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Hetze gegen Flüchtlinge Rassismus für alle

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Misstraue der Idylle: In Escheburg bei Hamburg fühlte sich ein Familienvater und Finanzbeamter durch rassistische Stimmungsmache legitimiert, eine zukünftige Flüchtlingsunterkunft in Brand zu setzen. Und sagte vor Gericht, das habe nichts mit Rassismus zu tun. (Quelle: Dr. Regine Bachmann / wikipedia / Creative Commons)

Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, gerade auf zukünftige, sind derzeit mehr Alltag als Ausnahme. Aus allen Teilen Deutschlands gibt es Meldungen, dass „Unbekannte“ Fenster einschlagen, etwas in Brand setzen, Parolen sprühen. Dies verhindert die Unterbringung von Flüchtlingen im Ort zumindest eine Zeit lang. Und es sagt zumindest deutlich: Flüchtlinge sind hier nicht willkommen.

Manche dieser Fälle sind gesellschaftlich einfach zu verstehen. Letzte Woche, am 18.05.2015, verübten etwa zwei Männer einen Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft im brandenburgischen Zossen. Im Auto hatten die 23 und 32 Jahre alten Männer rassistische Plakate, sie sind als Angehörige der rechtsextremen Szene polizeibekannt. Es sind Täter, denen man eine solche Tat zutraut. Sie zündeten am leerstehenden Haus Container an, geringer Sachschaden ist die Folge.

Anfang Mai wurde dagegen vor dem Landgericht Lübeck ein Fall aus Escheburg (Schleswig-Holstein) verhandelt. Auch hier: Eine Brandstiftung, verübt  9. Februar 2015. Der Täter: 39, Finanzbeamter, Vater einer vierjährigen Tochter, Nachbar der zukünftigen Flüchtlingsunterkunft.  Er erklärt sich wortreich vor Gericht. „Als ich an meinem Car-Port vorbei ging und dort den Kanister mit Pinselreiniger stehen sah, habe ich den wie in Trance genommen und bin damit zu der Doppelhaushälfte gegangen. Ich habe das Loch, das da bereits in der Scheibe war, vergrößert, habe die Flüssigkeit in das Haus geschüttet und sie angezündet“, sagte er vor Gericht. Er habe geglaubt, durch die Brandstiftung den Einzug der Flüchtlinge hinauszögern zu können. „Dann hätten wir Zeit gewonnen, um nach Verfahrensfehlern zu suchen“, sagte der Beamte (Quelle: shz). Er war der Meinung, „etwas Gutes“ zu tun (Spiegel). Der Sachschaden: 20.000 Euro. Medien berichten, der Täter zeige Reue, sage, er schäme sich und begreife nicht, warum er das getan habe. Er habe doch nur seine Familie schützen wollen – weil sie Angst gehabt hätten vor sechs irakischen Männern, die am nächsten Tag in das Haus einziehen sollten. Er und seine Nachbarn seien verärgert und enttäuscht gewesen, dass das Amt Hohe Elbgeest so wenig Rücksicht auf die Anwohner genommen habe. Und dann: „Das hat gar nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun.“

Vielleicht glaubt das der 39-jährige Finanzbeamte tatsächlich, der in Folge der Tat seinen Job verlor und zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wurde (NDR). Glauben das sogar die berichtenden Medien? Der Satz bleibt in vielen Berichten unkommentiert stehen. Aber natürlich ist es nichts als Rassismus, wenn jemand sich gegen Menschen zur Wehr setzt, von denen er nichts weiß als ihren Herkunftsort und ihr Geschlecht, und denen er deshalb das Recht abspricht, in seinem Ort zu wohnen. Richterin Helga von Lukowicz sagte in der Urteilsbegründung: „Mit keinem Wort hat er erwähnt, dass ihm die Flüchtlinge leidtun. Er tut sich nur selbst leid.“ (HA) Der Angeklagte habe nur vom Verlust seines Beamtenstatus gesprochen; davon, dass ihn nach der Tat nicht alle Nachbarn mit offenen Armen aufgenommen hätten und er in der Öffentlichkeit „in die rechte Ecke“ gerückt worden sei (Spiegel). Ein Nachbar aus Escheburg berichtet, sie hätten sich Sorgen gemacht, wie es auf einen irakischen Mann wirke, oder überhaupt auf einen Haufen alleinstehender Männer wirke, wenn auf dem Nachbargrundstück im Sommer mehrere Frauen im T-Shirt, in kurzer Hose auf der Terrasse sitzen und dort Kaffee trinken.“ (Welt) Rassismus in Reinform. In die Unterkunft ist inzwischen eine Familie aus Tschetschenien eingezogen.

