Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Rechte Influencerinnen Rechtsextreme Inhalte schön verpackt

Von|
Das Instagram-Profil von Lisa Lehmann. Rechts oben posiert sie mit dem AfD-Abgeordneten Bernd Baumann. (Quelle: Screenshot Instagram)

Einrichtungs-Inspiration, Kochrezepte, Beauty-Tipps, Landschaftsfotos des deutschen Waldes oder im Dirndl vor den Alpen. Frauen aus der rechtsextremen Szene nutzen bewusst diverse Plattformen wie Instagram, YouTube und Telegram, um ihr rechtsextremes Weltbild, persönlich und emotional verpackt, bei einem großen, jungen Publikum zu verbreiten. Und es gibt viele von diesen weiblichen Aktivistinnen auf Instagram mit mehreren tausend Follower:innen.

IB ködert mit jungen, weiblichen Aktivistinnen

Reinhild ist eine von ihnen, sie ist Aktivistin der sogenannten „Identitären Bewegung“ (IB). Sie postet Bilder von sich, in unterschiedlichen Situationen, oft versehen mit einem Zitat einer prominenten Persönlichkeit, wie Johann Wolfgang Goethe oder dem Dalai Lama. Sie nutzt dabei Hashtags – sowohl unpolitische wie #meerweh oder #reinigung aber auch zum Beispiel #Partyaktivismus oder #reconquista. „Reconquista“ ist eine der beliebtesten Erzählungen der IB. Dabei geht es um die „Rückeroberung“ Deutschlands und Europas, einerseits abstrakt von der „Ideologie des Multikulturalismus“, andererseits ganz praktisch von Muslim:innen, die in Deutschland oder Europa leben.

Auf ihren Bildern verbreitet Reinhild mal Symbole der „Identitären Bewegung“, mal verlinkt sie zum Kanal von „Lukreta“, einem Nachfolgeprojekt von „120db“. Bei „Lukreta“ geht es der IB wieder einmal um rassistische Hetze unter dem Deckmantel des vorgeblichen „Schutzes von Frauen“.

Die IB will an die Befreiung Wiens von der türkischen Armee und dem Ende der Zweiten Wiener Türkenbelagerung im Jahr am 12. September 1683 erinnern und verknüpfen diese mit ihren rassistischen Ansichten zur aktuellen Politik. Auch hier geht es wieder um Stimmungsmache gegen Migrant:innen. Reinhild trägt einen Beutel mit dem Logo zu diesem IB-Projekt (Quelle: Screenshot)

Eine weitere Aktivistin der „neuen“ Rechten ist Freya. In ihren YouTube-Videos sitzt sie in ihrem Zimmer, im Hintergrund hängt eine Lichterkette – die typische Deko von Influencerinnen. Neben Tipps, wie man das beste Bananenbrot backt oder welche Sonnencreme sie bevorzugt, verbreitet sie jedoch klar völkische Inhalte: Sie gibt auf Instagram Empfehlungen, wie und wo man sich als Patriot:in am besten vernetzen könne, oder wie man als „traditionelle Frau“ leben sollte, nämlich indem man sich der „Spaßgesellschaft“ entziehe, den Haushalt unter Kontrolle habe, Kochen, Backen, Sticken und Nähen lerne und sich mit der deutschen Kultur auseinander setze. Freya ist Aktivistin der „Identitären Bewegung“. Ihre  professionell und zunächst unverfänglich daher kommende Videos werden vom EinProzent“-Medienteam um Simon Kaupert produziert, einem rassistischen Kampagnenprojekt und Netzwerk deutscher und österreichischer Rechtsextremer im Umfeld der „neuen“ Rechten. Zu ihren rechtsextremen Zielen gehört es unter anderem, eine „Gegenöffentlichkeit zu schaffen“ und sogenannte „Widerstandszentren“ zu errichten.

Auch Freya versucht sich als Influencrein (Quelle: Shreenshot YouTube)

Reinhild und Freya sind nur zwei Beispiele von rechtsextremen Aktivistinnen, die sich mit professionellen Fotos und Videos in ihren privaten Accounts als Influencerinnen versuchen. Für die „neue“ Rechte macht das Sinn. Schließlich werden Privataccounts für die „neue“ Rechte immer wichtiger, weil Gruppenaccounts, wie die der IB, in jüngerer Zeit gesperrt wurden: Für die IB spielt es eine zentrale Rolle, ein modernes Image und sich selbst als jung und hip zu präsentieren, wobei die Inhalte völkisch, nationalistisch und in großen Teilen rechtsextrem sind.

