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„Patriotische Union“ Prinz, AfD-Richterin und Hauptkommissar planten den Staatsstreich

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Der ehemalige Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder veröffentlichte Ende November eine Videobotschaft aus seinem „Fronturlaub”. Er wolle noch Kraft tanken, denn „die nächsten Wochen werden eine ganze Menge an Umbruch bringen.” Er kündigt einen Zeitumbruch noch vor Weihnachten 2022 an. (Quelle: Screenshot Videoplattform)

In den frühen Mittwochmorgenstunden führten Spezialkräfte der Polizei zeitgleich in elf Bundesländern Razzien durch und nahmen 25 Personen fest. Die Festnahmen erfolgten in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen sowie in Österreich (Kitzbühel) und in Italien (Perugia).

Der Vorwurf der Generalbundesanwaltschaft lautet Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Dem Netzwerk sollen 52 Personen angehören. Sie sollen einen rechtsextremen Staatsstreich geplant haben und wollten offenbar Bundestagsabgeordnete entführen. Unter ihnen sind mit Heinrich XIII. Reuss ein „Prinz“ eines alteingesessenen deutschen Adelsgeschlechts, die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, ein ehemaliger Kommandeur einer Spezialeinheit der Bundeswehr und ein ehemaliger Hauptkommissar. Es ist ein Netzwerk, in dem die Angst der Verschwörungserzählungen vorherrscht. Es sind Impfgegner*innen, Personen aus dem Querdenken“-Spektrum, solche, die an die jüdische Finanz-Elite“, QAnon oder satanischen Kindesmissbrauch glauben. Ihre Pläne für einen gewaltsamen Umsturz waren wohl erschreckend weit fortgeschritten. Noch vor Weihnachten wollten sie zuschlagen. 

Der „Prinz“ Heinrich XIII. Reuss und der ehemalige Bundeswehrkommandeur Rüdiger von Pescatore gelten als Rädelsführer der rechtsextremen Reichsbürgergruppe. Sie sollen offenbar einen gewaltsamen Umsturz geplant haben. Die Verschwörer*innen planten, gewaltsam in den Bundestag einzudringen und Abgeordnete zu entführen. Laut den Ermittler*innen soll sich die rechtsterroristische Gruppe Ende 2021 gegründet haben. Sie nannten sich offenbar „Patriotische Union“.

Bei dem großangelegten Schlag gegen die Reichsbürgerszene waren am Mittwochmorgen 3.000 Polizisten im Einsatz. Sie durchsuchten über 130 Häuser und Wohnungen. Laut der Zeit durchsuchte die Antiterroreinheit GSG9 auf der Suche nach einem Bundeswehrangehörigen und Beweisen eine Liegenschaft des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Calw. Einige Beschuldigte hatten eine aktive Dienstzeit bei der Bundeswehr, stehen im Verdacht, in der Vergangenheit illegal Waffen beschafft zu haben und andere haben einen Waffenschein, dürfen damit also legal Waffen besitzen. 

Der Prinz will die Revolution, um die Monarchie einzuführen

Die mutmaßlich rechtsterroristische Gruppe plante eine gewaltsame Machtübernahme. An die neue Regierungsspitze sollte der „Prinz“ installiert werden, der selber ein glühender Anhänger der Monarchie ist und Verschwörungserzählungen über jüdisches Finanzkapital“ oder die Rothschilds“ verbreitet. Er soll Teile der Ausrüstung der Reichsbürgergruppe mitfinanziert haben. Das zentrale Gremium des rechtsextremen Schattenkabinetts der Gruppierung nannte sich der „Rat“, dem Heinrich XIII. vorstand. Als sein persönlicher Referent fungierte Thomas T.

Russland-Kontakte

Die neue rechtsextreme Regierung sollte nach Plänen der Umstürzler*innen mit Russland außenpolitische Verhandlungen führen. Wohl zu diesem Zweck soll „Prinz“ Reuss über seine Lebensgefährtin Vitalia B., 39, bereits Kontakt zu russischen Stellen aufgenommen haben. Auf offene Ohren sei er jedoch laut Ermittler*innen nicht gestoßen. 

