anonyme Trolle auf die Schippe genommen, die fremdenfeindliche Botschaften verbreiten. Doch der humorvoll gedachten Aktion folgen hässliche Debatten und schließlich die Übernahme durch Rassist_innen (Spiegel Online

Der Käpt’n legt sich mit Pegida an

„Eine Armlänge Distanz halten, schützt nicht vor sexuellen Übergriffen, eine Mittelmeerbreite dagegen schon!“ – mit diesem menschenverachtenden Beitrag auf Facebook sorgt Pegida derzeit für einen handfesten Eklat – und spaltet die sozialen Netzwerke. Die Anhänger sind begeistert, die Gegner empört. MOPO-Kolumnist Käpt‘n Schwandt ist nun der Kragen geplatzt. Er ruft zur Facebook-Offensive auf (MopoAnkerherz). 

Illustratoren gegen Besorgte-Bürger-Ängste

Graphic Content gegen Rassismus: Eine Gruppe bekannter deutscher Zeichner stellt mit Bildern auf dem „Bildkorrektur„-Tumblr der Panikmache Fakten gegenüber (bildkorrektur.tumblr.com, Intro

Kein guter Stil: Shitstorm-Kultur von allen Seiten

Jemand macht nicht, was ich gut finde? Shitstoooorm! Das gibt es schon lange, und dass Nazis und Rechtspopulist_innen zum Sturm gegen Facebook-Seiten, Unternehmen und Medien rufen, ist nicht neu. Nun wird die Unart auch von offenbar ebenfalls aufgebrachten, nichtrechten Nutzer_innen verwendt: Im Badisch Brauhaus will die AfD sprechen? Dann bewerten Kritiker_innen das Restaurant auf Facebook schlecht (ka-news). Eine junge Frau berichtet, was ihr in der Silvesternacht in Köln passiert ist? Sie wird im Internet beschimpft und bedroht (SWR). Contenance! 

 

6) Nazis, Rechtspopulist_innen und Rassist_innen im Netz 

Anwalt Mehmet Daimagüler schlägt der offene Hass entgegen

Es ist der pure Hass – und oftmals sind es sogar Morddrohungen: „Fetter Türke. Kauf Dir einen Strick. Tu es für Deutschland.“ Oder: „Einfach ausrotten würde ich sagen“.Es ist eine Schande! Seit Jahren schlägt Anwalt Mehmet Daimagüler (47) dieser Hass im Internet entgegen. „Es begann, als ich 2011 Opfer des NSU-Terrors im Prozess vertrat.“ Und er in den folgenden Jahren durch sein juristisches Engagement eher ungewollt DAS Gesicht der Nebenklage wurde. „Wenn ich im Fernsehen war, bekomme ich sehr viele dieser Zusendungen. Ich nenne die Verfasser verbale Amokläufer.“ Der nachdenkliche Jurist hat gelernt, damit zu leben. „Mit der Zeit härtet man ab, entwickelt eine Art Hornhaut.“ Warum leitet er Pöbel-Mails nicht an die Polizei oder Staatsanwaltschaft weiter? Daimagüler: „Ich glaube nicht, dass das etwas bringt.“ Er will das nicht als Vorwurf gegen die Behörden verstanden wissen. „Aber die Erfahrung zeigt, dass da am Ende der Ermittlungen selten etwas heraus kommt.“ Dennoch: „Die besonders krassen Mails, Tweets oder Facebook-Mails gebe ich schon weiter.“ (BILD

Im Trend: Rechtsextrem-rassistische Bürgewehr-Gruppen auf Facebook

Nach den Übergriffen sexualisierter Gewalt in der Silvesternacht in Köln geht der Trend auf Facebook zur Bürgerwehr: Überall schließen sich Menschen zusammen, die den staatlichen Organen misstrauen und selbst durch ihre Nachbarschaft laufen wollen, um „Frauen und Kinder“ zu schützen. Viele haben keine Berührungsängste mit Rechtsextremen, ein rassistisch-islamfeindlicher Grundtenor ist überall vorhanden. Dazu berichten u.a. der Soester Anzeiger (3 Bürgerwehren!), Südkurier (Konstanz), DerWesten (Essen), MZ-Web (Leipzig). Der Justizminister warnt vor dieser Selbstjustiz (Deutsche Welle).

Rassistischer Humor im Netz: Zwischen Hetze und Satire

Immer mehr rassistsche Seiten geben sich als Satireplattformen aus, um Rassismus gesellschaftsfähig zu machen Witze über ertrinkende Flüchtlinge, den fiktiven Tod der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel oder die sexuellen Übergriffe in Köln: Auf sozialen Netzwerken gibt es kein Thema, das nicht Gegenstand von selbsternannter „Satire“ wäre. „Humor darf alles“, heißt es dazu oft von Verfassern solcher Postings. Oder, wie es die Facebook-Seite „Verein der Freunde der Tagespolitik“, ausdrückt: „Geliebte Meldemusch*Innen: Bei diesem Bild handelt es sich um Satire“. Allerdings ist der Verweis auf Humor kein Freibrief für Rassismus und Verhetzung. So brachten die Grünen einige Nutzer vor Gericht, die ein Bild von Eva Glawischnig mit gefälschtem Zitat posteten und dies als Satire einordneten. Mit der Ausnahme eines Falls sahen die Richter solche Postings als juristisch verfolgbar an (Der Standard).

 

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