Die Rolle der Frau

In der extrem rechten Sphäre sind Frauen als Wortführerinnen eher eine Seltenheit. Es entspricht dem völkischen und rechtsextremen Bild, dass Frauen sich dem Mann unterzuordnen haben. Ihre Rolle begrenzt sich meist auf den Haushalt und die Familie. Und wenn Frauen dann doch mal in der ersten Reihe stehen und was zu sagen haben oder sagen sollen, sind sie meist jung und hübsch, möglichst antifeministisch und wirken eher niedlich als dominant, die Rollenverteilung in der rechtsextremen Szene ist schließlich klar. 

Die jungen Influencerinnen präsentieren sich auf Social Media als Koch- und Strickbegeisterte „Wifeys“ und diese Darstellung passiert nicht zufällig, sondern mit Kalkül: Frauen werden weniger als Gefahr wahrgenommen, eher als nettes Mädchen von nebenan. Daher setzt die Szene junge Frauen gerne ein, um weitere Mitglieder für die eigene Sache zu gewinnen. Auch wenn nicht jeder:m Follower:in klar ist, dass es sich hier um rechtsextreme Accounts handelt, schlagen die Algorithmen der Plattformen immer radikalere Inhalte vor.

AfD setzt auf harmlos wirkende Frauen

Wie eine Datenanalyse von Correctiv belegt, spielt bei der Vernetzung auf Instagram der Account eines Fotografen eine wesentliche Rolle. Nachdem dieser jahrelang nur Landschaftsaufnahmen veröffentlicht hatte, schwenkte er auf Porträts von jungen Frauen um. Diese entsprechen nicht nur gängigen Schönheitsidealen, sondern sie haben mehrheitlich Verbindungen in die rechte Szene, darunter die AfD und deren Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA).

Zu sehen sind dort zum Beispiel Mary Khan, stellvertretende Bundesvorsitzende der JA, oder Marie-Thérèse Kaiser, Kreisvorsitzende der AfD Rotenburg und Kampagnengesicht der AfD. Mehrfach ist zudem Lisa Lehmann aus dem Vorstand der JA Sachsen-Anhalt abgelichtet. Auch sie treten vor allem auf Instagram als rechte Influencerinnen auf.

Lehmann beispielsweise postet vordergründig ästhetische und sympathische Fotos von sich mit unverfänglichen Bildunterschriften, meist mit dem Hashtag #heimatliebe. Auf ihrem Profil finden sich allerdings auch Bilder mit AfD-Politiker:innen. Auch ihr Vater ist AfD-Politiker, Mario Lehmann gehörte von 2016 bis 2021 dem Landtag von Sachsen-Anhalt an. Lisa Lehmann war außerdem die Lebensgefährtin des früheren AfD-Landesvorsitzenden André Poggenburg. Zudem ist die Mitbegründerin des mittlerweile offiziell aufgelösten rechtsextrem „Flügel“ und war Moderatorin bei einem Videoformat von Compact, einem Magazin, das vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft ist.

Marie-Thérèse Kaiser hingegen tritt ganz offen als AfD-Mitglied auf. Ihr Profil wimmelt nur so vor Sharepics der AfD, meist ist sie darauf abgebildet – als hübsches Gesicht der Partei. Die 24-Jährige ist Kreisverbandsvorsitzende der Partei in Rotenburg (Wümme) in Niedersachsen und kam laut eigener Aussage 2015 aus Enttäuschung über die CDU-Politik zur AfD. In einer Videoreihe auf YouTube propagiert AfD-Mitglied Kaiser zentrale ideologische Konzepte der „neuen“ Rechten. Wie schon bei der Aktivistin Freya war auch dieser Kanal eine Kooperation mit dem rechtsextremen Netzwerk von EinProzent“. 

Das Insta-Profil von Marie-Thérèse Kaiser (Quelle: Screenshot Instagram)

Auch hier: Lisa Lehmann und Marie-Thérèse Kaiser sind nur zwei Beispiele, es gibt jedoch zahlreiche Frauen die versuchen mehr oder weniger professionell für die AfD zu werben, Politikerin, Aktivistinnen und Freundinnen und Frauen von AfD-Politikern.