Die Mitglieder des „Rates“ haben sich seit November 2021 regelmäßig im Verbogenen getroffen, um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen, so die Ermittler*innen. Ähnlich wie das Kabinett einer regulären Regierung sollte die Reichsbürger-Regierung über verschiedene Ressorts verfügen. 

Birgit Malsack-Winkemann: Ex AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin

Für die Leitung des Justiz-Gremiums war offenbar Birgit Malsack-Winkemann vorgesehen. Die Juristin saß von 2017 bis 2021 für die AfD im Bundestag. Seit 2013 ist sie Richterin in Berlin, bis 2017 am Landgericht. Kurz nach Parteigründung 2013 trat sie bereits in die AfD ein. Zwischen 2015 und 2017 war sie stellvertretende Vorsitzende des Bezirksverbandes Steglitz-Zehlendorf. 

„Militärischer Arm“

Neben dem „Rat“ gab es noch einen „militärischen Arm“. Einige seiner Mitglieder wraen oder sind bei der Bundeswehr. Sie sollten die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchsetzen. Bewerkstelligt werden sollte dies über die sogenannten Heimatschutzkompanien“, die militärisch organisiert und bewaffnet waren.

An der Spitze des „militärischen Arms“ steht Rüdiger von Pescatore. Dieser hat einen Führungsstab eingesetzt, dem Maximilian Eder, Michael Fritsch, Frank H., Thomas M., Wolfram S., Marco v. H., Christian Wendler und Peter W. angehören. Der Führungsstab befasste sich unter anderem mit der Rekrutierung neuer Mitglieder, der Beschaffung von Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, dem Aufbau einer abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur, der Durchführung von Schießübungen sowie Plänen für die künftige Unterbringung und Verpflegung der „Heimatschutzkompanien“.

Angehörige des „militärischen Arms“ hätten Bundeswehrkasernen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ausgekundschaftet, „um sie auf ihre Tauglichkeit für die Unterbringung eigener Truppen nach dem Umsturz zu inspizieren“.

Rüdiger von Pescatore

Anführer des militärischen Arms soll Rüdiger von Pescatore sein. Pescatore war von 1993 bis 1996 Kommandeur des Fallschirmjägerbataillons 251 in Calw, einer Elitetruppe der Fallschirmspringer, aus der 1996 das Kommando Spezialkräfte (KSK) hervorging. Von Pescatore wurde aus der Bundeswehr entlassen, weil er Waffen aus Beständen der DDR-Armee verkauft hatte.

Maximilian Eder Oberst a.D.

Teil des Führungsstabs war offenbar Maximilian Eder. Der ehemalige Bundeswehr-Oberst veröffentlichte Ende November eine Videobotschaft aus seinem Fronturlaub“. Er wolle noch Kraft tanken, denn die nächsten Wochen werden eine ganze Menge an Umbruch bringen.“ Er kündigt einen Zeitumbruch noch vor Weihnachten 2022 an. Dann werde eine neue Justiz eingesetzt, die Zeit der Vergebung sei vorbei, droht er. Es sei ein Kampf gegen die mörderische Impf-Mafia und den satanischen und rituellen Kindesmissbrauch“. Diese Videobotschaft muss klar als Drohung verstanden werden und zeigt, wie bereit und weit fortgeschritten die Vorbereitung zur Gewalt waren. 

Der pensionierte Oberst Maximilian Eder ist Gründungsmitglied der sogenannten „Eliteeinheit“ Kommando Spezialkräfte (KSK). Auf einer Querdenken-Demonstration an Pfingsten 2021 in Berlin sagte er auf der Bühne: „Man müsste das KSK mal nach Berlin schicken und hier ordentlich aufräumen, dann könnt ihr mal sehen, was die können“. Während des Hochwassers in Ahrweiler im Sommer 2021 errichtete Eder einen „Stab“ im Auftrag vom Querdenken-Arzt Bodo Schiffmann, um mit anderen Veteranen Fluthilfe zu leisten. 

