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Querdenken in Leipzig Die Gewalt funktioniert auch ohne Hooligans

Am Wochenende gab es in Leipzig eine “Querdenken”-Demonstration mit hohem Symbolcharakter für die Szene. Immer wieder kam es zu gewalttätigen Durchbruchsversuchen, um auf den Leipziger Stadtring zu gelangen. Zwar zeigte sich ein deutlicher Rückgang der Szeneanhänger:innen, aber dies tut der Gewaltbereitschaft keinen Abbruch – im Gegenteil.

 
Gewaltbereit ganz ohne Hooligan-Unterstützung: "Querdenken" in Leipzig. (Quelle: T. Manemann)

Vor genau einem Jahr kam es am 7. November 2020 zu gewaltvollen Ausschreitungen in Leipzig. 45.000 Menschen folgten damals dem Demonstrationsaufruf der “Querdenken”-Szene – darunter auch zahlreiche Hooligans und Neonazis. Polizeiketten wurden überrannt, es kam zu Jagdszenen von Neonazis auf Antifaschist*innen und auch die Presse wurde permanent attackiert und angegriffen. Was für die einen der Moment vollkommener Fassungslosigkeit über die Gewaltbereitschaft der radikalisierten Masse war, wurde für die sogenannte “Querdenken”-Bewegung zu einem ikonischen Tag, der die eigene Überlegenheit zeigen sollte.

Genau ein Jahr später, am 6. November 2021, rief die Szene erneut zu einer solchen  Machtdemonstration auf. Ursprünglich hatten die Veranstalter:innen der “Bürgerbewegung Leipzig” eine Demonstration über den Leipziger Innenstadtring angemeldet. Dieser hat für die “Querdenken”-Szene, die sich oft in der Tradition von DDR-Widerstandkämpfer*innen verordnet, eine symbolische Bedeutung. Dort fanden zur Wendezeit 1989 die sogenannten Montagsdemonstrationen der Friedlichen Revolution statt. Wegen der hohen Inzidenzzahlen wurde allerdings nur eine stationäre Kundgebung für 1.000 Teilnehmende auf dem Augustusplatz genehmigt.

Trotzdem folgten etwa 2.000 Menschen den Aufrufen, die über die sozialen Medien verbreitet wurden und in denen bereits angekündigt wurde, trotz Verbot über den Ring laufen zu wollen. Vereinzelt war von dem Jahrestag als “Meilenstein” die Rede und man wolle sehen, “wo der Widerstand in Deutschland steht”. Zwar schien die Szene im Vergleich zum Vorjahr deutlich geschrumpft zu sein, aber auch deutlich radikalisierter. Der herbeigesehnte Widerstand fand sich vor der Polizeiabsperrung ein und war auf eine Konfrontation bestens vorbereitet: mit Schutzbrillen, Pfefferspray und einem immensen Hass. Die Polizei spricht von über 40 Ermittlungsverfahren und über 600 Ordnungswidrigkeiten, die aufgenommen wurden.

Die Gewaltbereitschaft der Szene macht die Hooligans irrelevant

Eine Teilnehmerin droht, Polizisten totzuschlagen. Die Stimmung ist extrem angespannt. Die ersten Reihen benötigen nicht wie zuvor in Leipzig vermummte Hooligans und Neonazis, um die Polizeiketten zu durchbrechen. Der Hass und die Überzeugung, sich auf der richtigen Seite zu befinden, reichen scheinbar für auf den ersten Blick harmlose Rentner:innen aus, um selbst die Gewalt ohne Angst vor Konsequenzen anzuwenden. Zwar waren auch Teile der gewaltbereiten rechtsextremen Szene vor Ort, doch ihr Anteil an der gelegentlichen Eskalation hielt sich in Grenzen. Einige wurden bereits bei der Anfahrt von der Polizei abgefangen und zurückgeschickt. Trotzdem waren Neonazi-Kader wie der jetzt in Chemnitz wohnende Michael Brück oder der Hallenser Sven Liebich in Leipzig. Auch der AfD-Abgeordnete Karsten Hilse war anzutreffen.

Teilweise unübersichtliche und gefährliche Lage in der Innenstadt

Zwischendurch kam es immer wieder zu Flaschenwürfen und zu Durchbruchsversuchen. Einem Großteil gelang nach einem taktischen Fehler der Polizei ein Demonstrationszug durch die Leipziger Innenstadt. Zwar konnte die Polizei eine Ansammlung auf dem Ring verhindern, doch innerhalb der Stadt wurde es unübersichtlich und teils gefährlich: Mindestens ein Journalist wurde angegriffen und mit Schlägen und Tritten verletzt. In einzelnen Nebenstraßen kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Antifaschist*innen und Personen aus dem rechtsextremen Spektrum. Immer wieder waren in der Stadt Menschen zu beobachten, die von Maskenverweigerer:innen bedrängt wurden. In Telegram-Kanälen kursieren Fotos von Mitarbeiter:innen in Geschäften, die Querdenker:innen abgewiesen haben. Dem Grünen-Politiker Jürgen Kasek wurde während eines Interviews mit dem MDR die Maske vom Gesicht gezogen.

Im Nachgang betrachtet die Szene ihren Auftritt mit einer dezenten Zurückhaltung. Von einem historischen Tag ist nicht mehr die Rede. Zwar werden in den Kanälen der “Querdenken”-Szene erhöhte falsche Teilnehmerzahlen und Videos verbreitet, die ungerechtfertigte Polizeigewalt darstellen sollen, aber das große Echo bleibt aus. Der Meilenstein der Bewegung scheint in kleine Steinhaufen zerfallen zu sein. Der Samstag in Leipzig zeigte allerdings, dass diese Entwicklung die Gewaltbereitschaft der Szene nicht weniger relevant macht.

 

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