Keine andere Partei in Deutschland hat die Relevanz von Social Media für die eigene politische Sache so früh erkannt wie die rechtsradikale AfD. Frühzeitig setzte sie auf digitale Plattformen um ihren rassistischen Hass unter die Leute zu bringen. Auch im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 sind Facebook, Instagram und Co. wichtiger denn je für die Parteien. Und immer noch nutzt die AfD die Plattformen wesentlich erfolgreicher als die Konkurrenz. Inhaltlich setzt die AfD auf Emotionen. Vor allem auf Angst und Wut: Angst vor Einwanderern, Kriminalität und sozialem Abstieg – und Wut auf Angela Merkel, die Regierenden und die „Eliten“. Das soll die Nutzer:innen zum Teilen und Kommentieren animieren.

Zielgruppe: männlich, weiblich und hauptsächlich jung

Influencerinnen richten sich auf Instagram normalerweise an eine weibliche Zielgruppe. Nicht so jedoch rechtsextreme Influencerinnen, sie sprechen sowohl Frauen wie auch Männer an. Junge Frauen wie Reinhild oder Lisa Lehmann fungieren wie eine Art Türöffner in die rechtsextreme Szene. Via Instagram versucht die neurechte Szene vor allem junge Menschen anzusprechen und für die eigenen menschenfeindlichen Inhalte zu gewinnen.

Die rechten Influencerinnen stehen für ein antifeministisches Weltbild: Der in ihren Augen schädliche Feminismus hätte die heile Welt der traditionellen Familie und klassischen Geschlechterrollen zerstört. Er hätte Männer und Frauen zu Gegner:innen und letztere zu Opfern gemacht. Aktivist:innen der „neuen“ Rechten versuchen die klassischen Rollenbilder zu rehabilitieren. Und diese Bestrebung dürfte so einige junge Männer ansprechen, die sich ein „Frauchen am Herd“ wünschen.

Ein zentrales Narrativ in der rechtsextremen Propaganda ist es, Angst vor Migrant:innen zu schüren. Sie versuchen das Bild eines angeblich zu „sexuellen Übergriffen neigenden“ Geflüchteten und oder Migranten als Gefahr für „deutsche“ Frauen zu zeichnen. Ganz im Sinne eines klassischen Rollenverständnisses wollen sie, dass der Mann seine Männlichkeit wiederentdecke (die sei durch den Feminismus verloren gegangen) und die „deutsche“ Frau vor den Migranten beschütze. Daher richten sich die weiblichen rechtsextremen Influencerinnen eben auch an Männer. Als Frauen dürfen sie den Feminismus nicht nur kritisieren, sondern ihn in seiner Gänze ablehnen. 

Ähnlich funktioniert es auch auf einer anderen Ebene: Zunächst schöne Landschaftsbilder der „deutschen Heimat“ präsentieren, um im nächsten Augenblick zu imaginieren diese Heimat sei durch Migrant:innen bedroht. Daher müsse sich jede:r zur Wehr setzen, um seine:ihre Heimat zu verteidigen.  

Instagram als politischer Ort

Besonders die JA legt seit einiger Zeit einen starken Fokus auf Instagram und unterstützt ihre Mitglieder unter anderem mit Fotokursen. Man habe erkannt, dass man die Nutzer:innen besser mit Menschen erreicht, als mit der Präsentation der eigenen Organisation. Private Accounts geben sich persönlich, zeigen ästhetische Bilder oder berichten in Instagram-Storys aus dem Alltag. Das hat den Zweck, sogenannte parasoziale Beziehungen mit den Follower:innen aufzubauen. Rechte Ideologie wird so als gewöhnlicher Lifestyle verharmlost

Instagram helfe, das rechte Netzwerk wachsen zu lassen und ideologisch zu stabilisieren, auch dank des Algorithmus. Ein Vorstandsmitglied der „Jungen Alternativen“ (JA) Berlin, berichtete gegenüber Correctiv, dass der Landesverband mittlerweile mehr als die Hälfte seiner Neuzugänge über Instagram gewinne. Und auch die AfD-, bzw. JA-Influencerinnen dürften hier eine wichtige Funktion einnehmen. 

Weiterlesen

IB Zeichen

Symbole und Erkennungszeichen Das Netzwerk der „Identitären Bewegung“

Die „Identitäre Bewegung“ stellt sich selbst gerne als hippe Jugendbewegung dar, die eine moderne Verpackung für klassischen Rassismus und Rechtsextremismus gefunden haben. Wir haben uns die Symbole und Projekte aus dem Netzwerk der rechtsextremen Gruppe angeschaut – denn was auf den ersten Blick unverfänglich wirkt, trieft bei genauerer Betrachtung nur so vor rechtsextremer Ideologie.

Von|
Eine Plattform der