Christian Wendler

Christian Wendler war ebenfalls Teil des militärischen Arms der Gruppe. Wendler ist ein ehemaliger AfD-Stadtrat aus Olbernhau. Er war für die Partei bis Oktober 2020 im Gremium, bis er „aus persönlichen Gründen“ zurücktrat. Bis zum April 2022 war Wendler Mitglied der hiesigen Schützengesellschaft, verfügt daher vermutlich auch über eigene Waffen. Nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft (GBA) soll er unter anderem innerhalb der Gruppierung für die Beschaffung von Waffen zuständig gewesen sein.

Unweit vom durchsuchten Objekt von Wendler kam es am Mittwoch auch zu einer Durchsuchung in der Autowerkstatt in Olbernhau bei Frank Richter. Er soll die Reichsbürgergruppe unterstützt haben. 

Michael Fritsch, der Ex-Kriminalhauptkommissar 

Der Hannoveraner Michael Fritsch ist ein bekannter Querdenker“- und ehemaliger Polizist, der sich selber als Schutzmann“ bezeichnet. Fritsch ist dadurch aufgefallen, dass er in seiner Funktion als Kriminalhauptkommissar die Querdenken-Proteste in 2020 und 2021 begleitet hat. Immer wieder dokumentiert er vermeintliche Polizeigewalt auf Querdenken-Demonstrationen. Seine Radikalisierung vollzog sich schrittweise, wo er in 2020 noch gezügelter wirkt, merkt man 2021 eine Diskurseskalation, als er während seiner Kandidatur für die Verschwörungspartei „Die Basis“ vom Tod der Demokratie“ in Deutschland spricht. Ende April 2022 hat das Verwaltungsgericht Hannover entschieden, dass Fritsch aus dem Dienst entlassen wird. Gegen die Entscheidung hatte der Beamte Berufung eingelegt.

Peter W.

Die Fahnder kamen der Gruppe auf die Schliche als Ermittler*innen im April eine Durchsuchung bei Peter W. in Bayreuth vornahmen, einem ehemaligen Fallschirmjäger der Bundeswehr und Survival-Experte. In einem Interview von 2015 sprach W. bereits über den Ernstfall und sagte: Wir wiegen uns in einer trügerischen Sicherheit. Die Frage ist nicht, ob es zur Katastrophe kommt – sondern wann.“ Offenbar wurde er ungeduldig und wollte dabei helfen, den viel beschworenen Tag X nun künstlich auslösen. Bei der Durchsuchung von W.’s Wohnung fanden Ermittler*innen Schusswaffen, Munition, Magazine, einen sogenannten Totschläger und eine Handgranatattrappe. Sie stießen auf eine enge Verbindung zu Rüdiger von Pescatore, W.s früheren Vorgesetzten.

Die Bedrohung ernst nehmen

Die personelle Zusammensetzung dieses Reichsbürger-Netzwerks zeigt zum einen, wie durchdacht die Pläne der Gruppe waren: Ein Polizist, eine Juristin, der KSK-Gründer und ein „Prinz“ – hier wurde gezielt ein Schattenkabinett mit dem nötigen Wissen und entsprechenden Verbindungen aufgebaut. Dazu kommen ehemalige Bundeswehr-Soldaten, die die nötige militärische Schlagkraft mitbringen und als bewaffneter Arm“ die Umsturzfantasien in die Tat umsetzen sollten – Personen, die in den entsprechenden Kreisen verkehren, um militärisch ausgebildete Gleichgesinnte zu gewinnen.

Wieder ist hier der Start eines Bürgerkriegs durch einen sogenannten Tag X“ geplant. Die nun aufgedeckte Gruppe wollte offenbar durch Angriffe auf die kritische Infrastruktur den Tag X“ auslösen. Ein Tag, an dem sie bewaffnet und bereit sein wollen.

Die Aufdeckung dieses Reichsbürger-Netzwerkes ist zwar ein großer sicherheitspolitischer Erfolg und einer der größten Schläge gegen rechtsextremen Terror seit vielen Jahren. Beängstigend ist jedoch, dass die Anschlagspläne schon sehr weit fortgeschritten waren. Der Bürgerkrieg sollte noch vor Weihnachten starten. Außerdem zeigt die personelle Struktur der Gruppe, wie gut vernetzt Rechtsextreme, Reichsbürger und Verschwörungsgläubige sind und was für eine akute Terrorgefahr von ihnen ausgehen. 

 

Mit Recherche von de:hate

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