2025 zeigte sich die extrem rechte Szene in Thüringen – in all ihren verschiedenen Ausprägungen – äußerst aktiv. Neben zahlreichen Großveranstaltungen zwischen Demonstrationen, Kongressen und dutzenden Rechtsrock-Konzerten konnte vor allem die AfD ihre Wahlergebnisse bei Umfragen und Wahlen weiter ausbauen.
AfD und JA
Am 24. Februar 2025 fand die vorgezogene Bundestagswahl statt. Damit begann das neue Jahr in Thüringen, wie das alte geendet hatte: über ein Jahr Dauerwahlkampf mit Landrats- und Kommunalwahlen, Europawahlen und der Wahl des Landtags. Die AfD konnte ihr Ergebnis bundesweit im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 von 10,4 Prozent auf 20,8 Prozent verdoppeln. In Thüringen gewann die Partei insgesamt 38,6 Prozent der abgegebenen Zweitstimmen für sich und steigerte ihr Ergebnis damit um 14,6 Prozentpunkte. Auch eine deutliche Steigerung im Vergleich zur Landtagswahl im September 2024 (32,8 Prozent). In der Wählergruppe der 18 bis 24-Jährigen erzielte die extrem rechte Partei die größten Zugewinne. Hier stieg ihr Stimmenanteil von 7 Prozent auf nunmehr 21 Prozent. Nur die Linke konnte in dieser Wählergruppe mit 25 Prozent Stimmenanteil die AfD übertreffen. Mit dem Beginn des vorgezogenen Bundestagswahlkampfes ging eine enorm hohe Zahl an verschiedenen Veranstaltungsformaten der AfD einher – von Bürgerdialogen über Infostände bis hin zum Wahlkampfabschluss auf dem Domplatz in Erfurt.
Auch jenseits der zurückliegenden Wahlkämpfe ist die AfD in Thüringen eine Partei im Dauerwahlkampf und zeigt dies insgesamt vor allem durch Aktivitäten auf drei Ebenen.
Zum einen nutzt die Partei im Landtag ihre durch die Sperrminorität erlangte destruktive Macht, um sich selbst als politischen Gesprächspartner anzubieten, die Zusammenarbeit der demokratischen Parteien zu destabilisieren und damit Rechtsextremismus zu normalisieren. Gleichzeitig beschädigt sie den Parlamentarismus grundsätzlich. Hier kann die AfD vor allem von der Besetzung des Richter- und Staatsanwälte Wahlausschusses profitieren, den sie im zurückliegenden Jahr quasi lahmlegen konnte. Dem kam vor allem das BSW entgegen: Im März war der stellvertretende Landtagspräsident Steffen Quasebarth zu Gast im Podcast der AfD Fraktion, Anfang Juli gab es ein Treffen mit dem Kopf der AfD-Thüringen, Björn Höcke. Zeit Online hatte sich die „Thüringer Situation“ genauer angeschaut. Hier heißt es: „Fragt man Jens Cotta von der AfD, ob das Ziel sei, einen Keil in die Koalition zu treiben, indem man mit dem BSW spricht, sagt er: ‚Das kommentiere ich nicht.‘ Dann grinst er, ganz breit.“
Daneben führte die AfD hunderte Infostände, Jugendabende, Bürgerdialoge, Sommerfeste und andere öffentliche Veranstaltungen durch, um sich als zentraler politischer Ansprechpartner für die Belange der Bürger*innen zu inszenieren. Zugute kommen der Partei dabei die geringe Verankerung und Präsenz der demokratischen Parteien, vor allem in ländlichen Regionen, einhergehend mit einem politischen Klima der Einschüchterung und des Rückzugs demokratisch Engagierter aufgrund der massiv gestiegenen Bedrohungen demokratischer Kommunalpolitiker*innen.
Als dritten Aktivitätsschwerpunkt inszeniert die AfD immer wieder themenspezifische Kampagnen oder versucht, bundesweite Themen aufzugreifen und für sich zu nutzen. Größere Beachtung fand vor allem eine Kampagne der AfD rund um das Thema „Simson“, also die ostdeutsche Moped-Kultmarke. Damit versucht die AfD in Thüringen erneut an ostdeutsche Identitätsdebatten – vor allem unter jungen Menschen – anzuknüpfen. Am 16. August veranstaltete die Partei dann eine groß angekündigte und breit beworbene „Simson-Tour mit Björn Höcke“ im Schleizer Dreieck. An der Veranstaltung nahmen rund 300 Personen teil. Das Unternehmen Simson wurde 1856 von den jüdischen Brüdern Löb und Moses Simson in Suhl gegründet und gehörte im Nationalsozialismus zu den zahlreichen „arisierten“ Betrieben.
