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Rezension Wie Nationalismus und Popmusik zusammen kommen

Wie kommt Nationalismus in Popmusik und Schlager vor? Welche Rolle spielt die Benennung einer Nation, wenn wir von „Italo Pop“ oder österreichischem HipHop sprechen? Diese Fragen stellt und behandelt der neue Sammelband „One Nation Unter a Groove“.

 
Symbolbild: Was macht das Italienische im "Italo Pop" aus? (Quelle: Screenshot)

Der neue Sammelband „One Nation Under a Groove – ‚Nation als Kategorie populärer Musik“, der aus der 29. Jahrestagung der Gesellschaft für Popularmusikforschung hervorgegangen ist, beleuchtet unterschiedliche Musikstile, die eine dominant nationale Dimension vermuten lassen. Während der Lektüre des Bandes wird deutlich, welch tragende Rolle die beiden Konzepte „Nation“ und „Nationalismus“ in populärer Musik spielen.

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Die Grundlage des Sammelbandes ist die Arbeit Benedict Andersons zur Nation als „imagined community“ (2006). Auf dieses Verständnis der Nation baut Gideon Botsch auf, indem er Nationalismus in einer „pränationalstaatlichen“, „nationalstaatlichen“ und „postnationalstaatlichen Konstellation“ (S. 21) unterscheidet. Nationalismen streben in letzterer Konstellation danach, „migrationsbedingte Veränderungen rückgängig zu machen und die Rechte und Vorrechte des Nationalstaats möglichst umfangreich wiederherzustellen“ (S. 22). Deshalb spricht er vom „rekonstruktiven Nationalismus“ (ebd.).

Botsch thematisiert das Werk des österreichischen „Volks-Rock’n’Rollers“ Andreas Gabalier. Der Musiker geriet in der Vergangenheit durch seine rechten Anspielungen in die Schlagzeilen (z.B. durch die Textpassage zum Eisernen Kreuz im Lied „Mein Bergkamerad“). In seinen Liedern idealisiert Gabalier die – nationale – Heimat und Natur und deutet an einigen Stellen eine schleichende Bedrohung der geschilderten Idylle an. Diese Bedrohung wird beispielsweise im Weihnachtslied „Es ist die Zeit“ (2009) durch das kleine Wörtchen „noch“ sichtbar:

„Es ist schon sonderboar | Wann i denk wie’s früher war | So anfoch und so scheen | I woas des gibt’s noch wo | Durt und do | Du wirst schon sehn“. Durch wen und was die Idylle gefährdet ist, bleibt offen. Insgesamt stellt Botsch fest, dass es in den Liedtexten Gabaliers nur zwei Zeitdimensionen gibt: „Eine Gegenwart, in der etwas ‚noch‘ vorhanden ist, […] und eine Vergangenheit, in der es für ‚ein paar Hundert Jahre‘ so ‚schön‘ gewesen sei.“ (S. 17) Eine Zukunft? Mangelware. Das sei Botsch zufolge ein wesentlicher Unterschied zum frühen Nationalismus, der sich meist auf die Zukunft bezogen hatte.

Maria Alexopoulou knüpft an die Überlegungen Botschs an und beschäftigt sich mit der Frage, weshalb das Konzept „Nation“ heutzutage überhaupt noch relevant ist (S. 31ff.). Sie stellt fest, dass Nation und Nationalismus im Zuge des gesellschaftspolitischen Rechtsrucks an Bedeutung und Einfluss gewonnen haben. Alexopoulou argumentiert, dass die Konjunktur des Nationalen, die in den vergangenen Jahren zu beobachten ist, lediglich ein „Backlash“ (S. 32) ist, der die „Dekonstruktion der Nation als Gegenbild zur globalisierten Welt zwar aufhalten oder zurückdrehen, dabei aber eigentlich andere Konzepte und Wissensbestände schützen will“. Das sei in der Bundesrepublik das „deutsche Volk“. Es ist kein neues Narrativ, sondern ein altes, das auf neue Art und Weise zur Geltung gebracht werden soll.

Die einzelnen Beiträge beschäftigen sich mit Bezeichnungen populärer Musikstile wie „Italo Disco“, die eine nationale Zugehörigkeit vermuten lassen: Inwiefern ist die Nation eine relevante Kategorie populärer Musik? Welche Bezüge sind im Falle des „Italo Disco“ zum Italienischen nachweisbar? Oder steckt hinter „Italo“ nur eine simple Projektion von Stereotypen? Ein Beitrag, der sich mit der Rolle der Nation im österreichischen HipHop beschäftigt, soll beispielhaft hervorgehoben werden:

Zwar sind die nationalen Grenzen in der vergangenen Dekade zunehmend verwischt, dennoch sind die Verweise auf die lokale/regionale/nationale Herkunft stark ausgeprägt. Viele HipHop-Musiker*innen sind gleichzeitig in einer lokalen und globalen Szene verwurzelt. Das ist der „glokale Charakter der HipHop-Kultur“ (S. 157). Besonders spannend ist die Relevanz der Sprache bzw. des eigenen Dialekts, denn er ist, so wird im Beitrag Frederik Dörflers deutlich, ein wichtiger Maßstab für Authentizität und Identität. Der Dialekt ermöglicht eine Positionierung innerhalb der HipHop-Szene.

Ralf von Appen / Thorsten Hindrichs (Hg.):

One Nation Under a Groove – »Nation« als Kategorie populärer Musik

 

Transkript Verlag, Oktober 2020
20,99 Euro

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