Doch den Rassismus gibt es nicht nur unter Nachbarn – auch unter denjenigen, die sich um Flüchtlinge kümmern sollen: In Burbach, so zeigen es Recherchen der Staatsanwaltschaft Siegen, folterten nicht nur Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma Flüchtlinge, wie im Oktober 2014 ans Licht kam (ngn berichtete). Von dem vergitterten „Folterzimmer“ in der Einrichtung wussten demnach auch Polizisten und sogar Mitarbeiter einer Landesbehörde – insgesamt 50 Personen.  Niemand fühlte sich bemüßigt, zu handeln (WAZ).

Manchmal sind das Problem die Sicherheitsbehörden selbst. In Hannover haben Polizisten laut NDR-Recherchen Flüchtlinge nicht nur gequält, sondern darüber auch noch menschenverachtende „Scherze“ per Messengerdienst „What’s App“ gemacht: Der Täter schreibt an einen Kollegen: „Hab den weggeschlagen. Nen Afghanen. Mit Einreiseverbot. Hab dem meine Finger in die Nase gesteckt. Und gewürgt. War witzig. Und an den Fußfesseln durch die Wache geschliffen. Das war so schön. Gequikt wie ein Schwein. Das war ein Geschenk von Allah“ (Fehler im Original). In einem zweiten Fall schickt er sogar ein Foto und schreibt „“Das ist ein Marokkaner. Den habe ich weiß bekommen. XY (der unmittelbare Vorgesetzte, Anm. d. Red.) hat gesagt, dass er ihn oben gehört hat, dass er geqikt hat, wie ein Schwein. Dann hat der Bastard erst mal den Rest gammeliges Schweinefleisch aus dem Kühlschrank gefressen. vom Boden“. (Fehler im Original)

Einzelfälle? Nein, Taktik

Gern wird, wenn Entsprechendes ans Licht kommt, von „Einzelfällen“ berichtet. Es sind aber keine. Seit 2013 fahren Rechtsextreme unter Führung der NPD massive „Nein zum Heim“-Kampagnen in sozialen Netzwerken, die ihre Fans täglich mit neuem, vorgeblich realen „Informationen“ versorgen, die Feindlichkeit gegen Flüchtlinge schüren und scheinbar Begründungen für die Ressentiments bieten. Rund 100 Seiten dieser Art gibt es aktuell allein auf Facebook. Oft kommt es dabei zu einseitigen Resonanzräumen,  auch „Echokammern“ genannt: Das heißt, Menschen bewegen sich nur noch auf Seiten, die ihre eigene Meinung bestätigen; andere Sichtweisen werden etwa als „Lügenpresse“ oder „Gutmenschen-Argumentationen“ abgetan, die es nicht zu betrachten lohne. Oft gelingt so, gerade mit lokalem Bezug, eine massive Stimmungsmache, bevor dies überhaupt in demokratischen Medien oder Institutionen bemerkt wird. Absurdeste „Fakten“ von dubiosen Webseiten werden als vermeintliche „Wahrheiten“ weiterverteilt.

Beispiele, die die Website gegen Internetmissbrach www.mimikama.at allein in den letzten Monaten aufgearbeitet hat: „Neubau einer Flüchtlingseinrichtung“, „Asylantenfamilie erhält 32.000 Euro fürs Nichtstun“, „2800 € Begrüßungsgeld für Asylbewerber“, „Skandal!!! Bank kommt zur Auszahlung per Bus zu den Asylanten“, „Privatwohnungen können für Asylanten beschlagnahmt werden“. Der Tenor ist bei allen (Falsch)-Meldungen gleich: Ängste werden geschürt, soziale Ungerechtigkeiten unterstellt und vor allem Etabliertenvorrechte und Rassismus bedient: Die kriegen angeblich etwas, was ich nicht bekomme! Und dabei bin ich doch schon immer hier.

Wenn Spekulationen über steigende Kriminalitätsraten, Vermüllung des Umfeldes oder den aggressiven Sexismus von Männern aus anderen Ländern die Runde machen – dies ist in der Regel der Fall, bevor es die Unterkünfte überhaupt bezogen werden – , erkennen die Diskutierenden den rassistischen Gehalt ihrer Aussagen oft gar nicht (oder streiten ihn zumindest ab). Die Folge dieser Diskurse ist ein besorgniserregender Anstieg der Übergriffe auf Flüchtlingsheime, weil sich Einzelne durch rassistische Stimmungen in der Gesellschaft geradezu beauftragt sehen, auch mit Gewalt einzuschreiten:  2012 gab es 24 Straftaten gegen Asylunterkünfte. Zum Jahr 2013 verdoppelte sich die Zahl: 58. Dann setzte die gezielte Propaganda ein, gesteuert durch die NPD, unterstützt von Kameradschaften und rechtsextremen Organisationen und Seiten, aber auch von rechtspopulistischen, „patriotischen“ Internetseiten. Im Jahr 2014 hat sich die Zahl von 2013 noch einmal verdreifacht: 203 Übergriffe gegen Asylunterkünfte. Und dies ist die staatliche Zahl. Die „Aktion Schutzschild“ der Amadeu Antonio Stiftung zählt sogar 221 Übergriffe.

 

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