Bundesweit war es 2025 vor allem eine Kampagne gegen demokratische NGOs, in der rechte Medien, die AfD und andere Organisationen vereint waren. Ziel ist, demokratische zivilgesellschaftliche Organisationen zu diskreditieren und den Einsatz für demokratische Werte als „linksextrem“ umzudeuten und damit langfristig politische Gegner zu beschädigen, die für eine wertebasierte Demokratie einstehen und diese verteidigen. Ziel der Kampagne ist es, diesen Strukturen die finanziellen Mittel zu entziehen und so die demokratische Zivilgesellschaft und die Aufklärung über extrem rechte Bestrebungen auszuschalten. In Thüringen beispielsweise hat die AfD Listen erstellt, um Vereine bei den Finanzämtern zu melden und diesen die Gemeinnützigkeit entziehen zu lassen. Außerdem versuchte die Partei mittels eines Sonderplenums sämtliche Vereine und Strukturen, die sich auf antifaschistische Grundwerte beziehen, zu kriminalisieren.
Am 1. Februar, also knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl, traf sich in Apolda außerdem die Junge Alternative (JA) zu ihrem letzten Bundeskongress. Hier wurde die Auflösung der Jugendorganisation beschlossen, der eine Umstrukturierung und festere Anbindung an die Mutterpartei folgen soll. Auch der JA-Landesverband Thüringen folgte diesem Vorgehen und beschloss Ende März bei einem letzten Landeskongress im Braukeller in Erfurt die eigene Auflösung. Ende November wurde in Gießen nun eine neue Jugendorganisation unter dem Namen „Generation Deutschland“ gegründet. Die AfD Thüringen hatte bereits im Vorfeld bekannt gegeben, dass der Parteifunktionär Alexander Claus aus Erfurt für den Bundesvorstand der neuen Jugendorganisation kandidieren werde.
Neonazi-Szene: Zwischen Rechtsrock, Demonstrationen und jugendlicher Radikalisierung
Die Neonazi-Szene in Thüringen war auch 2025 äußerst aktiv. Dabei gab es nicht nur regionale Strukturen, die im Freistaat zahlreiche Veranstaltungen durchführten, Thüringen wurde auch für zentrale Großveranstaltungen der bundesweiten Neonazi-Szene genutzt. Sowohl am 1. Mai als auch am 3. Oktober führte die bundesweite Neonazi-Szene mit ihren Bündnispartnern aus „Reichsbürgern“ und anderen antidemokratischen Gruppen Großdemonstrationen in Thüringen durch. Dies zeigte sich am 1. Mai in Gera, wo Die Heimat, gemeinsam mit anderen Gruppen zu einer Veranstaltung mobilisierte. Dabei setzten die Organisatoren auf eine Mischung aus Demonstration und Rechtsrock-Konzert, um bundesweit Klientel zu mobilisieren. Entgegen der angemeldeten 2.500 Personen erfasste die Polizei nur rund 1.000 Teilnehmer*innen. Dennoch gelang es den Organisatoren die verschiedenen extrem rechten Milieus vollständig zu integrieren: Neben dem Neonazi-Spektrum nahmen an der Veranstaltung Reichsbürger*innen und Verschwörungsfans sowie mindestens ein Thüringer Landtagsabgeordneter der AfD teil. Auch Personengruppen des themenbeweglichen Protestspektrums rund um die extrem rechte Initiative „Freies Thüringen“ gingen in der Neonazi-Veranstaltung in Gera auf. Ein ähnliches Spektrum traf sich wenige Monate später am 3. Oktober in Altenburg mit rund 800 Teilnehmenden. Hier waren vor allem Die Heimat und die „Freien Sachsen“ zentral für die Mobilisierung.
