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Ein Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen 2018 Neonazis foltern Christopher W. zu Tode – weil er schwul war

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Jens H., einer der Mörder von Christopher W., posiert für ein Foto im "Landser"-Shirt. "Landser" ist eine inzwischen als kriminelle Vereinigung verbotene Rechtsrock-Band.

2018 gab es in Sachsen ein Todesopfer rechtsextremer Gewalt. Zunächst wurde der Fall nicht als rechtsextrem motiviert geführt, doch diese Einschätzung wurde inzwischen revidiert. Aktuell stehen die Täter in Chemnitz vor Gericht.

Hier der bisher bekannte Tatverlauf, der die Verrohung und Brutalität der Täter zeigt:

In einem Milieu, das geprägt ist von Alkohol, Drogen, Aussichtslosigkeit und rechtsextremer Ideologie, treffen sich am 17. April 2018 vier „Freunde“ im erzgebirgischen Aue. Am Ende des Tages ist einer von ihnen tot. Christopher W., ein stetes Mobbingopfer, wird von Stephan (22), Terenc (27) und Jens (22) so lange gefoltert, bis er schließlich stirbt. Sein lebloser Körper ist so übel zugerichtet, dass die Polizei anfangs Schwierigkeiten hat, ihn zu identifizieren.  

Wie konnte es zu diesem Gewaltexzess kommen? Stephan, Terenc und Jens sind rechtsextrem, auch wenn sie offenbar nicht in organisierten Neonazi-Strukturen vernetzt sind. Aber mindestens zwei von ihnen ie tragen ihre Ideologie als Tattoos offen zur Schau. Sie bezeichnen Christopher W. zwar als eine Art Freund, aber Christopher W. ist schwul und wird von ihnen als Fußabtreter benutzt. Hass auf Homosexuelle gehört für viele Neonazis dazu – gleichgeschlechtlich zu lieben ist für sie ein Verrat an Familienwerten und „Volkskörper“, wenn nicht gar eine psychische Störung oder „Degeneration“.

Der Hass der drei Täter auf Homosexuelle entlud sich am Abend des 17. Aprils 2018 in massiver Gewalt. Entsprungen ist sie offenbar in einem rechtsextremen Milieu, in dem es zur Normalität gehört,  Hakenkreuze zur Schau zu tragen, antisemitische Parolen zu grölen und laut rassistische und homofeindliche Neonazi-Musik hören.

Drei Neonazis im Blutrausch

Am Mittag des 17. Aprils treffen sich Stephan, Terenc und Jens wie gewohnt am Postplatz. Sie trinken Alkohol. Stephan behauptet später vor Gericht, dass Terenc gesagt habe, er wolle Christopher „weghaben“, da dieser Lügen über sie verbreite. Später am Mittag stößt Christopher zu den dreien. Weil Christopher „herumtänzelt“, beleidigt Stephan ihn homofeindlich. Wie Zeugen später vor Gericht berichten werden, ist das keine Seltenheit. Christopher solle aufhören „zu tänzeln“, sonst ramme er ihm eine Flasche in den Hals, soll er gesagt haben. Wenige Stunden später setzten die drei Rechtsextremen ihren Plan in die Tat um. Am Abend gehen sie mit ihrem Opfer auf das Gelände des alten Güterbahnhofs in Aue. Ab 19.30 Uhr entlädt sich ihr Hass auf Christopher W. und mündet in einem schrecklichen Blutrausch.

Stephan H. soll dem ahnungslosen Christopher zunächst die Faust ins Gesicht geschlagen haben. Als der in die Knie geht, tritt Terenc H. ihm gegen Kopf, Brust und Beine. Jens H. schlägt ihm mit einer Aluminiumschiene auf den Kopf. Schließlich werfen sie den schwerverletzten Christopher W. in einen 1,80 Meter tiefen Schacht.

Das Ende erfolgte schließlich durch einen Bordsteinkick

Doch damit nicht genug: Als Terenc bemerkt, dass Christopher noch lebt, soll er in den Schacht hinterher gesprungen sein und sein Opfer mit einer Neonröhre misshandelt haben. Er zersticht  ihm das Gesicht . Mit einer Glasscherbe zerschneidet er den Arm des Opfers. Das schreckliche Ende dieser Folter: Terenc H. und Stephan H. legen laut Anklage das Opfer mit dem Gesicht auf eine Betonkante und treten dann mehrfach auf dessen Hinterkopf. Mit einer alten Tür schlagen sie noch mehrmals auf das Opfer ein. Mit dieser Tür decken sie die Leiche schließlich ab. Zumindest Terenc ist wohl auch noch stolz auf ihr Verbrechen, er stellt Bilder des geschundenen toten Körpers ins Internet. Die grausigen Bilder machten in Aue und Umgebung die Runde.

Prozess vor dem Landgericht Chemnitz

Seit Dezember müssen sich die drei Täter vor dem Landgericht Chemnitz verantworten. Keiner aus dem Trio bestreitet für das Verbrechen verantwortlich zu sein, doch keiner will federführend bei dem Mord gewesen sein.

Terenc H. behauptet, er könne sich wegen seinem Alkohol- und Drogenkonsums (Chrystal Meth) an diesem Tag ab 16 Uhr an nichts mehr erinnern. Doch bei Nachfragen verstrickt sich der Angeklagte immer weiter in Widersprüche. Zeugen berichten, Terenc habe noch am Tatabend weinend vom „toten Christopher“ gesprochen. Zwei Freunde, die Terenc noch in der Tatnacht empfängt, begrüßt er mit Hitlergruß.

Als Motiv geben die Tatverdächtigen an, Christopher W. habe Unwahrheiten über die Drei verbreitet. Er habe überall herumerzählt, dass sie Drogen nehmen würden, sagte einer aus dem Trio der Polizei. Das aber waren keine Lügen, und vermutlich werden die Verteidiger sogar auf Schuldminderung plädieren und geltend machen, dass ihre Mandanten während der Taten unter Alkohol und Drogen standen. Außerdem war Christopher W. selbst schwer süchtig nach Chrystal Meth und Alkohol.

Destruktive Täter-Opfer-Beziehung

Anna Pöhl von der Opferberatung RAA in Sachsen beobachtet den Prozess. Sie beschreibt das Verhältnis zwischen den drei Tätern und dem Opfer als kompliziert. Christopher hatte mit zwei der späteren Täter, Jens und Terenc, gemeinsam in einem Haus gewohnt. Sie tranken gemeinsam Alkohol und nahmen gemeinsam Drogen. Pöhl beschreibt die Beziehung von Christopher zu seinen späteren Mördern als destruktiv: „Christopher wurde von den anderen geschlagen, auch in der Öffentlichkeit, offenbar ohne das er sich gewehrt hat.“ Ein Vorfall, der vor Gericht zur Sprache kommt: Ein Zeuge berichtet, wie es bei einem Treffen mit Christopher und Stephan um das Thema Ritzen ging. Stephan wollte Christoph zeigen, wie es “richtig” geht. Er sagte, dazu brauche er eine Glasscherbe. Der Zeuge bot damals –  wohl nicht ganz ernst gemeint – sein Cuttermesser an. Stephan griff das Messer, und schnitt in Christophers Arme. Aber auch Terenc ließ seine Aggression offenbar öfter an Christopher aus. Er brach ihm bereits das Nasenbein.

Doch auch wenn Christopher in einer zerstörerischen Täter-Opfer-Beziehung zu seinen späteren Mördern stand, spielt auch die rechtsextreme Einstellung der drei Täter eine zentrale Rolle in diesem Prozess. Diese zeigt sich nicht nur in den einschlägigen Tattoos der Täter, sondern auch in der Brutalität und Menschenverachtung der Tat.

Hakenkreuz-Schlüsselanhänger, Rechtsrock und Hass auf Schwule

Terenc H. hatte bereits 27 Akteneinträge in seiner Polizeiakte, unter anderem wegen Rufens antisemitischer Parolen, gefährlicher Körperverletzung und Zeigen seines Hakenkreuz-Tattoos auf der Brust. Der 28. Polizei-Eintrag lautet nun Mord. Bei der Länge ihrer Vorstrafenregister stehen Stephan und Jens ihrem Kameraden um nichts nach. Auch sie haben bereits Einträge, die sie als politisch motiviert rechts ausweisen. Auch hier geht es um antisemitische Parolen, „Heil-Hitler“-Rufe und das Verbreiten von verfassungsfeindlichen Symbolen. Stephan ist in seiner Ausbildung beispielsweise aufgefallen, da er einen Hakenkreuz-Schlüsselanhänger geschnitzt hat, außerdem beschallte er seine Nachbarn mit indizierter Rechtsrock-Musik. Im Prozess bestätigen Zeugen vor allem Stephans Hass auf schwule Männer. Neben Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus ist Homofeindlichkeit ein zentraler Kulminationspunkt für rechtsextremen Hass.

Noch im Herbst letzten Jahres behauptete das sächsische Justizministerium, es gebe keine Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Straftat. Das sieht mittlerweile anders aus. Christopher W. ist mittlerweile ein anerkanntes Todesopfer rechter Gewalt und damit ist er die traurige Nummer 195 in der Liste der Todesopfer rechter Gewalt seit 1990.

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