Auch der „III. Weg“ führte am 1. Mai 2025 eine Demonstration in Thüringen durch. Rund 220 vor allem sehr junge Neonazis folgten dem Aufruf nach Suhl. Über die „Nationalrevolutionäre Jugend“ (NRJ) konnte die Neonazi-Partei in den vergangenen Monaten bundesweit vor allem junge Menschen an die Neonazi-Szene binden. Nur wenige Wochen später zeigte sich diese Strategie der Anbindungen zum Pfingstwochenende in Thüringen. In Berga/Elster (Landkreis Greiz) veranstaltete die NRJ ein „Jugendcamp“, zu dem bundesweit junge Menschen anreisten. Bis zu 100 Personen nahmen teil.
Wie hoch der Grad der Radikalisierung bei jungen Menschen bereits ist, wurde Ende Mai mit dem Verbot der „Letzten Verteidigungswelle“ deutlich. Fünf Jugendliche zwischen 14-18 Jahren sollen sich mutmaßlich zu einer extrem rechten Terrorzelle zusammengeschlossen haben. Sie sollen Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte und politische Gegner*innen geplant und auch bereits Brandanschläge verübt haben. Darunter war auch ein Anschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Schmölln am 5. Januar 2025. Die Gruppe hatte sich wie viele andere Nachwuchs-Neonazi-Gruppen im Laufe des Jahres 2024 gegründet und sich dann stetig radikalisiert.
Im Bereich Rechtsrock hat sich durch szeneinterne Verschiebungen ein neues Zentrum für rechte Musik herausgebildet. Im Jahr 2025 war es vor allem Tommy Frencks Szene-Gaststätte in Brattendorf, in der der größte Teil der diesjährigen Konzerte stattfand. Der Neonazi-Kitsch-Händler veranstaltete pro Wochenende teils zwei bis drei Konzerte in seiner Immobilie.
„Reichsbürger“-Szene: Thüringen als zentraler Netzwerkort
Thüringen ist seit Jahren ein zentraler Ort für Aktivitäten der „Reichsbürger“-Szene. Neben den lokal verankerten Strukturen dient der Freistaat als zentraler Aktionsraum bundesweiter Großveranstaltungen. Die kontinuierlichen Aktivitäten der Thüringer Szene liegen neben den zahlreichen Auseinandersetzungen mit staatlichen Institutionen vor allem in der Organisation zahlreicher Vortragsveranstaltungen und interner Treffen, um die Verschwörungserzählungen weiter in der Bevölkerung zu verbreiten und die eigene Szene dauerhaft zu festigen. Neben diesem kontinuierlichen Grundrauschen, diente auch 2025 der Freistaat mehrfach als Austragungsort der bundesweit größten Szene-Veranstaltungen. Regional sind es vor allem die selbsternannten „Wahlkommissionen“, die größere Veranstaltungen organisieren. Am 12. April beispielsweise fand in Leinefelde das sogenannte Staatsvolktreffen statt. Rund 250 Personen nahmen an der Mischung aus Demonstrations- und Vortragsveranstaltung teil. Mitte Juli organisierten „Wahlkommissionen“ und Umfeld dann erneut im Eichsfeld den sogenannten „Heimathkongreß“. Die zweitägige Tagungsveranstaltung fand in einem Hotel im Eichsfeld statt und lockte rund 100 Szene-Angehörige aus der gesamten Bundesrepublik nach Thüringen. Bei der Veranstaltung referierten szenebekannte Aktivisten zu klassischen „Reichsbürger“-Themen, Esoterik oder aktuellen Interessengebieten der rechten Szene wie Windkraft.
Mit dem „Großen Treffen der Bundesstaaten“ fand am 4. Oktober in Weimar die größte öffentliche Protestveranstaltung der bundesweiten „Reichsbürger“-Szene in Thüringen mit etwa 600 Teilnehmenden statt. Die Veranstaltungsreihe wurde bereits zum siebten Mal durchgeführt.
Fazit: Thüringen als Vorreiter und Aktionsraum bundesweiter Entwicklungen
Thüringen bleibt ein zentraler Raum für rechtsextreme Entwicklungen. Nicht nur, dass die Wahlerfolge der AfD weiter deutliche Zuwächse gezeigt haben, auch die mannigfaltigen Aktivitäten der gesamten antidemokratischen Bewegung mit all ihren Ausprägungen setzten sich auf sehr hohem Niveau fort. Thüringen steht bei diesen Entwicklungen im Zentrum als Aktionsraum und Wegbereiter bundesweiter Entwicklungen.


